Der stilistisch differenzierte Wortbestand

Die sprachlichen Einheiten dieser Gruppe sind aus inner- und außerlinguistischen Gründen nicht allen Deutschsprachigen gleicherweise verständlich. Sie werden nicht von allen gleicherweise gebraucht. Sie können in einem Stil wenig oder gar nicht, in einem anderen hingegen viel gebraucht werden oder sogar für ihn typisch sein: sie können in den verschiedenen Stilen verschiedene stilistische Funktionen ausüben. Hier lasssen sich zwei Untergruppen voneinander absondern: die stilistisch kolorierte Lexik, d.h. Wörter und Wendungen mit absoluter Stilfärbung, die ihre Konnotationen auch kontextfrei, bei ihrer bloßen Nennung offenbaren, und die charakterologische Lexik, d.h. Wörter und Wendungen, die zeitliche, territoriale, berufliche, soziale und nationale Gegebenheiten charakterisieren.

Die absolute Stilfärbung ist eine dem Sprachsystem innewohnende linguistische Erscheinung. Z.B.: niemand (war gekommen) – normalsprachlich, kein Mensch, keine Seele (war gekommen) – umgangssprachlich-literarisch, kein Teufel, kein Hund (war gekommen) – umgangssprachlich-salopp, kein Aas (war gekommen) – umgangssprachlich-grob (vulgär). Die Glieder dieser Reihe enthalten mehr oder weniger gemeinsame lexisch-semantische Merkmale, unterscheiden sich aber durch ihre stilistische Charakteristik, d.h. durch ihre Lage auf der stilistischen Höhenskala. Der Kopf kann auch heißen: Haupt, Birne, Dez, Rübe, Ballon, Kürbis, Nischel, Schädel. Aber bedeuten z.B. Haupt und Birne wirklich dasselbe wie Kopf?

1. Der ehrwürdige Greis neigte …(sein Haupt, seinen Kopf, seine Birne).

2. Die Mutter wusch dem Kind …(das Haupt, den Kopf, die Birne) mit Seife.

3. «Ich hau dir einen … vor (das Haupt, den Kopf, die Birne!)», rief er wutentbrannt.

Alle Wörter für Kopf bezeichnen zwar denselben Gegenstand, aber indem man ein bestimmtes Wort auswählt, gibt man als zusätzliche Information eine bestimmte Einstufung und (stilistische) Bewertung zu erkennen: 1. Haupt – gewählt, feierlich, vornehm, erhaben, dichterisch, beschönigend, manchmal ironisch; 2. Kopf – Normalwort; 3. Birne – umgangssprachlich, abwertend, gefühlsgeladen, oft auch scherzhaft, ironisch, ordinär.[Duden: 364-365]

In der folgenden Übersicht sind einige Gegenstände oder Sachverhalte mit gewählten, normalen und abwertenden Bezeichnungen aufgefürt:

gewählt (gehoben) normal (neutral) abwertend (umgangssprachlich)
Antlitz Gesicht Fresse, Visage
entschlafen, heimgehen sterben abkratzen, sich die Radieschen von unten ansehen
umnachtet verrückt bekloppt, bescheuert, beknackt
dinieren, speisen, tafeln essen fressen, mampfen
- Fernseher Glotze, Flimmerkasten
Gewand Kleid Fähnchen, Fummel
Ordnungshüter Polizist Bulle, Polyp
armselig dürftig miserabel
schlüpfrig glatt glitschig
ermattet müde erschossen
gekränkt beleidigt eingeschnappt
borgen leihen pumpen
schlummern schlafen pennen

[Wörter zur Wahl 1993: 150-152]

Manchmal sagt der Ausdruck «gewählt» auch, dass es sich um ein veraltendes, aussterbendes Wort handelt: weiland / einst, gedenken / denken an, Aar /Adler, Leu / Löwe, sintemal / da, weil, Feinsliebchen / Geliebte, Hain / kleiner, lichter Wald. [Duden: 365]

Die Lexik mit absoluter Stilfärbung offenbart positive oder negative Einstellung der Person. Dabei können verschiedene Gefühlsschattierungen zum Ausdruck kommen: Liebe, Bewunderung, Begeisterung, Achtung, Huldigung, Entzückung (gehobene Lexik: Antlitz, sich vermählen, sich verehelichen); Geringschätzung, Beleidigung, Grobheit, Verachtung, Spott, Hass (saloppe, grobe/vulgäre Lexik: Fratze/Fresse statt Gesicht, abkratzen statt sterben). Diese Lexik hat immer im lexisch-semantischen System neutrale Synonyme.

Die zweite Untergruppe des differenzierten Wortbestandes (charakterologische Lexik) verleiht der Aussage ein bestimmtes Kolorit. Unter Kolorit verstehen E.Riesel und E. Schendels «die für konkrete Ereignisse, Sachverhalte und Situationen charakteristische Atmosphäre, die dank der sprachlichen Eigenart ihrer Wiedergabe fühlbar wird.» [Riesel, Schendels: 64] In ihrer sprachstilistischen Ausformung unterscheidet man typisierende Kolorite, denen gesellschaftliche Determinanten zugrundeliegen. Hierher gehören:

a)das historische Kolorit (bedingt durch das grundlegende gesellschaftliche Moment – Zeit);

b) das nationale Kolorit(betrifft die Unterscheidungsmerkmale der nationalen Varianten innerhalb einer Sprache und die Spezifik verschiedener Nationalsprachen);

c) das soziale Kolorit(in der Rede bestimmter Bevölkerungsgruppen und Alterstufen, berufliches Kolorit);

d) individualisierende Kolorite (charakterisieren die Einzelmenschen nach ihrer persönlichen Eigenart im ganzen, aber vor allem nach ihrer Sprechweise).

Es sei darauf aufmerksam gemacht, dass einige charakterologische Gruppen polyfunktional sind, d.h. dem jeweiligen Text bald das eine, bald das andere Kolorit verleihen. Weiter wird der Wortschatz betrachtet, der sämtliche Kolorite sprachstilistisch aktualisiert.

