Text 4. Die Entstehung des Deutschen Reiches
Seit dem frühen 10. Jahrhundert kann man von einem Deutschen Reich sprechen. Seine Entstehung hatte sich bis dahin über einen längeren Zeitraum vollzogen. Das Königreich, das man seit dem 11. Jahrhundert «Reich der Deutschen» zu nennen begann, hieß damals noch «Ostfrankenreich». Es hieß nicht deshalb so, weil es nur von Franken bewohnt gewesen wäre, sondern weil es aus dem Frankenreich hervorgegangen war, das verschiedene Völkerschaften und Gebiete umfasste und das Karl der Große zu unvergleichlicher räumlicher Größe gebracht und mit dem Kaisertum überhöht hatte. Fränkischer Brauch verlangte, dass das Reich unter die Söhne des Königs aufgeteilt wurde, und so bestand das Riesenreich Karls bald aus mehreren fränkischen Teilreichen. Ludwig, den wir heute «den Deutschen» nennen (817-876), herrschte als König über die Bayern, Schwaben, Rhein- und Mainfranken, Thüringer und Sachsen. Schon den Zeitgenossen war bewusst, dass die Bewohner von Ludwigs Ostfrankenreich sich von denen im Reich seines Bruders Karl «des Kahlen», der König der Westfranken war, durch ihre Sprache unterschieden. Der größte Teil des Gebietes, das sie bewohnten, hatte nicht zum Römischen Reich gehört, und das Lateinische war dort nicht wie im Westen Grundlage der Landessprache geworden. So bewahrten sie ihre germanischen Sprachen, die trotz aller Unterschiede doch dieses verband: volksmäßig «theodisc» zu sein, ein Wort, das dann später zum Namen «deutsch» wurde. Fränkische Tradition aber war zur Zeit Ludwigs des Deutschen noch bestimmender als die Verwandtschaft der Sprachen, und so wurde sein Reich, fränkischem Teilungsbrauch entsprechend, wieder unter seine Söhne in drei Königreiche aufgeteilt, so wie es dann später, als es keine anderen erbberechtigten Nachkommen gab, in König Ludwig dem Kind wieder einen einzigen König hatte. Im Jahre 911 starb nun auch er, ohne Söhne zu hinterlassen. Nur im Westfrankenreich gab es noch einen König aus dem Geschlecht Karls des Großen. Die ostfränkischen Stämme entschieden sich gegen den westfränkischen Karolinger und damit für die Eigenständigkeit ihres Reichs gegenüber dem Westen: Sie wählten Konrad, den Herzog der Franken, zum König. Dass es ein ungeteilt-einiges Reich sein würde, zeigte sich dann im Jahre 936. König Heinrich I. (919–136), der Nachfolger König Konrads (911–918), hatte bei seinem Tode mehrere regierungsfähige Söhne. Aber nur der älteste Sohn, Otto, wurde König. Der fränkische Brauch, das Reich unter die Königssöhne aufzuteilen, wurde also nicht mehr befolgt. Mit dem Regierungsantritt Ottos I. war erwiesen, dass die Gebiete, die zuerst Ludwig der Deutsche zusammenfassend Ostfrankenreich genannt hatte, im Innern und nach außen eine Einheit darstellten.
Aufgabe 11. Machen Sie die Übungen zum Text:
1. Übersetzen Sie die folgenden Wörter und lernen Sie sie auswendig:
vollziehen, hervorgehen, umfassen, unvergleichlich, räumlich, verlangen, volksmäßig, aufteilen, befolgen, erweisen.
Bilden Sie Ihre eigenen Sätze mit diesen Wörtern.
Beantworten Sie die Fragen zum Text
1. Warum kann man seit dem frühen 10. Jahrhundert von einem Deutschen Reich sprechen?
2. Warum hieß bis dahin das «Reich der Deutschen» noch Ostfrankenreich?
3. Warum sollte das Reich unter die Söhne des Königs aufgeteilt werden?
4. Was bedeutet das Wort «theodisc»?
5. Woher kommt der Name «deutsch»?
6. Seit wann wurde der fränkische Brauch, das Königreich unter die Königssöhne aufzuteilen, nicht mehr befolgt?
7. Welche Epoche begann mit dem Regierungsantritt Otto I.?
3. Erzählen Sie über die Entstehung des Deutschen Reiches.
Aufgabe 12. Lesen Sie und übersetzen Sie den folgenden Text. Schreiben Sie die unbekannten Wörter heraus, lernen Sie sie. Erzählen Sie über die Staufer-Dynastie.
