Wie die Burgonden mit den Heunen stritten

Als der kühne Dankwart unter die Türe trat

Und Etzels Ingesinde zurückzuweichen bat,

Da war mit Blut beronnen all sein Rüstgewand;

Eine scharfe Waffe trug er bloß an seiner Hand. (2013)

* Gerade zu der Stunde als Dankwart trat zur Tür,

Trug man Ortlieben im Saale für und für

Von einem Tisch zum andern den Fürsten wohlgeboren:

Durch seine schlimme Botschaft ging das Kindlein verloren. (2014)

Hellauf rief da Dankwart einem Degen zu:

“Ihr sitzet allzu lange, Bruder Hagen, in Ruh;

Euch und Gott vom Himmel klag ich unsre Not;

Ritter und Gesinde sind in der Herberge tot.” (2015)

Da rief ihm der entgegen: “Wer hat das getan?”

“Das hat der Degen Blödel mit seinem Heeresbann.

Auch hat ers schwer vergolten, das will ich euch sagen:

Mit diesen Händen hab ich ihm sein Haupt abgeschlagen.” (2016)

“Der Schaden ist geringe,” sprach Hagen dagegen,

“Wenn man solche Märe sagt von einem Degen,

Dass er von Reckenhänden zu Tode sei geschlagen:

Den sollen desto minder die schönen Frauen beklagen. (2017)

“Nun sagt mir, Bruder Dankwart, wie seid ihr so rot?

Ich glaube schier, ihr leidet von Wunden große Not:

Ist einer in dem Lande, von dem euch das geschehn?

Der üble Teufel helfe dem: Es muss ihm an sein Leben gehn.” (2018)

“Noch bin ich unverwundet: Mein Kleid ist nass von Blut;

Das floss nur aus Wunden andrer Degen gut,

Deren ich so manchen heute hab erschlagen,

Wenn ichs beschwören sollte, die Zahl nicht wüsst ich zu sagen.” (2019)

Da sprach er: “Bruder Dankwart, so hütet uns der Tür

Und lasst von den Heunen nicht einen Mann herfür:

So red ich mit den Recken wie uns zwingt die Not:

Unser Ingesinde litt unverdient durch sie den Tod.” (2020)

“Soll ich Kämmrer werden?”, sprach der kühne Mann,

“Bei so reichen Königen steht mir das Amt wohl an:

Der Stiege will ich hüten nach allen Ehren mein.”

Kriemhildens Recken konnte das nicht leider sein. (2021)

“Nun möcht ich doch wissen,” sprach wieder Hagen,

“Was die Heunendegen sich in die Ohren sagen:

Sie möchten sein entbehren, der hier die Tür bewacht,

Und der die Hofmären den Burgonden hat gebracht. (2022)

“Ich hörte schon lange von Kriemhilden sagen,

Dass sie nicht ungerochen ihr Herzleid wolle tragen;

Nun trinken wir die Minne und zahlen des Königs Wein:

Der junge Vogt der Heunen, der muss der allererste sein.” (2023)

Ortlieb das Kind erschlug da Hagen der Degen gut,

Dass ihm vom Schwerte nieder floss auf die Hand das Blut,

Und das Haupt herab sprang der Königin in den Schoss

Da hob sich unter Degen ein Morden grimmig und groß. (2024)

Er schlug dem Hofmeister, der des Kindes pflag,

Mit seinen beiden Händen einen schwinden Schwertesschlag,

Dass vor des Tisches Füße sein Haupt niederflog:

Es war ein übler Dienstlohn, den er dem Hofmeister wog. (2025)

Er sah vor Etzels Tische einen Fiedelmann:

Hagen in seinem Zorne schritt rasch zu ihm heran.

Er schlug ihm auf der Geige herab die rechte Hand:

“Das habe für die Botschaft in der Burgonden Land.” (2026)

“O weh meine Hände!”, hub da Werbel an,

“Herr Hagen von Tronje, was hab ich euch getan?

Ich kam in großer Treue in eurer Herren Land:

Wie kläng ich nun die Töne, da ich verloren die Hand?” (2027)

Hagen fragte wenig, geigt er auch nimmer mehr.