1. Zu den zeitlich beschränkten Schichten des Wortbestandes gehören Historismen und lexische Archaismen,d.h. Wörter und Wendungen, die aus dem Verkehr gezogen werden, weil sie – vom Standpunkt der Gegenwart aus – veraltet sind: Coupe (Abteil), Aviatiker (Flieger). Wenn wir z.B. in einer polemischen Schrift aus der Zeit der deutschen Bauernkriege lesen: Ja ja ir macht, dass ich schier gern lecht [lachte], so stellt das Adverb schier ein vielgebrauchtes Wort jener Sprachperiode dar (heute ersetzt durch beinahe, fast). Archaismen und Historismen werden zur Zeichnung des historischen, beruflichen und sozialen Kolorits verwendet. So kann man noch heute in Dörfern, die weitab von größeren Siedlungen oder Städten liegen, die wohlwollende Anrede Herr Nachbar an einen Fremden hören, ebenso wie die veraltenden Verwandschaftsnamen Vetter/Base für Cousin/Cousine und die veralteten Bezeichnungen Base für Tante, Oheim für Onkel. Am längsten halten sich veraltende und veraltete Ausdrücke im offiziellen Verkehr (Kanzleistil): weiland (d.h. vordem, vor Zeiten – erstarrtes Partizip von weilen) in der Bedeutung “verstorben, ehemals”. Bis in die jüngste Zeit brachten deutschsprachige Amtszeitungen gelegentlich noch Nachrichten von weiland dem Präsidenten des Gerichtshofes. Historismen und Archaismen werden oft als Mittel der Satire gebraucht. Mit ihrer Hilfe kann ein bestimmtes Zeitkolorit parodisiert, können bestimmte Sitten und Anschaungen verspottet werden: stramme Mannen – abwertend “teutschtümelnde Korpsstudenten (die Pluralform Mannen gilt heute einerseits als Historismus in der Bedeutung “mittelalterliche Lehnsleute, Gefolgsleute”, anderseits als zeitgenössischer Berufsausdruck für die Mitglieder einer Sportmannschaft).

2)Neologismen sind neue Wörter, die zu einem bestimmten Zeitpunkt auftauchen. Aus stilistischer Sicht werden sie in drei Gruppen eingeteilt:

a) Wörter, die zu einem bestimmten Zeitpunkt entstehen und allmählich als lexische Normen in den Wortbestand der Literatursprache eingehen (Neologismen bestimmter Zeitabschnitte): LPG – Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (seit 1956), Atombetrieb, Appartementbau, Friedenskurs, Umweltschutz, umweltfreundliche Gasautos (seit 70-er Jahre), Internet, E-mail (seit 99-er Jahre);

b) Wörter, die auf der Stufe des individuellen Gebrauchs stehen, ohne in den allgemeinen Sprachverkehr einzugehen (einmalige Neologismen, Einmalbildungen, okkasionelle Neologismen): die Montagmorgenstadt: laut, volkreich, lebendig. (Brežan);

c) Wörter, die im Zusammenhang mit bestimmten Zeitereignissen und Modeerscheinungen in dieser oder jener sozialen Gruppe intensiv gebraucht werden, gehen aber später – gleich den Archaismen und Historismen – in den passiven Wortschatz der Sprache über (vorübergehende Neologismen): die Nazizeit – Wiedererweckung des Artbewussteins; coventieren in der übertragener Bedeutung von “ausradieren” (ein Modewort der Nazipresse); Blut und Boden (symbolische Bezeichnung für die Begriffe “Rasse” und “Heimat”); fanatisches Gelöbnis, Bekenntnis zum Aruergeist (Schlüsselwort der Sprache des dritten Reichs); Arbeiter-und Bauern-Fakultät, Brigade der sozialistischen Arbeit (DDR-Lexik).

Unter Neologismen in der Sprache der Nachkriegszeit fallen besonders die Kurzwörter ins Auge: HO – Handelsorganisation, VEB – Volkseigener Betrieb, LPG – landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft, DEFA – Deutsche Film-AG; wissenschaftliche Termini: H-Bombe – Wasserstoffbombe; Begriffe des Alltags: BIWA-Läden – Läden mit billigen Waren, Moped – Kleinfahrzeug mit Motor und Pedal, Wissenstoto.

Daneben breiten sich im Alltagsverkehr sowie in der Publizistik und schönen Literatur literarisch-umgangssprachliche Kurzwörter von expressiver Färbung aus, wie etwa: Stupo – Stummpolizei, benannt nach dem westdeutschen Polizeipräsidenten Dr. Stumm (Bildung nach dem Modell Schupo, Sipo –Sicherheitspolizei, Bepo – Bereitschaftspolizei).

Einige Linguisten nennen den Prozess der Entstehung der Kurzwörter – Inflation durch Abkürzungen [Розен: 51]. In der Presse sind sehr verbreitet Akronyme – aus den Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter gebildete Kurzwörter [Ivleva: 13]: EMAU – Ernst-Moritz-Arndt-Universität; BAFÖG – Bundesausbildungsförderungsgesetz (закон о материальной поддержке студентов); OPEC – Organisation of Petroleum Exporting Countries (ОПЕК – организация стран-экспортеров нефти). In den letzten Jahren ist auch verbreitet die Abkürzung der Namen der bekannten Persönlichkeiten: BB – Bertolt Brecht; TM – Thomas Mann. 1999 trat die deutsche Band „Die Fantastischen Vier“ mit dem Lied „MfG. Mit freundlichen Grüßen“ auf, dessen Text nur aus Abkürzungen bestand:

ARD, ZDF, C&A PLZ, UPS und DPD

BRD, DDR und USA BMX, BPM und XTC

BSE, HIV und DRK EMI, CBS und BMG

GbR, GmbH – ihr könnt mich mal ADAC, DLRG – ojemine

THX, VHS und FSK EKZ, RTL und DFB

RAF, LSD und FKK ABS, TÜV und BMV

DVU, AKW und KKK KMH, ICE und Eschede

RHP, usw, LMAA PVC, FCKW – is' nich' o. k.

Zahlreiche umgangssprachlich-expressive Kurzwörter sind in der Sprache der Gegenwart “neutralisiert” worden”: Alex – Alexanderplatz, Kudamm – Kurfürstendamm, Einkaufs- und Promenadensstraße in Berlin.

