Bedeutung und Gebrauch der Zeitformen des Indikativs
Der Indikativ Aktiv hat 6 Zeitformen: zwei synthetische (das Präsens und das Präteritum) und vier analytische (das Perfekt, das Plusquamperfekt, das Futur I, das Futur II).
Die Zeitformen können absolut oder relativ gebraucht werden.
I. Die Zeitformen haben beim absoluten Gebrauch die folgenden Bedeutungen.
1. Das Präsens gibt die Gegenwart an und drückt Geschehen oder Zustände aus, die
§ sich jetzt gerade abspielen (das aktuelle Präsens): Im Theater begegne ich meiner Bekannten Barbara. „Hallo, Monika! Es freut mich, dich zu sehen! Wie geht´s dir?“, fängt sie das Gespräch an;
§ sich ständig wiederholen (das usuelle Präsens): Die Eltern lesen der Tochter jeden Abend Geschichten aus dem Kinderbuch vor;
§ allgemein gültig sind (das generelle Präsens). Es wirdmeistens in Sprichwörtern und allgemeinen Feststellungen gebraucht: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein;
§ unmittelbar bevorstehen (das futurische Präsens): Nächste Woche besuchen wir die Nationalbibliothek der Republik Belarus;
§ zwar in der Vergangenheit begonnen haben, aber in die Gegenwart hineinreichen: Seit vorigem Semester studiert er in unserer Gruppe;
§ vergangen sind (das historische Präsens).Charakteristisch ist hier der Wechsel zwischen dem Präteritum und dem Präsens. Das historische Präsens (das Präsens der belebten Erzählung) gebraucht man bei lebhafter anschaulicher Schilderung: Am Wochenende erholten wir uns im Grünen. Es war so schön im Fluss zu schwimmen, Ball zu spielen, im Gras zu sitzen. Plötzlich verfinstern die Wolken die Sonne und das Gewitter bricht aus. Klatschnass kehrten wir nach Hause zurück;
§ sich auf Vergangenheit beziehen, aber durch das Präsens veranschaulicht werden (das erzählende Präsens). Dabei wird die ganze Erzählung im Präsens verfasst: Gestern gehe ich zur Arbeit und begegne meinem alten Freund Fritzi. Wir haben einander so viel zu erzählen! Wir unterhalten uns im Cafe ein paar Stunden und verabreden uns zum Familienausflug am Wochenende.
2. Das Präteritum dient zum Ausdruck der Vergangenheit in den Erzählungen, Berichten: In den letzten Ferien war ich mit meinen Eltern in Italien. Wir wohnten zwei Wochen auf einem Campingplatz am Gardasee. Am schönsten fand ich aber die Autofahrt dorthin.
3. Das Perfekt gibt vergangenes Geschehen und Zustände wieder, die mit der Gegenwart verbunden sind: Ich habe die Eintrittskarten besorgt. Heute gehen wir ins Theater!
Das Perfekt kommt vor allem im mündlichen Gebrauch im Dialog, in kurzen Berichten, Meldungen vor: „Was hast du am Wochenende gemacht?“ – „Ich habe meine Eltern besucht und wir haben schön die Zeit im Familienkreis verbracht.“
Das Perfekt und das Plusquamperfekt haben lexikalische Einschränkungen. Die Verben stammen (entstammen), pflegen (in der Bedeutung Gewohnheit haben), münden, sowie Verben in übertragener Bedeutung: gehen, angehen, fortfahren, scheinen werden im Perfekt und Plusquamperfekt nicht gebraucht, z.B.: Sie stammte aus Brest. Die Fenster gingen in den Garten. Das ging mich nichts an. Er schien mir bekannt zu sein.
Die Verben haben, sein, werden, die Wortverbindung es gibt und die Modalverben werden in der gesprochenen Sprache statt im Perfekt oft im Präteritum gebraucht: Warum warst du gestern in der Party nicht? – Ich konnte nicht. Ich hatte viel zu tun.
§ Das Perfekt kann eine Handlung ausdrücken, die in der Zukunft abgeschlossen ist (das futurische Perfekt): Bis Sonntag ist er bei uns geblieben. ‘Он останется у нас до воскресенья’.