Da übt' er in dem Hause die grimme Mordlust sehr

An König Etzels Recken, deren er viel erschlug:

Da bracht er in dem Hause zu Tod der Recken genug. (2028)

Volker der Schnelle von dem Tische sprang,

Sein Fiedelbogen kräftig an seiner Hand erklang.

Da fiedelte gewaltig Gunthers Fiedelmann:

Hei! Was er sich zu Feinden der kühnen Heunen gewann! (2029)

Auch sprangen von den Tischen die drei Könge hehr.

Sie hofften es zu schlichten, eh Schadens würde mehr:

Doch strebten ihre Kräfte umsonst dawider an,

Da Volker mit Hagen so sehr zu wüten begann, (2030)

Da sah der Vogt vom Rheine, er scheide nicht den Streit:

Da schlug der König selber manche Wunde weit

Durch die lichten Panzer den argen Feinden sein:

Er war ein schneller Degen, das ließ er offenbar sein. (2031)

Da kam auch zu dem Streite der starke Gernot:

Der schlug dem Heunenvolke manchen Helden tot

Mit dem scharfen Schwerte, das Rüdiger ihm gab;

Damit bracht er manchen von Etzels Recken ins Grab. (2032)

Der jüngste Sohn Utens auch zu dem Streite sprang,

Seine Waffe herrlich durch die Helme drang

König Etzels Recken aus dem Heunenland:

Da tat viel große Wunder des kühnen Geiselher Hand. (2033)

Wie kühn sie alle waren, die Fürsten und ihr Bann,

Dennoch sah man Volkern den andern all voran

Bei den starken Feinden; er war ein Degen gut:

Er förderte mit Willen manchen nieder in das Blut. (2034)

Auch wehrten sich gewaltig die in Etzels Lehn:

Man sah die Gäste fechtend auf und nieder gehn

Mit den lichten Schwertern durch des Königs Saal.

Da vernahm man allenthalben vom Wehruf mächtigen Schall. (2035)

Da wollten die da draußen zu ihren Freunden drin:

Sie fanden an der Stiege gar wenigen Gewinn;

Da wollten die da drinnen gerne vor die Tür:

Dankwart ließ keinen nicht hinein noch herfür. (2036)

Drum hob sich an der Pforte ein ungestümer Drang

Und von Schwerthieben auf Helmen lauter Klang.

Da kam der kühne Dankwart in eine große Not:

Sein Bruder trug da Sorge, wie ihm die Treue gebot. (2037)

Da rief mit lauter Stimme Hagen Volkern an;

“Seht ihr dort, Geselle, vor manchem Heunenmann

Meinen Bruder stehen unter starken Schlägen?

Freund! Schützet mir den Bruder, wir verlieren sonst den Degen.” (2038)

Der Spielmann gab zur Antwort: “Wohl, es soll geschehn.”

Da begann er fiedelstreichend durch den Saal zu gehn:

Ein hartes Schwert nicht selten an seiner Hand erklang.

Vom Rhein die Recken sagten dafür ihm größlichen Dank. (2039)

Volker der kühne zu Dankwarten sprach:

“Ihr habt erlitten heute großes Ungemach!

Mich hat euer Bruder, ich soll euch helfen gehn:

Wollt ihr nun draußen bleiben, so will ich innerhalben stehn.” (2040)

Dankwart der schnelle stand außerhalb der Tür:

So wehrt' er von der Stiege wer immer trat dafür.

Man hörte Waffen hallen den Helden an der Hand:

So tat auch innerhalben Volker von Burgondenland. (2041)

Der kühne Spielmann rief ihm über die Menge zu:

“Der Saal ist wohl verschlossen, Freund Hagen, seid in Ruh:

Es ist so gut verschränket König Etzels Tür

Von zweier Helden Händen, die gehn wohl tausend Riegeln für.” (2042)

Als von Tronje Hagen die Türe sah in Hut,

Den Schild warf auf den Rücken der erlauchte Degen gut;

Nun begann er erst zu rächen was ihm war geschehn.