In der letzten Zeit sind in der Presse so genannte Buchstabierwörter sehr populär: f.d.H. – friss die Hälfte (совет желающим похудеть); Ga-bi-ko – ganz billiger Korn; Mode – Männer opfern die Ersparnisse; Deos – doppeltes Einkommen ohne Sex. [Розен: 56]

3. Modewörterkönnen auch als vorübergehende Neologismen unterschiedlicher Perioden angesehen werden: fabelhaft, sagenhaft, toll, erstklassig, phantastisch (fantastisch), bombastisch, kolossal, global, in der letzten Zeit – echt, cool, geil, gut, sexy, Das ist der Hammer! Absolute Spitze!

4. Stilistische Anachronismen (Zeitwidrigkeiten) sind Stilmittel, die in bestimmtem Zusammenhang mit den durch zeitliche Momente gekennzeichneten Schichten des Wortbestandes, den Historismen / Archaismen und Neologismen stehen.

a) Ein Wort oder eine Redewendung werden in Bezug auf eine Epoche gebraucht, in der sie noch nicht existierten: Dampfer zu Kolumbus’ Zeiten. Eine solche Verwendung steht meist im Dienst von Witz und Satire. Sprachliche Anachronismen entstehen auch bei zeitwidrigem Gebrauch der Wortbedeutung, so etwa wenn das Wort Kumpel in einer Erzählung aus der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts nicht in seiner damaligen Bedeutung (Arbeiter in Bergwerken), sondern in der neuen Bedeutung als familiär-umgangssprachliche Anrede im Verkehr beliebiger Arbeitskollegen verwendet würde. Auch einst veraltende Wörter können “auftauchen”: obsolet “устаревший, отработанный” – ein obsoletes Wort, die obsoleten Bestandteile der Kultur, die Kontroverse war obsolet geworden [Розен: 112.]

b) Die zweite Art des Anachronismus entsteht dadurch, dass Wörter, die heute schon als Historismen gelten, in Bezug auf die Gegenwart angewendet werden. Auch sie stehen meist im Dienst von Satire und Humor. Wenn Touristen, auf ihrer Wanderung an einem See angelangt, am Ufer ein Boot alter Bauart entdecken und, gutmütig spottend, dieses Fahrzeug als Arche Noah bezeichnen.

5. Nationale und territoriale Dublettensind durch örtliche Beschränkung gekennzeichnet, d.h. oft werden sinnverwandte Wörter je nach Gegend unterschiedlich gebraucht. Im Süden sagt man so, im Norden anders. Dubletten sind Synonyme innerhalb der Literatursprache, d.h. literarisch zulässige nord-, mittel- oder süddeutsche Varianten der gemeinsprachlichen Lexik. Die eigentliche Domäne der territorialen und nationalen Dubletten ist der Stil des Alltagsverkehrs. Es sind Namen von Gebrauchsgegenständen, einfachen Arbeitsinstrumenten, Produkte der Landwirtschaft, ferner Bezeichnungen für Speisen und Kleidung, Begriffe aus der Kinderwelt. Durch das Fernsehen, das Radio, die Zeitung, durch große Umsiedlungen (insbesondere Flüchtlinge, Aussiedler) sind viele Ausdrücke im ganzen deutschen Sprachgebiet bekannt geworden, so dass man sie zumindest versteht: Samstag (sd.; österr.; schweiz.)/Sonnabend (nd.; md), Semmel (österr.)/Brötchen (DL), Tomate (DL)/Paradiesapfel (österr.), Schlacher (nd)/Metzger (md)/Fleischhauer (sd), Kaffetrinken (DL)/Jause (österr.), Fasching (rhein.)/Karneval (rhein.)/Fas(t)nacht (bair.-österr.), klingen (oberdt.)/schellen (ndt.) [Fleischer: 67]

Dialektismensind nichtliterarische Wörter und Wendungen, beschränkt auf einen ganz engen Kreis dieser oder jener Mundart. Thomas Mann berichtet in den «Buddenbrooks» von einem charakteristischen Vorfall. Als der Münchner Bierbrauer Alois Permaneder in das Lübecker Patrizierhaus zu Besuch kommt, reagiert das naive Hausmädchen, das selbst kein Wort Hochdeutsch spricht, auf die ihm unverständliche bayrische Dialektrede in reinstem Plattdeutsch: … hei red' nich dütsch un is ook goar tau snaksch [er spricht nicht deutsch und ist auch gar nicht zu närrisch]. [Mann 1] Die Dialektismen haben nur im Alltagsstil sachlich-neutrales Gepräge. Falls sie in anderen Redestilen verwendet werden, nehmen sie expressive Färbung an. Der Ausdruck Meckerer, der aus dem Dialekt in der Sprache der Publizistik und schönen Literatur erscheint, enthält einen starken satirischen Gefühlsgehalt: damit wird ein stets unzufriedener Mensch bezeichnet, ein ewiger Nörgler (die Ziege gilt in der Tiersage als unzufriedenes Tier, daher Meckern als Symbol der Unzufriedenheit). Der Schwabe neigt in seiner Mundart dazu, den Vokal «i» durch nachlässige Aussprache e-ähnlich zu machen: schwemmen anstatt schwimmen, sprengen anstatt springen. Im schwäbischen Dialekt fehlt die Vorsilbe zer-, an ihre Stelle tritt ver- (z.B. Papier verreißen, Glas verschlagen). Im Hessischen ist die mitteldeutsche Variante Quetsche für oberdeutsch Zwetsche, Zwetschge (besondere Art der Pflaume) verbreitet.

Große Aufmerksamkeit schenkt die moderne Linguistik dem Problem der nationalen Sprachvarianten. Deutsch spricht man nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, in Teilen der Schweiz und in Lichtenstein. Außerhalb von Deutschland klingt die Sprache anders una auch manche Wörter unterscheiden sich . Das ist an sich nichts Außergewöhnliches, denn selbst in Deutschland klingt es anders, je nachdem ob ein Hamburger, ein Berliner, ein Leipziger, ein Kölner, ein Stuttgarter oder ein Münchener etwas sagt. [Zertifikat Deutsch: 52]

Das heutige Österreich wird mit Recht als deutschsprachig angesehen, obwohl in der deutschen Standardsprache die Tatsache nachwirkt, dass in der alten Donaumonarchie neben dem Deutschen das Ungarische, Kroatische, Slowenische, Tschechische, Rumänische und das Italienische vertreten waren. [Zibrowa: 10] Diese Sprachminderheiten bestimmen trotz der kleinen Einwohnerzahl die österreichische Standardsprache auch heute mit, weil sie ununterbrochen ihren Wortschatz ins Deutsche liefern.