§ Das Perfekt kann auch als Tempus der Zusammenfassung in einer präteritalen Erzählung erscheinen. Wenn das Perfekt im ersten Satz eines Abschnittes oder im Nebensatz eines Satzgefüges gebraucht wird, so ist es das Eröffnungsperfekt.Wenn es im letzten Satz vorkommt, so ist es das Schlussperfekt.Wenn beide Arten einen zusammenhängenden präteritalen Text einklammern, so geht es um das Rahmenperfekt:Astor istmit seinem Herrn und dem kleinen Peter durch die Spielwiesen am Fluss gewandert. Hier konnte man den Hund frei laufen lassen. Peter befreite ihn von der Fessel der Leine. Astor sprang davon. Plötzlich tauchte ein fremder Hund auf, so groß wie ein Kalb. Er stürzte wie ein Besessener auf den anderen zu. Sofort haben sich die beiden ineinander verbissen.
Dem Perfekt der Zusammenfassung, und zwar dem Eröffnungsperfekt steht in seiner Bedeutung das einleitende Plusquamperfektnahe, das eine Vorgeschichte der Erzählung angibt: Er war zu früh gekommenund hatte noch bis zur Verabredung genug Zeit. Er beschloss durch das Stadtzentrum zu bummeln und in ein Eiscafe zu gehen.
4. Das Futur I/das Futur II geben ein zukünftiges Geschehen an: Morgen wird es einen heißen Tag geben./Morgen wird er diesen Auftrag erfüllt haben.
Die Zeitformen können gleiche Bedeutung haben und in einem Kontext als Synonyme auftreten, z.B. das Präteritum, das Perfekt, das historische Präsens, das erzählende Präsens bringen ein vergangenes Geschehen zum Ausdruck; das Futur I, das Futur II, das futurische Präsens, das futurische Perfekt drücken eine zukünftige Handlung aus.
II. Beim relativen Gebrauch spricht man von der Gleichzeitigkeit oder Vorzeitigkeit.
1. Wenn sich zwei oder mehrere Handlungen zur gleichen Zeit vollziehen, spricht man von der Gleichzeitigkeit der Handlungen, die durch den Gebrauch gleicher Zeitformen zum Ausdruck kommt:
a) Gleichzeitigkeit in der Gegenwart (das Präsens + das Präsens): Die Tochter mag Kuchen, die ihre Mutter bäckt;
b) Gleichzeitigkeit in der Vergangenheit (das Präteritum + das Präteritum/ das Perfekt + das Perfekt): Wenn die Kleine weinte, tröstete die Mutter sie./Ich habe mich auf die Prüfung gut vorbereitet, denn ich habe alle Situationen wiederholt;
c) Gleichzeitigkeit in der Zukunft (das Futur I/das futurische Präsens + das Futur I/das futurische Präsens): Die Frau wird nichts zum Abendessen kochen, weil der Mann ihre Lieblingsspeise im Restaurant bestellen wird./Die Frau kocht nichts zum Abendessen, weil der Mann ihre Lieblingsspeise im Restaurant bestellen wird/bestellt.
2. Wenn eine Handlung der anderen vorangeht, spricht man von der Vorzeitigkeit,die durch den Gebrauch verschiedener Zeitformen zum Ausdruck kommt:
a) Vorzeitigkeit in der Gegenwart (das Präsens + das Perfekt): Ich erzähle dir, was mir im Urlaub passiert ist;
b) Vorzeitigkeit in der Vergangenheit (das Präteritum + das Plusquamperfekt): Der Film, den wir uns angesehen hatten, machte auf uns einen großen Eindruck;
c) Vorzeitigkeit in der Zukunft (das Futur II/das futurische Perfekt + das Futur I/das futurische Präsens): Nachdem die Familie die Möbel gekauft haben wird/gekauft hat, wird sie in ihre neue Wohnung einziehen/... , zieht sie ihn ihre neue Wohnung ein.
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Der relative Gebrauch der Zeitformen steht immer in Verbindung mit dem absoluten: Die Zeitformen bezeichnen eine Handlung als vergangen, gegenwärtig oder zukünftig (absolute Bedeutung) und zugleich als gleichzeitig oder nicht gleichzeitig (relative Bedeutung).