Da durften seine Feinde sich des Lebens nicht versehn. (2043)

Als der Vogt von Berne das Wunder recht ersah,

Wie Hagen der Starke zerbrach die Helme da,

Der Amelungen König sprang auf eine Bank;

Er sprach: “Hier schenket Hagen den allersauersten Trank.” (2044)

Der Wirt war sehr in Sorgen, wie ihn zwang die Not;

Was schlug man lieber Freunde vor seinen Augen tot!

Er selbst war kaum geborgen vor seiner Feinde Schar:

Er saß in großen Ängsten: Was half ihm, dass er König war? (2045)

Kriemhilde die reiche rief Dietrichen zu:

“Hilf mir von der Stell, edler Ritter du,

Bei aller Fürsten Tugend aus Amelungenland;

Denn erreicht mich Hagen, hab ich den Tod an der Hand.” (2046)

“Wie soll ich euch helfen,” sprach Herr Dieterich,

“Edle Königstochter? Ich sorge selbst um mich.

Es sind so sehr erzürnet die in Gunthers Bann,

Dass ich in dieser Stunde niemand wohl befrieden kann.” (2047)

“Nicht also, Herr Dietrich, edler Ritter gut:

Lass einmal heut erscheinen deinen tugendreichen Mut:

Bringe mich von hinnen, oder ich bleibe tot.

Hilf mir und dem König aus dieser angstvollen Not.” (2048)

“Ich will es versuchen ob euch zu helfen ist;

Doch sah ich wahrlich nimmer in langer Tage Frist

So bitterlich erzürnet manchen Ritter gut:

Ich sehe durch die Helme von Schwestern springen das Blut.” (2049)

Mit Kraft begann zu rufen der Ritter auserkorn,

Dass seine Stimme hallte wie ein Büffelhorn

Und dass die weite Veste schütterte von dem Stoß.

Dietrichens Stärke, die war über Maßen groß. (2050)

Da hörte König Gunther rufen diesen Mann

In dem harten Sturme: Zu lauschen hub er an.

Er sprach: “Dietrichs Stimme ist in mein Ohr gekommen:

Ihm haben unsre Degen hier wohl jemand benommen. (2051)

“Ich seh ihn auf dem Tische winken mit der Hand.

Ihr Männer und Freunde von Burgondenland,

Haltet ein mit Streiten: Lasst hören erst und sehn,

Was von meinen Mannen hier dem Degen sei geschehn. (2052)

Als so der König Gunther bat und auch gebot,

Da senkten sie die Schwerter in des Streites Not.

Das war Gewalt bewiesen, dass niemand da mehr schlug.

Er fragte den von Berne um die Märe schnell genug. (2053)

Er sprach: “Viel edler Dietrich, was ist euch hier geschehn

Von meinen Freunden? Ihr sollt mich willig sehn:

Zur Sühn und zur Buße bin ich euch gern bereit.

Was euch jemand täte, das war mir inniglich leid.” (2054)

Da sprach der Degen Dietrich: “Mir ist nichts geschehn;

Lasst mich mit euerm Frieden aus dem Hause gehn

Von diesem schweren Streite mit dem Gesinde mein:

Dafür will ich euch wahrlich immer dienstbeflissen sein.” (2055)

“Was müsst ihr also flehen?”, sprach da Wolfhart,

Es hält der Fiedelspieler die Tür nicht so verwahrt:

Wir öffnen sie so mächtig, dass man ins Freie kann.”

“Schweige,” sprach Herr Dietrich, “du hast den Teufel getan.” (2056)

Da sprach König Gunther: “Den Urlaub geb ich gleich:

Führet aus dem Hause so viel ihr wollt mit euch,

Ohne meine Feinde: Die sollen hier bestehn.

Durch sie ist mir viel Leides hier bei den Heunen geschehn.” (2057)

Als das der Berner hörte, mit einem Arm umschloss

Er die edle Königin, ihre Angst war groß;

Da führt' er an dem andern Etzeln aus dem Haus.