In der Schweiz hat sich eine sehr eigentümliche Sprachsituation herausgebildet. Die Menschen wohnen in 4 Sprachgebieten. Dementsprechend bestehen hier 4 gleichberechtigte Staaatssprachen: das Deutsche - 74,4 % der Bevölkerung vor allem in der Nordschweiz sprechen das sog. Schweizerdeutsch, das Französische - 20,1 % im Westteil des Landes, das Italienische -4,1 % in der Südschweiz und das Rätoromanische - 1,3 in Graubünden. [Zibrowa: 13]

Das Österreichische Deutsch sowie das Schweizer Deutsch haben ihre Spracheigentümlichkeiten. So z.B. wird das Schild “Oberschule für Jungen” in Österreich durch die nationale Formulierung “Hauptschule für Knaben” (in der Umgangssprache für Buben) ersetzt. In Deutschland sagt man zu der Schule, die Kinder ab 6 Jahren besuchen, „Grundschule“, in der Schweiz heißt der gleiche Schultyp „Primarschule“ und in Österreich spricht man von der „Volksschule“.

In den amtlichen Marktverzeichnissen kann man die Preise für Erdäpfel (anstatt: Kartoffeln) für Marillen (anstatt: Blumenkohl) treffen. Die nationalen Spracheigentümlichkeiten sind die typisch österreichischen Verkleinerungssuffixe -el und -erl. In der Schweizer Variante fehlt die Umgangssprache als Sprachschicht. Ihre Funktion übernimmt das Schwyzertütsch / Schweizer Deutsch (d.h. die Gesamtheit der Dialekte mit lokalen Divergenzen im Laut- und Formenbestand, in Lexik und Grammatik): … der Vorhang brennt nicht, von Lodern keine Spur, es mottet bloß, glimmt … Das Verb motten ist eine literarsprachliche Bezeichnung für schwellen, glimmen, Östereichern und Deutschen kaum verständlich, geschweige denn von ihnen gebraucht.

Als ausführliche Illustration werden Beispiele aus der Sachgruppe “Gruß” angeführt, bedingt durch landschaftliche, soziale und zeitliche Faktoren sowie durch unterschiedliche Gesprächssituationen.

Guten Morgen! Guten Tag! Sind zweifellos allgemeindeutsche Wendungen, aber ihre Verwendung im sprachlichen Gesellschaftsverkehr zeigt gewisse nationale Divergenzen. Guten Morgen! Wird in Österreich nur beim Kommen gesagt, in Deutschland gegenüber Fremden aber auch beim Weggehen. In lässiger Umgangssprache sowie in einzelnen Mundarten machen sich dazu verschiedene landschaftliche Varianten bemerkbar: Morgen [morjn], [gumorn] u.ä. [Uhlisch, Gügold]

Literarisch-umgangssprachliche Grußformen mit Hinweis auf ein Wiedersehen nach kurzer Zeit sind: Bis bald! Bis gleich! Bis dann! Bis später! Beim Abschied für längere Zeit greift man zu den Formeln: Bleib gesund! Kommen Sie gesund wieder! Lass dir’s gut gehen! Mach’s gut! Die Wünsche Auf Wiedersehen! Auf Wiederschauen! gelten in allen Varianten gleicherweise bei Trennung auf kürzere oder längere Zeit.

Ein in Österreich und in der Schweiz, aber auch in Süddeutschland (Bayern, Baden-Würtemberg) weit verbreiteter Gruß bei Kommen und Gehen ist Grüß Gott! Er hat einen kirchlichen Ursprung und wird vor allem in katholischen Gebieten verwendet als formelle Anrede unter Personen, die keine nähere Beziehung untereinander haben, und grüß dich, grüß Sie Gott! unter Verwandten und Bekannten. In beiden Fällen ist der Begriff Gott mehr oder weniger desemantesiert; davon zeugt auch die häufig gebrauchte Kurzform grüß dich! Grüß Sie! Dem genannten Doppelzweckgruß steht ein besonderer Abschiedsgruß, lit.-umg. und dialektal, gegenüber: behüt dich (Sie) Gott! pfüat di Gott!

Das aus dem Französischen stammende adieu! (lebe wohl! Auf Wiedersehen!) ist heute in allen nationalen Varianten des Deutschen veraltend. Ursprünglich galt dieses Wort als sozial gefärbt, da sich nur der Vorgesetzte mit diesem Gruß von seinen Angestellten und Arbeitern verabschieden konnte, umgekehrt hätte dies als unhöflich gegolten. Als volkstümliche Vereinfachung hat sich ade herausgebildet, aber auch diese Form veraltet und wird nur mehr für bestimmte stilistische Zwecke verwendet. Über das landschaftlich-saloppe adjüs! ist der norddeutsche und insbesondere in Berlin und Hamburg heute vielgebrauchte Gruß tschüss! entstanden.

Eine österreichische Doppelzweckformel, auch in der Schweiz stark in Umlauf, isr servus! (lat. Sklave), heute die häufigste Begrüßung und Verabschiedung unter Freunden, Kollegen, Gleichaltrigen. Servus! war ursprünglich in Schüler- und Studentenkreisen beliebt, gilt heute als sehr vertrauliche und kameradschaftliche Grußform. Dieses Wort im Verkehr mit Vorgesetzten oder älteren Menschen zu gebrauchen, wäre ein Verstoß gegen die nationale Norm und würde als unhöfliches Benehmen gelten.

Hallo! ist eine moderne Ansprache und Begrüßung, dem Angloamerikanischen entlehnt. Hallo! Hallochen! (Hallöche!) gehört zu den verbreitesten Begrüßungen unter guten Bekannten, Freunden und in der Familie. Fremden gegenüber darf sie nicht gebraucht werden, auch nicht gegenüber viel älteren und höhergestellten Personen. Die Zeit ist beliebig, sie kann den ganzen Tag über verwendet und als Initialgruß, nicht als Terminalgruß. Hi! ist aus dem Englischen und wird im Deutschen als völlig arbiträre Konfiguration von Lauten empfunden, die keine eigentliche Bedeutung besitzt. Es ist Tendenz zu beobachten, dass Hi! besonders unter Schüler alle anderen Grußformeln verdrängt. [Uhlisch, Gugold: 20-22]

Zeitklorit kennzeichnet die veralteten bzw. veraltenden östereichischen Doppelzweckformeln hab die Ehre! (lässige Aussprache [bd’ je:r] und küss die Hand! [xti ‘ant!])

