Hollandes erster Tag im Amt
VON MICHAEL BRÖCKER UND SYLVIE STEPHAN
berlin/Paris (RP). Mit einer "Botschaft des Vertrauens" ist Frankreichs neuer Präsident Francois Hollande in Paris ins Amt gestartet. Mit einer Botschaft des Zusammenhalts versuchten Hollande und Kanzlerin Merkel bei ihrem ersten Treffen Differenzen zu überwinden.
Mai 2012: Merkel empfängt Hollande in Berlin
Die Beziehungen zwischen dem neuen französischen Präsidenten Francois Hollande und Kanzlerin Angela Merkel stehen offenbar unter keinem guten Stern. Nach einem Blitzeinschlag musste Francois Hollande am Dienstagabend seinen Flug nach Berlin abbrechen und nach Paris zurückkehren. Erst nach einem Wechsel der Maschine ging es wieder nach
Berlin, wo ihn Kanzlerin Merkel gegen 20 Uhr im Kanzleramt mit militärischen Ehren empfing.
Die beiden wichtigsten Regierungschefs in der europäischen Krise hatten sich in den vergangenen Monaten einen Schlagabtausch geliefert. Er hatte im Wahlkampf gegen Merkels Spardiktat polemisiert und angekündigt, den Fiskalpakt aufzuweichen, sollte er gewählt werden. Sie hatte in TV-Interviews und Auftritten für Hollandes konservativen Konkurrenten Nicolas Sarkozy geworben und Hollande ein Kennenlern-Gespräch verweigert.
Harte Kost im Büro der Kanzlerin
Die erste Begegnung war dann bemüht locker. Ein Händedruck, Hollande umfasst Merkels Arm kurz und ringt sich ein Lächeln ab. Der Dolmetscher wird zunächst nicht gebraucht. Small talk auf Englisch. In dem anschließenden knapp zweistündigen Gespräch im Büro der Bundeskanzlerin folgt die harte Kost. Europäische Schuldenkrise, Wachstumspolitik, Griechenlands Regierungschaos und wohl auch die unterschiedlichen Positionen zum Fiskalpakt kamen auf den Tisch. "Wir wissen um unsere Verantwortung, die wir haben für eine gute Entwicklung Europas", sagte Merkel bei einer Pressekonferenz. Es würden Lösungen für die Probleme gefunden. Hollande bekräftigte allerdings seine Forderungen nach einer Änderung des Fiskalpakts. "Wachstum darf keine Worthülse bleiben." Doch weiter wollten die beiden erstmal nicht ins Detail gehen. Entscheidungen waren für das "Kennenlern-Treffen" ohnehin nicht erwartet worden. Merkel und Hollande sehen sich schon an diesem Wochenende beim G 8-Gipfel im US-amerikanischen Camp David wieder. Da werde man sich noch einmal zusammensetzen, hieß es in deutschen Regierungskreisen.
Den europäischen Fiskalpakt will Merkel unter keinen Umständen wieder aufschnüren. Das hat die Kanzlerin mehrfach betont. Dafür will sie dem Franzosen bei den geforderten Wachstumsimpulsen für die Krisenstaaten Europas entgegenkommen.
In Paris war es am gestrigen Vormittag deutlich besser für den Präsidenten gelaufen. Eine Zeitlang kam sogar die Sonne durch, als die Limousine von Hollande am Vormittag zur feierlichen Amtsübergabe in den Ehrenhof des Elysee-Palasts rollte. Die republikanische Garde stand stramm, der rote Teppich war ausgerollt – die Zeremonie konnte beginnen. Eine Zeremonie, die es in dieser Form seit dem Krieg erst viermal gegeben hat und die in ihrem Prunk an die besten Zeiten der Monarchie erinnert.
"Botschaft des Vertrauens"
Trotz der aktuellen Herausforderungen – "massive Schulden, ein schwaches Wachstum, eine hohe Arbeitslosigkeit" – sende er eine "Botschaft des Vertrauens" aus. Frankreich sei "ein großes Land, das viele Krisen durchstanden hat", sagte Hollande. Schließlich deutete er den Stil seiner Präsidentschaft an, der sich von dem seines umtriebigen Vorgängers abgrenzen soll: "Ich werde Prioritäten setzen, aber nicht alles, für alle und überall entscheiden."
Als der neue Präsident anschließend den Garten des Palasts betrat, um zu den Klängen der Nationalhymne "Marseillaise" eine Ehrenformation der Republikanischen Garde abzunehmen, brauten sich dunkle Wolken zusammen. Vom nahegelegenen Invalidendom ertönten die traditionellen 21 Schuss Kanonensalut. Besorgt blickten die Fotografen in den Himmel. Hollande aber verzog keine Miene. Gelassen stieg er in das neue Präsidenten-Auto – einen silbergrauen Hybrid-Wagen der Marke Citroën. Dank eines extra eingebauten Verdecks konnte Hollande die Fahrt zu den Champs-Elysees stehend in seinem DS5 absolvieren.
Winkend fuhr er die Pariser Prachtstraße entlang, umjubelt von Schaulustigen und Touristen, die sich hinter den Absperrungen versammelt hatten. Da prasselten bereits die ersten dicken Regentropfen herunter. Als Hollande beim Triumphbogen ankam, um beim Grab des Unbekannten Soldaten die Flamme zu entzünden, war er bis auf die Haut durchnässt. Den neuen Präsidenten störte es nicht. Er lächelte und genoss. Er ist am Ziel.