Hippie (Anhänger einer pazifistischen, naturnahen Lebensform; Blumenkind); Isabell, 17, aus Hamburg will sich nicht in die Probleme anderer hineinsteigern

Chaotisch, schweigsam, faul. Das bin ich. Und Langschläfer. Und ich benehme mich nicht immer perfekt. Aber wer macht das schon. Wie Menschen reagieren und was sie zu sagen haben, ist mir wichtig. Klamotten und Materielles nicht. Denn der Mensch muss etwas Besonderes sein, nicht seine Hose, nicht sein Hemd.

Zu meinen Wunden: Meine Faulheit! Alle meine Freunde ärgern sich darüber. Das sehe ich ganz realistisch. Aber ich finde eben auch, dass zu viel Arbeit stresst. Und Stress macht mich traurig. Am Ende des Tages erreiche ich mehr ohne Stress, weil ich einfach die Augenblicke mehr genieße. Das Wesentliche rauscht doch an den allermeisten vorbei.

Meine Freunde sagen auch, ich höre nicht gut zu. Konfliktpunkt! Naja, auf manche Fragen reagiere ich nicht. Viele meiner Freunde behaupten deshalb, ich sei desinteressiert. Mein Freund ist immer stinksauer, wenn er mir alles noch mal erklären muss. Eigentlich möchte ich mich nicht zu sehr in die Probleme der anderen hineinsteigern. Ich schweife dann kurz ab, denke über Dinge nach, die ich erlebt habe. Danach höre ich wieder zu und bin für den Menschen da. Ja, ich kenne meine Schwächen. Aber gehören sie nicht zu mir?

In mir steckt eben mehr oder weniger ein Hippie. Frieden, Sex, Liebe und Spaß, das sind die Schlüsselwörter zum Glück. Beim Feiern und Austoben fühle ich mich wohl, durch Musik fühle ich mich mit anderen verbunden. Meine Lieblingsmusik ist Rock und Reggae, zuletzt war ich auf dem Hurricane. Alles sehr ungezwungen.

Ich bin bei vielen Dingen sehr entspannt. Ganz im Gegensatz zu meinen Eltern. Sie denken oft zu viel nach, bevor sie etwas sagen. Ich bin da anders. Glaube sogar, dass - in Klammern: fast - jeder Jugendliche so eine Haltung entwickelt, anders sein will und sich auflehnt. Jugendliche haben eine revolutionäre Kraft in sich. Ich lebe hier und jetzt! Vielleicht werde ich ja Pendler oder eine Reisende. Sei selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt! Der letzte Satz ist nicht von mir, sondern von Gandhi. Ich sehe es genauso.

Daniel

Go|thic, [engl.] (figurativ,düster, schaurig; Subkultur im Rahmen der Post-Punk- und Dark-Wave-Bewegung); Daniel, 19, aus Porta Westfalica mag Musik mit einer Mischung aus Härte und Melodie

Mein Vater ist sauer auf mich. Jedenfalls manchmal. Ich bin einsneunzig groß, kräftige Statur - wie man so schön sagt. Ich trage Stiefel und einen langen Mantel. Plus griesgrämiger Blick. Aber der ist nicht absichtlich. Ist einfach da. Wahrscheinlich bin ich kein typischer Vorzeigesohn, wirke manchmal sogar bisschen aggressiv. Besonders in meiner schwarzen Ausgehkluft.

Darin ernte ich oft schiefe Blicke. Normal ist anscheinend anders. Aber was ist schon normal? Ist doch alles relativ. Emos ritzen, Hopper haben die Hosen in den Knien. Und wir Gothics sind Grabsteinschubser. So einfach. Alles Aussagen Ahnungsloser. Ich werde oft völlig falsch eingeschätzt. Ich gehe nicht auf den Friedhof, habe keine schwarze Tapete. Blut trinke ich erst recht nicht. Mit Satanismus habe ich nichts am Hut. Und ich habe ganz normale Klamotten im Schrank. Rote und blaue Shirts. Aber Schwarz ist und bleibt meine Lieblingsfarbe.

Wer vermutet bei einem Gothic Baggy-Jeans im Kleiderschrank? Ich trage die Hopper-Hosen gern. Apropos: Früher habe ich mal Hip-Hop gehört; Punk kam und ging; zuerst stand ich auf Techno; später auf Hardcore. Irgendwann war ich dann in der Gothic-Sache drin. Ich mag die Musik. Echt tolle Musik! Die Mischung aus Härte und Melodie gefällt mir. Dunkle, aber tiefgründige Texte, die von Liebe, Leben und alten Märchen handeln. Zu der Sage Krabat gibts ein ganzes Album. Ein sehr gutes. Mit Hip-Hop und dem ganzen anderen Zeug kann ich mich nicht identifizieren. Nicht mehr. Ich hatte und habe viele Facetten.