Einige wenige Grüße tragen professionellen Charakter: Glück auf! (Bergleute), gut Wind! (Seeleute), Weidmanns Heil (Jäger), Petri Heil (Fischer) – hier gibt es keine nationalen und territorialen Verschiedenheiten.

Aus dem Italienischen gelangte sowohl nach Österreich als auch in die Schweiz der Gruß tschau!, bei Kommen und Gehen verwendbar. Ursprünglich sozial gekennzeichnet (üblich nur in Offizierkreisen), verschwand er auf längere Zeit, tauchte aber in der Gegenwartssprache wieder als salopes Wort auf. Auf Wiedersehen! ist die meist gebrauchte Abschiedsformel des Deutschen. Bei jüngeren Menschen aber ist dieser Abschiedsgruß nicht mehr sehr beliebt. Heute benutzen viele Menschen lieber die moderneren Ausdrücke „tschüs“ oder „tschau“[Der Weg zum Ziel 1/99]

6. Die fremdsprachigen Wörter (Internationalismen, Fremdwörter) können im Zusammenhang der Rede sowohl eine rein kommunikative als auch eine überwiegend stilistische Funktion ausüben. Die Internazionalismen sind eindeutige Bezeichnungen, die dazu verhelfen, bestimmte Erscheinungen der Wirklichkeit möglichst klar und sprachökonomisch auszudrücken. Diese gilt für sämtliche Stile der Nationalsprache, den Stil der schönen Literatur miteinbegriffen. Internazionalismen wie Elekrizität, antik, redigieren oder allgemeinverbreitete Fremdwörter wie Friseur, Installateur bezeichnen eindeutig und unmissverständlich den nötigen Begriff oder Sachverhalt. Der Großteil aller volkstümlichen Fremdwörter ist expressiv gefärbt. Famos, prima, kolossal und ähnliche Modewörter sind alle gefühlsbeladen. Bekanntlich ist kaputt, neben sämtlichen Zusammensetzungen (kaputtgehen, kaputtmachen, kaputtschlagen), eines der beliebtesten emotionalen Wörter der Umgangssprache. Stark verbreitet sind Wendungen wie z. B.: mit einer Retourkutsche antworten, das ist eine Retourkutsche! (d.h. mit der gleichen Münze antworten, etwa wenn auf einen Vorwurf der gleiche Vorwurf zurückgegeben wird).

In der letzen Zeit spricht man von Exotismen. Bei den Exotismen handelt es sich um Wörter, die zur Bezeichnung von spezifisch nationalen, fremdländischen Erscheinungen usw. dienen. [Ivleva:42] Häufig sind dies Benennungen von typischen Mahlzeiten, Kleidung, Pflanzen, Sitten, gesellschaftlichen Erscheinungen: Miss, Tarantella, das Judo, das Karate, das Aikido, Ikebana, Tamagotschi, Duschmann, Mudjaheddin. Auch die russischen Exsotismen: der Mushik, die Troika, der Wodka, der Samowar, die Papirossa, der Ukas, der Kwas, der Gospodin, die Ucha, der Rassolnik, die Kulebjaka, der Kefir, der Uschanka. Sehr verbreitet sind heute in der deutschen Sprache Fremdwörter amerikanischer Herkunft: der Killer, Schmerzkiller, Geburtstags-Party, to be uo-todate «быть в курсе дела», Internetfieber, Virtual Reality, der Freak, small talk, Outsider [Розен]

Die stilistische Funktion der fremdsprachigen Wörter tritt besonders stark in der schönen Literatur, zum Teil auch in der Publizistik, hervor.

a) Fremdsprachige Wörter helfen dazu, das Kolorit der Darstellung zu verstehen (historisches, nationales, soziales und berufliches Kolorit). So findet man in Bertolt Brechts “Dreigroschenroman” eine Fülle von englischen Realienbezeichnungen (Städte, Straßen, Plätze, Brücken, Organisationen, Titel aller Art), die dem Leser allerdings nicht immer bekannt sind. Aber selbst wenn er sie im einzelnen nicht genau lokalisieren kann, geben sie doch in ihrer Gesamtheit eine unmissverständliche Zeichnung des geographischen Hintergrunds, auf dem die Handlung vor sich geht. Teils handelt es sich um Internationalismen und populäre Wörter, die zwar aus dem Englischen stammen, aber allgemeinverständlich sind, wie etwa City, Dock: teils stößt man man auf Lexeme, die im Deutschen wenig gebraucht werden, ja sogar oft unbekannt sind – demnach auf unpopuläre Fremdwörter und fremdsprachige Zitate, z. B. Baronet, Break. Das Kolorit der Zeit, verbunden mit örtlichem und sozialem Kolorit, zeichnet H. Fallada im nachstehenden Beispiel mit Hilfe der Sinnentstellung des Verbs organisieren. Er lässt im Roman “Jeder stirbt für sich allein” eine seiner Gestalten wie folgt sprechen: Ick klau doch nicht, Herr Persicke, ick organisier bloß manchmal ein bißchen![Fallada]. Das Wort organisieren hat bei den Angehörigen der deutschen faschistischen Raub- und Mordbanden die Bedeutung plündern angenommen. Weiskopf zeigt in seinem Roman “Abschied vom Frieden” (Zeit der Handlung: 1913/1914) eine Dame der damaligen “höheren” Gesellschaft bei einem Neujahrsempfang. Ein Gast überreicht ihr einen Asternstrauß und entschuldigt sein Zuspätkommen mit einem plötzlichen Unwohlsein seiner Gattin. Mit den Worten charmant, charmant! (reizend) riecht die Edle von Treuenfels flüchtig an den Blumen und fügt hinzu: “Ich hoffe, die Indisposition (Unwohlsein) ist nicht von seriösem Charakter … Im übrigen ist Ihr Zuspätkommen exkusiert (entschuldigt).” Dazu kommt noch eine große Anzahl von französischen Zitaten. Der Verfasser selbst erläutert das Sprachporträt dieser Romangestalt: “Sie sprach das nasale Deutsch des österreichischen Beamtenadels.” Hier sind also die französischen Splitter in deutscher Rede Anzeichen einer bestimmten sozialen Schicht.