Auch folgten Dietrichen vieler stolzer Degen hinaus. (2058)

Da sprach der Markgraf, der edle Rüdiger:

“Soll aber aus dem Hause noch kommen jemand mehr,

Der euch gerne dienet, wohlan, so macht mirs kund:

So walte steter Frieden in getreuer Freunde Bund.” (2059)

Zur Antwort gab ihm Geiselher von Burgondenland:

“Einigkeit und Friede sei euch von uns bekannt;

Ihr haltet stete Treue und die in euerm Lehn:

Ihr sollt mit euern Freunden ohne Furcht von hinnen gehn.” (2060)

Als Rüdiger der Degen räumte Etzels Saal,

Fünfhundert oder drüber, die folgten ihm zumal.

Das ward aus großer Treue von den Herren getan;

Wodurch der König Gunther bald großen Schaden gewann. (2061)

Da sah ein Heunenrecke König Etzeln gehn

Neben Dietrichen: Des wollt er Frommen sehn.

Dem gab der Fiedelspieler einen solchen Schlag,

Dass gleich vor Etzels Füßen ihm das Haupt am Boden lag. (2062)

Als der Wirt des Landes kam vor des Hauses Tor,

Da wandt er sich und blickte zu Volkern empor.

“O weh mir dieser Gäste! Das ist grimme Not:

Dass alle meine Recken vor ihnen finden den Tod! (2063)

“Weh dieses Hofgelages!”, sprach der König hehr;

“Da drinnen ficht einer, der heißet Volker,

Gleich einem wilden Eber und ist ein Fiedelmann:

Ich dank es meinem Heile, dass ich dem Teufel entrann. (2064)

“Seine Weisen lauten übel, seine Striche sind rot;

Wohl schlagen seine Töne mir manchen Helden tot.

Ich weiß nicht was uns vorwirft derselbe Fiedelmann,

Dass ich in meinem Leben so leiden Gast nicht gewann.” (2065)

* Zu den Herbergen gingen die beiden Recken hehr,

Dietrich von Berne und Markgraf Rüdiger.

Sie wollten gerne beide des Streits entledigt sein,

Und geboten ihren Degen, dass sie den Zwist sollten scheun. (2066)

* Und hätten die Burgonden des Leides sich versehn,

Das ihnen von den beiden noch sollte geschehn,

Sie wären aus dem Hause so leicht nicht gekommen,

Eh sie eine Strafe von den Kühnen hätten genommen. (2067)

Sie hatten die sie wollten entlassen aus dem Saal;

Da hob sich innerhalben ein fürchterlicher Schall.

Die Gäste rächten bitter ihr Leid und ihr Schmach;

Volker der Kühne, hei! Was er Helme zerbrach! (2068)

Sich wandte zu dem Schalle Gunther der König hehr:

“Hört ihr die Töne, Hagen, die dort Volker

Mit den Heunen fiedelt, wenn wer zur Türe trat?

Es ist ein roter Anstrich, den er am Fiedelbogen hat.” (2069)

“Es reut mich ohne Maßen,” sprach Hagen dagegen,

“Dass ich je mich scheiden musste von dem Degen:

Ich war sein Geselle, er der Geselle mein,

Und kommen wir von hinnen, wir wollens noch in Treue sein. (2070)

“Nun schaut, hehrer König, der Volker ist dir hold:

Wie fleißig er verdienet dein Silber und dein Gold!

Sein Fiedelbogen schneidet durch den harten Stahl,

Er wirft von den Helmen die lichten Zierden zu Tal. (2071)

“Ich sah nie einen Fiedler so stolz und herrlich stehn

Als diesen Tag von Volker dem Degen ist geschehn.

Seine Weisen hallen durch Helm und Schildesrand:

Gute Rosse soll er reiten und tragen herrlich Gewand.” (2072)

So viel der Heunendegen auch waren in dem Saal,

Nicht einer blieb am Leben von ihnen allzumal.

Da war der Schall beschwichtigt, als niemand bleib zum Streit:

Die kühnen Recken legten da ihre Schwerter beiseit. (2073)

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