Text 3. Grundlinien deutscher Geschichte nach dem zweiten Weltkrieg
Nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Truppen am 8./9. Mai 1945 blieb die letzte Reichsregierung unter Großadmiral Dönitz noch 23 Tage im Amt.
Im Reichsgebiet übernahmen die Siegesmächte – die USA, Großbritannien, die Sowjetunion und Frankreich – am 5. Juni die oberste Gewalt. Ihr Kernziel war gemäß dem Londoner Protokoll (12. September 1944) und darauf basierender Folgeabsprachen die totale Verfügungsgewalt über Deutschland. Die drei Siegesmächte stellten alle Gebiete östlich von Oder und Neiße unter polnische bzw. sowjetische Verwaltung und teilten das übrige Land in vier Besatzungszonen, Berlin in vier Besatzungssektoren.
Die drei westlichen Zonen, in denen nach neusten Forschungen trotz der Zerstörungen, trotz Demontagen, eine Industriestruktur erhalten geblieben war, bekamen Hilfen aus dem Marschall-Plan. In der sowjetischen Besatzungszone entnahmen die Sowjets große Mengen an Reparationsgütern, wodurch dort die Industriestruktur stark beeinträchtigt wurde. Wenn auch zeitlich in den Besatzungszonen etwas unterschiedlich, wurde in den westlichen Zonen nach und nach eine demokratische Ordnung entwickelt, während in der sowjetischen Besatzungszone liberal-demokratischen Strukturen der Aufbau eines sozialistischen Systems marxistisch-leninistischer Prägung folgte.
Im Oktober 1949 wurde die Deutsche Demokratische Republik (DDR) gegründet. Seitdem gab es 40 Jahre lang zwei deutsche Staaten nebeneinander.
Am 13. August 1961 sperrte die Regierung der DDR die Grenzen zur Bundesrepublik und West-Berlin, errichtete umfangreiche Grenzbefestigungen und eine Mauer quer durch Berlin. Diese Trennung durch Mauer und Stacheldraht bestimmte bald 30 Jahre deutscher Geschichte. Sie war eindeutig eine Folge des von Hitler-Deutschland angezettelten Krieges, symbolisierte die Teilung der Welt in einen West- und einen Ostblock.
In Westdeutschland entwickelte sich die Wirtschaft ziemlich gut. Es kam zeitweilig nicht nur zur Vollbeschäftigung, ausländische Arbeitnehmer mussten angeworben werden. In der DDR fand eine weitgehende Umgestaltung des gesellschaftlichen Systems statt. Nachdem die größeren Güter nach dem Kriege auf Neubauern aufgeteilt worden waren, wurden später die Bauern aufgefordert und gezwungen, sich in landwirtschaftlichen Produktionsgemeinschaften, d.h. größeren Betrieben, die nachher auf Boden- oder Tierproduktion spezialisiert waren, zusammenzuschließen. Industrieunternehmen wurden in Gemeineigentum überführt und zum Teil in großen Verbünden (Kombinate) zusammengeführt. Aus ideologischen Gründen konnte es in der DDR keine Arbeitslosen geben, es musste ein auskömmliches Leben für alle möglich sein. So kam es zu einem System, bei dem nicht das Geld Regulator war, sondern staatliche Mehrjahrspläne mit Vorgabe der Produktionsmengen.
Nach und nach unterschieden sich die beiden deutschen Staaten in fast allen Bereichen, selbst in der Sprache.
Entscheidend war aber das unterschiedliche Regierungssystem, das gleichzeitig einen Unterschied im Wirtschaftssystem bewirkte.
In Westdeutschland wurde durch das Grundgesetz eine parlamentarische Demokratie errichtet. In den Wahlen wurden die Abgeordneten des Deutschen Bundestages gewählt. Sie wählten dann den Bundeskanzler, der die Regierung bildete und vom Vertrauen des Bundestages abhängig war. Das Mehrparteisystem führte dazu, dass der Regierungspartei oder Regierungskoalition immer eine Opposition gegenüberstand. Die Zielvorstellung einer sozialen Marktwirtschaft wurde durch die Sozialversicherungen und soziale Sicherungssysteme einerseits, andererseits durch Förderung des Mittelstandes, die Kontrolle marktbeherrschender Unternehmen und die unabhängige Bundesbank gesichert.
In der DDR herrschte die Zielvorstellung des Sozialismus marxistisch-leninistischer Prägung. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) war die führende Kraft. Alle Staatsorgane waren vom Politbüro bzw. Zentralkomitee der SED abhängig. Parallel dazu gab es ein Überwachungssystem durch das Ministerium für Staatssicherheit (STASI), das über offizielle und inoffizielle Mitarbeiter fast alle Menschen kontrollieren und bespitzeln ließ.
In der DDR stabilisierte sich das Leben nach dem Bau der Mauer etwas. Es entstand sogar eine gewisse Identität mit dem Staat, weil durch die Flucht vieler Menschen nach Westdeutschland oft junge Kräfte Führungsaufgaben übernehmen konnten. Dennoch herrschte eine Unzufriedenheit bei vielen Menschen.
In den 80er Jahren wurde die DDR immer instabiler. An einigen Orten kam es zu Demonstrationen für Frieden und Menschenrechte. Sehr groß war die Zahl der Ausreisenden, die in der DDR keine Perspektiven sahen. Diejenigen, die das Land illegal verlassen wollten, wurden an der Grenze erschossen oder kamen in die Zuchthäuser. Es gab kaum einen Menschen, der das Regime nicht kritisierte.
Die Umsiedlung von Ost nach West wurde so stark, dass die Einführung der westdeutschen DM auch in der DDR von der Bundesregierung als notwendig erkannt wurde. Der Slogan lautete: Damit die Menschen nicht zur DM kommen, muss die DM zu ihnen kommen.
Sofort fanden Verhandlungen zwischen den beiden deutschen Staaten an. Sie führten dazu, dass am 1. Juli 1990 eine Wirtschafts- und Sozialunion zwischen beiden deutschen Staaten in Kraft trat, verbunden mit der Einführung der Deutschen Mark in der DDR. In weiteren Verhandlungen wurden Verträge zur Vereinigung vorbereitet und in Kraft gesetzt. Am 3. Oktober 1990 traten die Länder der DDR der BRD bei. Deutschland war vereinigt.
Das vereinigte Deutschland ist in der Europäischen Union der größte Mitgliedsstaat.