b) Die fremdsprachigen Wörter können im Dienst von Humor und Satire stehen. Im Mund von berufsmäßigen Spaßmachern (z.B. Hofnarren), Tölpeln oder ungebildeten Personen werden fremdsprachige Wörter phonetisch und morphologisch entstellt oder falsch verwendet. Eine solche Verballhornung, wie sie im Alltagsverkehr sehr häufig ist, übernimmt der Stil der schönen Literatur als beliebtes Ausdrucksmittel von Humor und Satire.Wir finden derartige Fremdwortentstellung sehr oft bei der Verwendung fremder Eigennamen; so z. B. in Heines ''Italien Die Bäder von Lucca'', als Hirsch Hyazinthos die Namen der drei italienischen Maler Corregio, Carracci und Caravaggio erwähnt: … aber ich habe immer gedacht, der Corretschio und Carratschio und Carravatschio können mir alle nichts helfen, wenn niemand mehr bei mir spielt, und ich kommedann in die Patschio. Die komische Wirkung der genannten Stelle wird dadurch erhöht, dass die deutsche phraseologische Fügung in die Patsche kommen (umgangssprachliche Färbung) nach dem Italienischen stilisiert wird, d.h. italienisiert; dazu kommt noch die vierfache Häufung der Endung -io innerhalb eines Satzes.

c) Eine wichtige stilistische Funktion der Fremdwörter in verschiedenen Stilen des schriftlichen und mündlichen Verkehrs besteht in der Vermeidung von Wiederholung und damit in der Variierung und Belebung der sprachlichen Darstellung. Wenn das fremdsprachige Wort und sein deutsches Äquivavelnt vollständige Synonyme bilden, so sind sie meist austauschbar: Die junge Frau entwickelte eine Energiewie schon seit vielen Tagen und Monaten nicht mehr. Und gleich darauf: … er wäre aus dem Verwundern über die plötzliche Tatkraftseiner Frau nicht herausgekommen. Zur Vermeidung von Wiederholung wechseln ab: Regissieur und Spielleiter, korrigieren und verbessern, physisch und körperlich usw.

Wenn sich fremdsprachiges und deutsches Wort nicht vollständig decken, d.h. wenn sie ideographische oder stilistische Synonyme bilden, fällt die Möglichkeit des gegenseitigen Austausches fort. So lassen sich z. B. keinesfalls, um Wiederholungen zu vermeiden, die Ausdrücke Gasthof, Herberge und Hotel gegenseitig ersetzen.

Zunächst zeigen Gasthof und Hotel im deutschen Sprachgebrauch verschiedenes soziales Kolorit an. Hotel ist ein vornehmes, mit allem Komfort ausgestattetes Haus, Gasthof hingegen eine bescheidene zweitrangige Unterkunftsstätte. Im Gegensatz zum Russischen ist für das deutsche Ohr die Zusammenstellung Gasthof Metropol oder Gasthof Excelsior unmöglich. Es muss heißen: Hotel Metropol, Hotel Excelsior (hingegen etwa: Gasthof zum weißen Hirschen, Gasthof zur Post). Herberge ruft sogleich die Vorstellung eines alten, primitiven Unterschlupfs hervor. In jüngster Zeit macht sich allerdings eine Wiederbelebung dieses fast archaisch gewordenen Ausdrucks in Zusammensetzungen bemerkbar: Studentenherberge, Touristenherberge (einfache, wenngleich modern eingerichtete Unterkunftsstätten).

In manschen Fällen, wo das deutsche Synonym dem Grundbestand der Sprache angehört, nimmt das Fremdwort eine herabsetzende Bedeutung an. Gesicht ist ein stilistisch neutraler literarischer Ausdruck, Visage hingegen wird heute nur mehr zur Verspottung oder als Vulgarismus verwendet. Wenn noch zu Heines Zeiten Amüsement und Unterhaltung gleichwertig waren, so sind die beiden Substantive heute ideographisch und stilistisch differenziert. Mit Amüsement bezeichnet man eine seichte, oberflächliche Unterhaltung, daher auch die etwas herabsetzende expressive Stilfärbung dieses Wortes.

7. Fachausdrücke (Termini, Berufslexik), Berufsjargonismen

Unter Fachausdrücken (Fachlexik) versteht man

1.Termini verschiedener Wissensgebiete: Intoxikation (Medizin), Kernspaltung (Physik), Alliteration (Philologie);

2.Berufslexik –verschiedener Berufsspären (Proffesionalismen): sichtiges Wetter (Seemanssprache), d. h. klares Wetter für die Seeausfahrt, abteufen (Bergamannssprache), d. h. einen senkrechten Schacht ausgraben;

3. funktionalstilistisch gefärbte Lexik nichtterminlogischen Charakters. Das sind z. B. Adverbien und Präpositionen, deren Gebrauch sich nur auf bestimmte Stile beschränkt, wie etwa im Amtsstil verbindlichst, behufs, zwecks, gemäß; Substantive auf -nahme und -zwecks: etwas als Nachnahme schicken (unter Einziehen der Kosten vom Empfänger), in Bedachnahme auf bereits erfolgte Zahlung.

Fachausdrücke können in verschiedenen Sphären des gesellschaftlichen Sprachverkehrs auftreten. Selbstverständlich kommt es zur Widerspiegelung der objektiven beruflichen Sprachcharakteristik bei entsprechender Thematik in der schönen Literatur, der Presse und Publizistik.