Text 5. Die Staufer
Das Geschlecht der Staufer hat das europäische Mittelalter entscheidend geprägt. Es sind vor allem zwei Staufer, die dem Jahrhundert zwischen 1150 und 1250 ihren Stempel aufgedrückt haben: Kaiser Barbarossa und sein Enkel Friedrich II. Die beiden berühmten Staufer gründeten Universitäten und Städte, schufen ein neues Rechtssystem und förderten die höfische Kultur. Als Herren des Heiligen Römischen Reiches herrschten sie über ein Gebiet, das sich von der heutigen dänischen Grenze bis Sizilien erstreckte.
Im Osten der Schwäbischen Alb begann die Geschichte der mächtigsten Dynastie des Hochmittelalters. Stammvater der Staufer war Graf Friedrich von Büren, der das Wäscherschloss errichtete, das als Wiege der Staufer gilt.
Ihren Wohlstand und politischen Aufstieg hatten die ersten Staufer ihren Frauen zu verdanken. Friedrich von Büren war mit einer reichen Grafentochter aus dem Elsass verheiratet: Hildegard von Egisheim. Sie brachte so viel Geld mit in die Ehe, dass der Bau einer Burg aus Stein erst möglich wurde. Doch erst dem Sohn des Grafenpaares, der auch Friedrich hieß, gelang der eigentliche Aufstieg. Er war ein treuer Gefolgsmann des Kaisers Heinrich IV. und begleitete ihn 1077 auf seinem Gang nach Canossa. Friedrich war einer der wenigen, die ausharrten, als der Kaiser barfuß im Schnee vor dem Papst Abbitte leisten musste und von seinem Kirchenbann freigesprochen wurde. Als Dank für seine Treue erhielt Friedrich die Kaisertochter Agnes zur Frau. Außerdem wurde er in den Rang eines Herzogs erhoben.
Der neue Gefolgsmann des Kaisers brauchte schließlich einen neuen repräsentativen Rahmen. Das Wäscherschloss war zu eng geworden. Auf dem nahegelegenen Berg baute er die Burg Hohenstaufen, die dem Geschlecht seinen Namen geben sollte.
Durch die Heirat des Herzogs Friedrich I. mit Agnes, der Tochter des salischen Kaisers, kam königliches Blut in die Familie. Ihr Sohn Konrad eroberte immer mehr salische Ämter. Die Ländereien der beiden Adelsgeschlechter verschmolzen Schritt für Schritt miteinander und so konnte sich die Machtbasis der Staufer immer weiter ausdehnen.
Als der letzte Salierkaiser starb, wurde zuerst Lothar von Supplinburg zum König gewählt. Aber Konrad strebte mit allen Mitteln nach der Königswürde. Durch einen Staatsstreich kam er schließlich ans Ziel. Sein Verbündeter war der einflussreiche Erzbischof Albero von Trier. Durch eine kleine Gruppe von Fürsten ließ sich Konrad zum Gegenkönig wählen.
Albero versuchte die anderen Fürsten des Reiches von dieser Wahl zu überzeugen. Er schrieb viele Briefe, und schließlich verließen riesige Wagenladungen Moselweins Trier. Die Weinfässer gelangten zu zahlreichen Fürsten des Landes. Unter den deutschen Fürsten regten sich seit dieser „Überzeugungsarbeit“ keine Widerstände mehr gegen Konrad III. Vierzehn Jahre lang regierte er als deutscher König. Da seine Söhne noch zu jung waren, um in seine Fußstapfen zu treten, sah Konrad III. in seinem Neffen Barbarossa den geeigneten Thronkandidaten. Das Gemeinwohl und die Stabilität des Reiches waren Konrad III. letztendlich wichtiger als die direkte Erbfolge seiner Söhne.
Nach dem Tod seines Onkels Konrad III. wurde Friedrich I. Barbarossa 1152 in Frankfurt am Main zum König gewählt. Der damals 30-Jährige war von der Idee des Kaisertums fasziniert. Unter seiner Führung sollte die Kaiserwürde neuen Glanz erhalten.
