Wer die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen will, braucht keine umfassenden Schriftkenntnisse. Dies stellte jetzt das Bundesverwaltungsgericht klar.
"Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache" verlangt das deutsche Staatsangehörigkeitsgesetz von Ausländern, welche die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen wollen. Aber was heißt schon "ausreichend"? So waren die Bundesländer uneinig, ob auch schriftliche Sprachkenntnisse verlangt werden können.
Diese Unklarheit wurde jetzt vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig beseitigt. Für einen Einbürgerungswilligen ist es ausreichend, einen deutschsprachigen Text des täglichen Lebens lesen und ihn auf Deutsch diktieren zu können. Allerdings müsse ein Antragsteller das Diktierte und Geschriebene auf seine Richtigkeit überprüfen können. Für eine Einbürgerung sei eine gute Rechtschreibung nicht zwingend notwendig, befanden die Richter. Es müsse nur sichergestellt werden, dass man sich gegenüber den Behörden verständlich machen kann, sowohl im familiären als auch im geschäftlichen Bereich.
Neben Deutschkenntnissen verlangt das Gesetz das Fehlen von Vorstrafen und auch ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Man muss zudem eine Niederlassungserlaubnis, eine deutsche Aufenthaltserlaubnis oder eine EU-Aufenthaltserlaubnis besitzen und man muss sich mindestens acht Jahre gewöhnlich und rechtmäßig in Deutschland aufgehalten haben.
Will man die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, muss man allerdings seine alte Nationalität ablegen. In finanzieller Hinsicht ist es entscheidend, den eigenen Lebensunterhalt und den für unterhaltsberechtigte Familienangehörige ohne staatliche Unterstützung bestreitenzu können.
Kind deutscher Eltern zu sein, ist die einfachste Variante, um die deutsche Staatsangehörigkeit zu erhalten. Ausreichend für dieses so genannte Abstammungsprinzip ist es, wenn ein Elternteil deutsch ist. Ergänzt wird es seit Januar 2000 durch das Geburtsortprinzip: Auch wenn die Eltern beide keinen deutschen Pass besitzen, erhält das Kind bei seiner Geburt in Deutschland die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn sich ein Elternteil mindestens acht Jahre gewöhnlich und rechtmäßig in Deutschland aufgehalten hat und eine Niederlassungserlaubnis oder eine EU-Aufenthaltserlaubnis besitzt. In vielen Fällen wird den Kindern aber auch die Nationalität der Eltern weitergegeben. In dem Falle besitzt das Kind bis zur Volljährigkeit mehrere Staatsangehörigkeiten und muss sich dann für eine entscheiden. Das wird im so genannten Optionsmodell geregelt.
GLOSSAR:
umfassende (Schrift)Kenntnisse – umfangreiche / weit reichende Kenntnisse
klarstellen – deutlich sagen
ausreichend – genügend / gut genug
uneinig sein – nicht die gleiche Meinung haben
Einbürgerung, die – die Verleihung / der Erwerb der Staatsangehörigkeit eines Landes
Einbürgerungswillige, der – jemand, der die Staatsangehörigkeit eines Landes annehmen möchte
allerdings – jedoch
etwas auf seine Richtigkeit überprüfen – kontrollieren, ob etwas richtig / korrekt ist
nicht zwingend notwendig sein – nicht unbedingt nötig sein
... befanden die Richter – ... entschieden die Richter
sicherstellen – garantieren / gewährleisten
Vorstrafe, die – eine in der Vergangenheit ausgesprochene Verurteilung zu einer Strafe
sich in Deutschland aufhalten – in Deutschland sein
gewöhnlich – hier: mit dem Lebensmittelpunkt in Deutschland
in finanzieller Hinsicht – was das Finanzielle betrifft; zum Thema Geld
den Lebensunterhalt bestreiten – das Geld, das man zum Leben braucht (für Nahrung, Kleidung, Wohnung) verdienen / aufbringen
Volljährigkeit, die – die Vollendung des achtzehnten Lebensjahres; das Alter, in dem man voll geschäftsfähig wird und das Wahlrecht erhält
Text 12 2006