Von den Fachausdrücken sind die sog. «Berufsjargonismen» abzugrenzen. In der Beruflexik macht sich Tendenz zur Sprachökonomie bemerkbar und damit im Zusammenhang auch gelegentlich ein Übergang zu den emotionalen Synonymen, zu den Berufsjargonismen. Wie schon der Name sagt, bilden sie einen Grenzfall zwischen Proffesionalismen und Jargonismen. Wie die Berufslexik, dienen sie zur Verständigung innerhalb eines bestimmten Berufskreises; sie unterscheiden sich aber von ihnen dadurch, dass sie nicht wie diese objektiv-neutrale Bezeichnung eines Produktionsvorgangs, sondern ein stilistisches Synonym dazu darstellen: einen scherzhaften oder satirischen Ausdruck von umgangssprachlicher Färbung. Sie machen sich in erster Linie im Stil de Alltagsverkehrs bei den Vertretern verschiedener Berufskrese breit. Infolge ihres umgangssprachlichen Charakters, infolge ihrer starken Expressivität bleibt ihnen der Stil des offiziellen Verkehrs sowie der wissenschaftliche Stil verschlossen; im Stil der Publizistik sowie im Stil der schönen Literatur erschienen sie hingegen als willkommene Gäste, entweder als Zeichen betont nachlässiger Haltung der Autorensprache oder zu bestimmten charakterologischen Zwecken (berufliches, soziales, seltener historisches Kolorit; Sprachporträt). Die Berufsjargonismen sind durchweg umgangssprachlich gefärbt – vom Literarisch-umgangssprachlichen bis zum Groben. Die scherzhaften Ausdrücke Gänse anstatt Gänsefüßchen (unter Korrektoren), Manus anstatt Manuskript (unter Redakteuren und Journalisten), beide bequemen Kurzwörter, haben literarisch-umgangssprachliche Stilfärbung; anders steht es mit den journalistischen Jargonismen schießen und Revolverblatt. Unter schießen versteht man eine in der käuflichen Presse übliche Drohung, eine versteckt-halboffene Andeutung in der Zeitung, die bezweckt, den Gegner einzuschüchtern. Schießen heißt also “mit Hilfe der Zeitung erpressen“'. Revolverblatt (auch Käseblatt) ist die Bezeichnung für eine Zeitung übelster Sorte, die alle möglichen schmutzigen Interessen ihrer Geldgeber vertritt. Beide Ausdrücke klingen bedeutend familiärer und bedeutend emotionaler als die früher angeführten Berufsjargonismen; sie nähern sich, wenn auch von einer anderen Seite her, den Vulgarismen.

Besonders beliebt sind berufliche Jargonismen mit scherzhafter Bildhaftigkeit, meist familären Charakters, so z. B. im täglichen Arbeitsleben der Filmleute: Plaudertasche für Mikrophon, Saft für elektrischen Strom, Eiertanz für den ersten Versuch junger Schauspieler vor der Kamera u. a. m.

Gröbere Stilfärbung weisen meist die sportlichen Jargonismen auf, so z. B. die Ausdrücke Segelsäugling oder Kielschwein für Neulinge im Segelsport (Kielschwein - Analogiebildung zum alten Soldatenjargonismus Etappenschwein, d. h. einer, der sich in der Etappe von der Front drückt). Auch diese Berufsjargonismen nähern sich ihrer Stilfärbung nach den Vulgarismen.

Durch Derbheit gekennzeichnet sind ferner die traditionellen deutschen Soldatenjargonismen. Im Gegensatz zum Schimpfwort Etappenschwein gilt das Frontschwein als ehrenvolle Bezeichnung. Die Soldatenjargonismen zeichnen sich durch große Anschaulichkeit aus: Beißkorb für Gasmaske, Himmelfahrtskommando für lebensgefährlichen Einsatz u. a. Originell in ihrer derben Bildhaftigkeit und Satire sind die phraseologischen Soldatenjargonismen, so z. B. der Ausspruch: der Krieg ist ein Kino: die besten Plätze sind hinten oder die Kleider machen - Läuse (Entstellung des Sprichworts Kleider machen Leute).

In der Presse begegnet man zahlreichen Berufsjargonismen, wie z. B. den Wörtern Schnappschuss, d. h. Momentaufnahme (einen Schnappschuss erhaschen, bringen, schnappgeschossen), oder Sachen (nur im Plural gebräuchlich) in der Bedeutung Stundenkilometer. Dieses Wort, entstanden als Jargonismus der Kraftfahrer, soll schon seit 1938 literarisiert sein: 50 Sachen innerhalb geschlossener Ortschaften, aber auch auf das Eisenbahnwesen übertragen: Mit 90 Sachen im D-Zug in den Feiertag.

Besonders erwähnt werden muss die Sonderlexik der Studenten, insofern sie - ihrer Entstehung nach - einen Grenzfall zwischen den sozialen Jargonismen der „oberen“ und „unteren“' Kreise einerseits und den beruflichen Jargonismen andererseits bildet. Der Teil des Studentenjargons, der in die Umgangssprachlexik eingedrungen ist, hat seine Sonderbedeutung verloren und nur einen leicht familiären Anstrich beibehalten. So gingen aus dem Studentenjargon in den Alltagsstil Wörter mit fremden Suffixen über: Fressalien (Lebensmittel), Blödität (Blödheit), schauderös (schauderhaft), Schmierage (Schmiererei), die Rederitis, die Dichteritis haben (übermäßig viel reden, schlecht dichten). In die Umgangssprache kamen auch viele Wörter und Wendungen, die gleichzeitig im Studenten- und Schülerjargon benutzt werden: pauken, büffeln, ochsen. Das Wort fliegen oder durchfliegen bedeutet bei der Prüfung durchfallen, im Gegensatz zu steigen, d. h. bei der Prüfung durchkommen, sie bestehen. (Gespräch von Studenten und Schülern: ''Geflogen?'' - ''Nein, gestiegen!'') Heute sind fliegen und durchfliegen nebst ihrer Sonderbedeutung auch in die Umgangssprache eingegangen: er ist aus dem Amt geflogen (er ist entlassen worden); sein Projekt ist durchgeflogen (es ist abgelehnt worden).

Ebenso das von einem alten Aberglauben stammende Studenten- und Schüleridiom: einem den Daumen drücken (halten). Damit der Student (Schüler) die Prüfung bestehe, müssen seine Freunde den linken Daumen ins Handinnere drücken. Heute wird diese Redensart im Umgangssprachstil sehr häufig verwendet und zwar als Sympathienkundgebung für jemand, dem man gutes Gelingen in irgendeiner Sache wünscht.