Um seine kaiserlichen Anspruche in Italien durchzusetzen, zog Friedrich Barbarossa immer wieder mit einer großen Armee über die Alpen. Mit der Macht des Schwertes versuchte er die oberitalienischen Städte gefügig zu machen. Allerdings mit wechselndem Erfolg. Am Ende musste er sich dem Papst unterwerfen. Nördlich der Alpen konnte Barbarossa seine Macht immer weiter ausbauen. Er festigte das Lehnssystem, baute Burgen, stärkte das Geldwesen, und unter seiner Ägide florierte die höfische Kultur.
Auf dem Pfingsthoffest 1184 in Mainz, einem der größten Feste des Mittelalters, ließ er seine beiden Söhne Heinrich und Friedrich zu Rittern schlagen. Damit demonstrierte er im Beisein der adligen Reichselite den Machtanspruch seines Hauses. Der dritte Kreuzzug sollte Kaiser Friedrich Barbarossa im Ausland wieder zu mehr Glanz verhelfen. Er war schon weit über 60, als er sich an die Spitze der Kreuzfahrer begab. Von Regensburg brach er ins Heilige Land auf. Die mächtigsten Herrscher Europas folgten ihm. Doch die Reise endete tragisch. 1190, bei einem Bad in dem anatolischen Fluss Saleph, ertrank Kaiser Barbarossa. Wo sein Leichnam begraben liegt, gibt Historikern immer noch Rätsel auf.
Obwohl der zweitälteste Sohn Barbarossas nur sechs Jahre lang römisch-deutscher Kaiser war, gelang ihm die Ausdehnung des Reiches nach Sizilien. Wieder einmal verhalf dem Staufer dazu eine kluge Heiratspolitik. Heinrichs Frau Konstanze erbte das Normannenreich in Sizilien und Süditalien.
Als Kaiser Heinrich VI. starb, war sein einziger Sohn und Erbe Friedrich gerade mal vier Jahre alt. Friedrich wuchs in Italien auf. Er war Sizilianer und kein Deutscher mehr wie sein berühmter Großvater Barbarossa. Trotzdem war der junge Mann erfüllt von der Idee des Kaisertums. Als 16-Jähriger reiste er in die nördlichen Territorien des Reiches und ließ sich von den deutschen Fürsten zum Kaiser wählen, indem er ihnen weitreichende Privilegien zusicherte. Die Herrschaft, die ihm vorschwebte, konnte er im Deutschen Reich allerdings nicht umsetzen. 1220, auf der Heimreise nach Sizilien, nahm er noch aus den Händen des Papstes die Kaiserkrone entgegen.
Fortan konzentrierte sich Friedrich II. auf seine Hausmacht in Unteritalien. Dort schuf er eine Königsherrschaft mit einem hocheffizienten Beamtenapparat. Er machte sich als Gelehrter und Wissenschaftler einen Namen. Mit vielen philosophischen Fragen seiner Zeit setzte er sich auseinander und etablierte als einer der Ersten die empirische Wissenschaft. Sein berühmtes Vogelbuch basierte auf Beobachtungen und Erfahrungen, die er selbst gemacht hatte.
Während seiner Regentschaft kam es immer wieder zu Konflikten mit dem Papst. Schließlich arbeitete der Papst auf die Vernichtung Friedrichs II. hin und exkommunizierte ihn. Der Staufer führte viele Kriege gegen Rom, die der Kaiser letztlich verlor. Am 13. Dezember 1250 starb Friedrich II.
Der Tod Friedrichs II. war bereits der Anfang vom Ende der Staufer. Die Macht von Friedrichs Sohn Konrad IV. stand auf tönernen Füßen. Der Papst hatte auch ihn exkommuniziert und im Deutschen Reich hatten die Fürsten bereits einen Gegenkönig gewählt. Immer wieder musste Konrad IV. seine Würde als deutscher König militärisch behaupten.
Nach nur vier Jahren als König starb er in einem Heerlager an Malaria. 18 Jahre nach dem Tod Friedrichs II. wurde auch sein Enkel Konradin, der letzte männliche Staufer, hingerichtet. Danach brach das staufische System, das einen starken und durchsetzungsfähigen Herrscher brauchte, in sich zusammen.
Aufgabe 13. Lesen Sie und übersetzen Sie den folgenden Text. Schreiben Sie die unbekannten Wörter heraus, lernen Sie sie. Erzählen Sie über das Rittertum im Mittelalter.