Sich neu zu erfinden, ist nicht schlecht. So kann man sich ein Bild machen, was der andere hört und denkt. Man wird toleranter, wenn man die Vorurteile am eigenen Leib erfährt. Ich habe Träume und Ziele. Wie jeder andere auch. In der Wohnung gammeln, von Hartz IV leben? Auf keinen Fall! Daher mache ich gerade mein Abitur. Und jobbe nebenbei im Penny Markt. Ganz gewöhnlich. Man könnte auch sagen: normal.

Marius

Hip-Hop, [engl.-amerik.] (urbane Jugendkultur mit Ursprung in den afroamerikanischen Ghettos New York Citys der 1970er Jahre); Marius, 23, aus Berlin sprüht am liebsten ohne Vorgaben.

Yo yo, fett, Alter! Reicht das für die Schublade? Früher kam noch "Zieh die Hose hoch!" oder "Setz deine Mütze richtig auf!" Heute kleide ich mich eigentlich normal, naja, meine Mütze trage ich immer noch nicht richtig, wer auch immer das richtige Tragen einer Mütze definiert hat.

Was gute Musik für mich ist, kann ich definieren. Blumentopf zum Beispiel. Die Liebe zu Bands wie Blumentopf entdeckte ich neugierig lauschend durch den Türspalt zum Zimmer meines Bruders. Das ist schon 'ne Weile her. In diesem Jahr war ich zum siebenten Mal beim Splash!-Festival. Die Szene verändert sich; immer mehr Poser; jeder ist ein Gangster. Blumentopf haben auch gespielt und die neuen Sachen finde ich klasse, weil sie sich treu bleiben.

Bei meinem Bruder auf dem Schreibtisch sah ich auch zum ersten Mal Graffitiskizzen. Zum Glück blieben meine ersten Breakdance-Versuche im Gegensatz zu den Graffitis für immer ungesehen hinter den heimischen Wohnzimmergardinen. Und es blieb bei den ersten. Gemalt habe ich seit dem immer wieder.

Das Sprühen war am Anfang ein richtiges Abenteuer. Heimlich waren wir nachts in unserer Kleinstadt unterwegs. Warum ich heute nur noch legal male? Ich sag mal so: Einmal gab es richtig Ärger. Aber eigentlich nehme ich mir auch lieber Zeit für meine Werke, nachts schaffst du einfach nicht so viel. Wenn ich jetzt sprühe, sind es oft sogar Auftragsarbeiten. Die allerdings auch lieber ohne konkrete Vorgaben. Dann nehme ich mir auch die Zeit.

Obwohl mir 24 Stunden für einen Tag meist schon zu wenig sind. Für vieles fehlt mir die Zeit. Zum Schlafen zum Beispiel. Oder schlafe ich zu viel, um alles zu schaffen?

Meine Freundin hat mir aus Australien ein handgemachtes Skizzenbuch mitgebracht. So richtig aus Blättern, ein echt schönes Teil. Am Anfang dachte ich, es wäre zu schade, um es mit Ideen zu füllen. Ideen, mit denen ich auch mal nicht so zufrieden bin. Aber das ist es nicht, im Gegenteil. Denn nur ein gefülltes Skizzenbuch erfüllt seinen Sinn, leer wäre es doch völlig nutzlos. Definitiv!

Anne-Katrin

Me|tal, kurz für Heavy Metal [engl.] (aggressivere Variante des Hard-Rocks mit gitarren- und schlagzeugzentrierter Klangfarbe); Anne-Katrin, 20, aus Tübingen kämpft mit Schwertern.

Ein normales Wochenende bei mir: Ich pack' Schlafsack und Isomatte ein, was zum Grillen - und mein Schwert. Ich mache Schwertkampf. Leider haben meine Freunde und ich dafür keinen anderen Ort als den Grillplatz. Das oberste Gebot dabei lautet: Vorsicht! Unsere Schwerter sind nicht angeschliffen, trotzdem gefährlich: Einmal hab ich meinem Kampfpartner eine Platzwunde über dem Auge verpasst. War nicht mit Absicht.

Meine Freunde habe ich fast alle auf dem Mittelaltermarkt oder im Pub kennengelernt. Fast alle sind Metaller; mit Normalos hatte ich neben der Schule noch nie viel zu tun. In der Klasse galt ich als Kuriosum - noch bevor ich angefangen hab, Metal zu hören und Schwarz zu tragen. Ich war das schüchterne Mauerblümchen und der Depp für alles.

