Thematische Gruppen und thematische Reihen. Synonymische Reihen

Materielle Voraussetzung für eine wirksame sprachliche Gestaltung unserer Gedanken ist die Möglichkeit aus einer größeren Anzahl von thematisch und syno-nymisch miteinander verbundenen Wörtern gerade das “treffende Wort” herauszugreifen; gerade den Ausdruck, der die entsprechende Erscheinung der Wirklichkeit am überzeugendsten wiedergibt.

Für den Stilforscher ist daher die Frage der thematischen Wortgruppen und Wortreihen von ebenso großem Interesse wie die Frage der Synonymik. Die thematische Gruppe schließt verschiedene durch thematische Verwandschaft miteinander verbundene lexische Einheiten mit ähnlichem Wirklichheitsbezug und gleichem Allgemeinbegriff in sich ein. Die thematische Gruppe wird in den ihr untergeordneten thematischen Reihen präzisiert. Die Präzisierung erfolgt auf zweierlei Art: zunächst durch das Stützwortbzw. die Stützwortgruppe jeder thematischen Reihe, und dann durch eine synonymische Reihe. Die thematischen Reihen drücken untereinander verwandte, aber dennoch nicht gleiche Begriffe aus. Betrachten wir folgende Verben: eilen, laufen, springen, hasten, steigen, rennen, jagen, flitzen, sausen, stürmen, marschieren, spazieren, schreiten, wandern, trippeln, stolzieren, schlürfen, wallen, rasen, latschen, huschen, bummeln, schlendern, trödeln, humpeln. Hier handelt es sich um zwei Wortfelder“gehen“ und „laufen“. Innerhalb der thematischen Gruppe «gehen» lassen sich zahlreiche thematische Reihen unterscheiden, in denen das allgemeine und farblose Verb gehen näher bestimmt wird, im gegebenen Fall etwa: langsam gehen, schnell gehen, unbemerkt gehen, auf- und abgehen u.a. Innerhalb jeder thematischen Reihe lassen sich synonymische Reihen aufstellen, die je einen gemeinsamen Begriff von verschiedenen Seiten her, unter verschiedener Einstellung und verschiedener stilistischer Beleuchtung durch genauere Bezeichnungen erfassen. Vom Bedeutungsumfang der thematischen Reihe hängt die Zahl der synonymischen Reihe ab (manchmal fällt die thematische Reihe mit einer einzigen synonymischer Reihe zusammen). So enthält z.B. die thematische Reihe ''langsam gehen'' folgende synonymische Reihen:

a) „gemächlich, ohne Ziel gehen“: schlendern, bummeln, flanieren. Diese drei Verben sind wirklich synonym, da sie gleiche logisch-gegenständliche Bedeutung haben und nur geringe stilistische Schattierung besitzen;

b) „langsam gehen wegen körperlicher Behinderung“: humpeln, hinken, hatschen (umg. – bei „wehem Fuß“);

c) „langsam gehen aus Schlaffheit“: schlurfen, schlürfen (d.h. mit schleifenden Füßen), latschen (umg. für: „schleppend gehen“), watscheln, hatschen (in der Bedeutung „langsam gehen“). Wie ersichtlich, enthalten die synonymischen Reihen sowohl ideographische als auch stilistische Varianten. Auf ähnliche Weise können die Synonyme innerhalb der übrigen thematischen Reihen analysiert werden.

Der Begriff der Synonymie, basierend auf der Gleichheit oder geringfügigen Abschattung der logish-gegenständlichen Bedeutung, fällt keinesfalls zusammen mit dem Begriff “Ersetzbarkeit im Satz- und Großzusammenhang”. Selbst Wörter, zwischen denen – isoliert betrachtet – weder eine inhaltliche noch eine stilistische Schattierung spürbar ist, können nicht immer in diesem oder jenem Kontext gegenseitig ausgetauscht werden. Gewöhnlich werden die Verben anfangen und beginnen als vollständige Synonyme angesprochen; tatsächlich lassen sie sich in den meisten Zusammenhängen auswechseln, z.B.: es fängt an zu regnen, beginnt zu regnen. Und dennoch gibt es Kontexte, wo die im isolierten Zustand kaum fassbaren Schattierungen stärker zutage treten und die Ersetzbarkeit verhindern. So klingt in der Sprache der Gegenwart das ältere Wort beginnen um einen Grad gewählter als das jüngere und alltägliche anfangen. Außerdem haben sich die beiden Verben auch in der Bedeutung ein wenig auseinanderentwickelt: Bei anfangen schwingt die Dynamik von “anpacken, anfassen” mit, bei beginnen hingegen die Statik von “sich verhalten”. Daher: Wie soll ich das nur anfangen? (d.h. „tätig anfassen”) aber Wie soll ich das nur beginnen? (d.h. „machen, durchführen”). In phraseologischen Fügungen ist die Ersetzbarkeit vom anfangen und beginnen von vornherein ausgeschlossen, z.B.: Mit dir ist nichts anzufangen! (d.h. „du bist zu nichts geeignet“). Fremdsprachige Dubletten untescheiden sich häufig von ihren deutschen Äquivalenten durch gewisse expressive Streiflichter, auch wenn, isoliert betrachtet, ihre absolute Stilfärbung die gleiche ist. Gewiss können heute Wortpaare Redakteur und Schriftsteller, Adresse und Anschrift unterschiedlos als vollständige Synonyme gebraucht werden; aber noch etwa vor 80-90 Jahren wäre dies nicht möglich gewesen. Einzeln genommen, scheint es, als ob z.B. die Verben bekommen, erhalten und empfangen die vollständig gleiche Grundbedeutung hätten und, darüber hinaus, vertauschbar wären. Erst aus dem Kontext erhellt aber, dass zum Unterschied von bekommen, beim Verb erhalten die Person des Gebers mitschwingt, während bei empfangen der Augenblick der Übergabe unterstrichen wird (vgl. die verschiedenen Situationen: “Der Student hat das Diplom/Stipendium bekommen, erhalten, empfangen”). In phraseologischer Bindung muss es heißen: Angst bekommen, Hunger bekommen, Zähne bekommen; der Ersatz durch erhalten und empfangen wäre sinnlos. Die Wörter Leute und Menschen lassen, trotz ihrer synonymischen Verwandschaft, den antithetischen Aphorismus zu: Es gab viele Leute, aber wenig Menschen in dieser Gesellschaft.



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