8. Im Zusammenhang mit den Fachausdrücken sollen die sog „Realienwörter“ oder ''Realienbezeichnungen'' erwähnt werden.Während die Fachausdrücke und die beruflichen Jargonismen als Schichten des Wortschatzes eine lexikologische Erscheinung sind, müssen die Realienwörter als stilistische Kategorie angesehen werden. Darunter sind Wörter zu verstehen, die Realien, d.h. Tatsachen aus den verschiedensten Wissens- und Lebensgebieten angeben. Dazu gehören Namen von politischen und kulturellen Organisationen, Titel, Kulturdenkmäler, nationale Speisen und Getränke, nationale Kleidung, mythologische Namen, geographische Namen usw. Sprachlich werden sie ausgedrückt durch Termini und Berufslexik, durch lexische Archaismen und Historismen, durch Neologismen (oft in Form von Kurzwörtern), durch phraseologische Fügungen (insbesondere Zitate); durch Familiennamen, Städte-,Länder-, Fluss- und Bergnamen, durch Ziffernmaterial.

Die Realienwörter bilden einen wesentlichen Faktor in verschiedenen Stilen der Nationalsprache. Eine besonders wichtige Rolle spielen sie im Stil der Wissenschaft und im publizistischen Stil, wo sie zur Beweisführung dienen. In der schönen Literatur verhelfen sie meist, das zeitliche, nationale, örtliche und berufliche Kolorit der Handlung zu vermitteln.

9. Die sozialen Jargonismen unterscheiden sich von den Berufsjargonismen durch einen wichtigen Wesenszug: während die Berufsjargonismen als harmlose Begleiterscheinung der Berufslexik, als volkstümliche Elemente der Nationalsprache erscheinen, werden die sozialen Jargonismen als volksfremde Elemente der Nationalsprache negativ gewertet. Unter sozialen Jargonismen versteht man die spezifische Lexik bestimmter Kreise von Menschen, die sich bewusst von ihrem Sprachkollektiv absondern wollen. Dies betrifft in der Klassengesellschaft die sog. Oberschichten (Adel, Großbourgeoisie, „hohes“ Militär) und ihren Gegenpol, die sog. deklassierten Elemente. Was die beiden Bevölkerungsgruppen miteinander verbindet, ist eine ablehnende bzw. feindliche Einstellung zur Gemeinschaft, in der sie leben.

Die sozialen Jargonismen der „oberen“ Gesellschaftskreise – all die geschraubten Wörter und Wendungen, Höflichkeitsansprachen und Untertänigkeitsbezeichnungen, die unpopulären Fremdwörter und zufälligen Entlehnungen aus der Fremdsprache, die einfachen Menschen überhaupt unverständlich sind – haben für die gesamte Sprachgemeinschaft wenig Gewicht. Sie sind mehr unter dem historischen Aspekt von Interesse: das Lever (feudales Zeremoniell - Frühempfang bei einer hochgestellten Persönlichkeit während der Morgentoilette), die Antichambre (das Vorzimmer in den Häusern der Vornehmen, wo die Bittsteller auf Audienz warten). Vgl. die ironisch-herabsetzende Färbung des heutigen gemeinsprachlichen Wortes antichambrieren, d. h. im Vorzimmer warten, um Gunst betteln.

Die in der Gegenwartssprache veralteten Ausdrücke höchstselbst, höchstpersönlich in der Bedeutung „in eigener Person“ (früher bei Nennung hochgestellter Persönlichkeiten) werden heute im Stil der Alltagsrede zu humoristischen oder satirischen Zwecken verwendet. So sagt man z. B. einem unerwarteten Gast: Das ist aber nett von dir! Du hast dich höchstselbst zu mir begeben!

Das Jargon der deklassierten Elemente (Kriminelle, Nichtwerktätige) wird gewöhnlich als Argot bezeichnet. Im Deutschen ist das Argot historisch als ''Rotwelsch'' entstanden, als Sonderlexik der mittelalterlichen Vagabunden, Gauner, Diebe und Verbrecher aller Art. Das sind Wörter einer Sonderlexik volksfremder Elemente, eine Art Geheimlexik und –phraseologie, künstlich zusammengestellt teils durch Umdeutung und Entstellung des gemeinsprachlichen Wortschatzes, teils durch Entlehnung aus Fremdsprachen.

In der zeitgenössischen Publizistik sowie in der schönen Literatur der Gegenwart werden die Argotismen verwendet, um dem Bericht oder der Erzählung das entsprechende soziale Kolorit zu geben: heiße Ware (gestohlene Ware); Knast, Zet - Abkürzung für Zuchthaus (Gefängnis); Cafė Viereck (Gefängniszelle); zwei Jahre Knast aufgebrummt bekommen; Knast schieben, Zet ziehen; Traumzigarette (mit Rauschgift), sich auf die Reise begeben (sich Rauschgift injizieren), Hasch (Haschisch).

Ein Ausmaß von Argot in der Autorensprache mag manchen Leser befremden; denn der Schriftsteller hat die Pflicht, die Kultur der Sprache zu heben und erzieherisch auf die Rede der Menschen einzuwirken.

Mittel der Bildkraft

Auch die Mittel des bildlichen Ausdrucks sind für die ''Kunst des Treffens'' von großer Bedeutung. Als Mittel der Bildkraft werden in der Rede beliebiger kommunikativer Bereiche Bildhaftigkeit und Bildlichkeit behandelt. Beiden Bezeichnungen liegt das Wort „Bild“ zugrunde, jedoch in verschiedener Bedeutung.

Die Bildhaftigkeit erwächst aus der lexikalischen Struktur von Einzelwörter und Wendungen aufgrund direkter (eigentlicher) Bedeutung. E. Riesel versteht unter der Bildhaftigkeit „jede anschaulich-sinnfällige Darstellung eines Gegenstands oder einer Erscheinung“ [Riesel; 130] Zu den Mitteln der Bildhaftigkeit (im weitesten Sinne des Wortes) gehören die richtige Wortwahl aus thematischen und synonymischen Reihen, die passende funktionale Verwendung von Wörtern verschiedener Stilfärbung.

Die Bildlichkeit entsteht aufgrund syntagmatisch bedingter Bedeutungsübertragung oder eines Begriffsaustausches. Unter der Bildlichkeit versteht E. Riesel „das Ergebnis eines Zusammentreffens zweier Begriffe aus verschiedenen Begriffssphären, das Werden einer neuen begrifflichen Qualität durch Nebeneinanderstellung oder Austausch eben dieser zwei in Verbindung geratenen Begriffe.“ [Riesel: 130]

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