Die Musik, der Metal, hat mir Selbstbewusstsein gegeben; mich stärker gemacht, sodass ich irgendwann sagen konnte: Hey, was die über mich erzählen, ist mir scheißegal! In den schwarzen Klamotten fühle ich mich irgendwie geschützt. Dazu kamen Band-Shirts und Tarnhosen. Meine Oma explodiert jedes Mal: "Das ist doch nicht schön! Du kannst doch viel mehr aus dir machen!" Sagt sie, die Oma. Ich kann nur noch drüber lachen.

Und weil wir gerade dabei sind: Metaller sind auch nicht ungepflegt, nur weil sie auf Festivals mal drei Tage nicht duschen! Doch manche Vorurteile stimmen: Wir trinken gerne Met und Bier. Und ich mag kein Rosa! Ich will nicht zum großen Einheitsbrei dazugehören - mir nicht von den Modediktatoren H&M und Mango vorschreiben lassen, was ich anziehe. Meine Springerstiefel werde ich wohl nie ganz wegpacken. Aber ich kann mir vorstellen, sie ab und zu gegen lila Ballerinas einzutauschen. Lila - nicht rosa!

Mein Aussehen wird sich in Zukunft - da bin ich ganz realistisch - weiter anpassen. Oder ist das schon pessimistisch? Ich studiere nämlich Lehramt. Und mit Patronengürtel und Nietenarmbändern kann ich als Lehrerin sicher nicht rumlaufen. Dennoch bin ich Vollblutmetallerin - denn was einen Metaller ausmacht, ist die Liebe zur Musik. Und die wird, denke ich, niemals enden.

Kristian

In|die, [engl.] (kurz für Independent, unabhängig, Sammelbezeichnung für kreative, freie, nicht kommerzielle Ausdrucksformen); Kristian, 16, aus Trünzig will viel mehr Respekt für die Mitwelt und ein bisschen mehr Gelassenheit

Insgesamt habe ich 68 Dreads. Für einen einzigen Zopf benötigt der Friseur vielleicht so vier Stunden. Ihr könnt euch also ausrechnen, dass ich Ewigkeiten im Salon saß. Aber Stillsitzen, Kosten und Nackenstarre haben sich gelohnt. Mir gefällt's.

"Hey Bob, was macht deine Läusepopulation?" Obwohl der Vergleich mit Musiklegende Bob Marley schmeichelhaft ist, kann ich bei solchen Sprüchen nur den Filzkopf schütteln. Dreads fetten kaum. Und ich versichere euch: Mein Haar bekommt mehr Zuwendung als jede Normalofrisur. "Wirtshaus für Krabbeltiere" - solche Aussagen kommen von Ahnungslosen.

Was ich bei Anderen absolut nicht abkann, ist eine Mischung aus Arroganz, Ignoranz und Intoleranz. Menschen mit diesen Charaktereigenschaften sind schlicht zu faul den Blick hinter Klischees zu wagen.

Vorurteile sind hartnäckig. Das Kopieren bestehender Meinungen ist eben viel bequemer als selbständige Urteilsbildung. Denn nicht jeder Dread-Head kifft und trägt ausschließlich legere Shirts in Rot, Gelb, Grün mit Hanf-Aufdruck. Hemden gehören sogar zur Grundausstattung meines Kleiderschrankes.

Meine Frisur spiegelt meine Persönlichkeit wieder. Ich bin individuell, locker, spontan und vor allem offen für Neues. Ich würde gern mit Freunden auf das Burning-Man-Festival in Nevada fahren. Sonnenschein, Musik, Kunstausstellungen - fernab jeglicher Regeln und doch bei vollem Umweltbewusstsein. Ein Ort intensiver Selbstdarstellung, ohne Autos und Müllanhäufungen.

Generell sollte unsere Gesellschaft dringend ihre Haltung zur Natur überdenken. Es geht nicht in meinen Kopf, dass wir noch immer vorwiegend fossile Brennstoffe nutzen. Im Heimatland von Bob Marley und den "Wailers" hat man mehr Respekt vor der Mitwelt. Diese Einstellung plus Freigeist und Gelassenheit beeindrucken mich beim Reggae am meisten.

Ob ich einer einzigen Jugendkultur angehöre? Macht das überhaupt jemand? Ich bin eher multikulturell. Zwar trage ich eine reggaetypische Frisur, höre aber auch bevorzugt Metal und Indie.

Musik ist mein Leben. Ich spiele Gitarre, habe eine Band und würde gern E-Bass erlernen. Nach dem Abitur steht ein Auslandsjahr an, danach will ich Tontechnik studieren. Oder ich werd Instrumentenbauer. Ich will mich einfach nicht festlegen - noch nicht.

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