Soziale Unterschiede und Rauchen
Größer als die Geschlechterunterschiede sind die Unterschiede der Raucherquote, wenn die Schulbildung betrachtet wird. Ein niedrigerer Bildungsabschluss führt zu einem signifikanten Anstieg. Hier ein beispielhafter Vergleich aus dem Jahr 2006, bei dem Bildungsunterschiede und Raucheranteil bei 40- bis 59-jährigen Männern genauer betrachtet wurden:
§ Niedriger Bildungsabschluss: 56 % Raucherquote
§ Mittlerer Bildungsabschluss: 37 % Raucherquote
§ Hoher Bildungsabschluss: 30 % Raucherquote
Ein höheres Einkommen führt ebenfalls nicht dazu, dass Personen sich häufiger Zigaretten "leisten". Ganz im Gegenteil. Bei einem monatlichen Einkommen bis zu einer Grenze von 1.300 Euro gibt es einen Raucheranteil von 33 %. Bei einem Haushaltseinkommen von 2.600 bis 4.500 Euro ist von einem Anteil um 24 % auszugehen. Den niedrigsten Wert weisen Einkommen von über 4.500 Euro auf. Hier liegt der Raucheranteil bei eher geringen 19 %.
Sonstige Merkmale
Besonders bei jugendlichen Raucherinnen und Rauchern sind ein kleineres Nord-Süd-Gefälle und ein größeres Ost-West-Gefälle zu verzeichnen. Der prozentuale Anteil der jungen Raucher ist damit im Nord-Osten Deutschlands besonders hoch.
Weiterhin deutliche Unterschiede gibt es bei verschiedenen Berufsgruppen. Berufe, die einen Hochschulabschluss voraussetzen, verzeichnen einen prozentualen Anteil an Rauchern, der unter 20 % liegt. Zu diesen Berufsgruppen gehören beispielsweise Lehrer an Gymnasien oder Ärzte. Besonders handwerklich-manuelle Tätigkeiten zeichnen sich durch eine hohe Raucherquote aus. So sind bei Malern oder Gebäudereinigern Werte von über 50 % vorhanden.
Wirtschaftliche Bedeutung
Das Rauchen hat einen vielfältigen Einfluss auf das wirtschaftliche Geschehen in Deutschland. Einerseits gibt es die privaten Ausgaben der Raucher für den Verbrauch von Tabakprodukten. Zusammengerechnet entstanden hier im Jahr 2008 Kosten für die Privathaushalte von über 22 Milliarden Euro. Der größte Teil, über 19 Milliarden Euro, entfiel hierbei auf Zigaretten. Dieses Geld geht zum Teil an die Tabakindustrie und zum Teil über Steuern an den Staat.
Zum anderen müssen die Kosten von Krankheiten betrachtet werden, die durch das Rauchen entstehen. So ergeben sich weitere 21 Milliarden Euro. Hier kann von direkten Belastungen für das Gesundheitswesen (Behandlung, Pflege) gesprochen werden und außerdem von indirekten Belastungen, die durch den krankheitsbedingten Ausfall von Arbeitskraft nach einer möglichen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit entstehen.
Kosten für das Gesundheitswesen
Direkte Kosten des Rauchens sind Pflegeleistungen und Therapien für Personen, bei denen der Tabakkonsum zu Erkrankungen geführt hat. Diese Kosten müssen durch das Gesundheitswesen aufgewendet werden. Direkte Kosten können mit jährlich ungefähr 7,5 Milliarden Euro beziffert werden.
Weitere 13,5 Milliarden Euro ergeben sich durch die indirekten Kosten. Der Wegfall der Arbeitskraft in Unternehmen durch Tod oder Verrentung ist dazuzurechnen. Auch hier wurden die Krankheiten durch den Tabakkonsum induziert.
Verursacher der Kosten sind vor allem Krebserkrankungen (40 %), Herz-Kreislauf-Krankheiten (30 %) und Erkrankungen der Atemwege (25 %).
Tabakindustrie
Die deutsche Tabakindustrie hat ihre Personalstärke in den letzten Jahren deutlich zurückgefahren. Zwischen 1991 und 2006 wurde sie von 19.000 auf 11.000 Personen gesenkt.
Dominierend auf dem deutschen Markt sind vor allem vier Wettbewerber. Hierzu gehören:
§ Philip Morris Deutschland GmbH (Marlboro, L&M). Seit 1970 ist der Konzern in Deutschland aktiv und übernahm im Jahr 1987 die Marktführerschaft.
§ British American Tobacco Germany (Pall Mall, Gauloises, Lucky Strike, HB). Das bereits seit 1926 in Deutschland ansässige Unternehmen produziert unter anderem in Bayreuth für den internationalen Tabakmarkt.
§ Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH (John Player Special, West). Reemtsma entstand um 1910 durch eine Übernahme in Erfurt. In der Zwischenzeit war auch der Tchibo-Konzern als Eigentümer aktiv. 2002 übernahm die Imperial Tobacco Group allerdings die Anteile von Tchibo.
§ Japan Tobacco International Germany GmbH (Camel). Aus dem 1908 gegründeten Unternehmen "Haus Neuerburg" wurde nach mehreren Verkäufen der jetzige Konzern, der zur Japan Tobacco Inc. gehört. Die in Deutschland hergestellten Zigaretten werden in mehr als 40 Länder geliefert.
Etwa ein knappes Viertel des Zigarettenverkaufspreises bleibt in der Wirtschaft. Der überwiegende Teil wird als Steuer abgeführt.
Schmuggelware
Durch den Zigarettenschmuggel entgehen dem Fiskus jedes Jahr mehrere Milliarden Euro an Steuergeldern. Laut einer eigenen Studie der Tabakindustrie ist hier von einem Betrag um vier Milliarden Euro in 2008 auszugehen. Neben dem zollfreien Einkauf kamen damit rund sieben Milliarden Zigaretten durch Schmuggelaktivitäten im selben Jahr nach Deutschland - vor allem durch die illegale Einfuhr aus Osteuropa. Besonders die Ukraine und Russland tun sich hier als Herkunftsländer der Schmuggelware hervor.
Der Zigarettenschmuggel läuft auf unterschiedlichen Ebenen ab - zum Beispiel in kleinen Mengen durch Individuen, welche die Höchstmenge an Zigaretten überschreiten, die aus Ländern zollfrei eingeführt werden dürfen. Genauso gibt es aber auch den organisierten Schmuggel im großen Umfang, bei dem ganze Container mit mehreren Millionen Zigaretten illegal verschoben werden. Ist vom deutschen Zoll im Jahr 2000 noch ein Rekordergebnis mit mehr als einer Milliarde Zigaretten sichergestellt worden, hat sich dieser Wert im Jahr 2008 auf knapp 300 Millionen stark reduziert.
Problematisch ist weiterhin der Verkauf und Schmuggel von illegal hergestellten beziehungsweise gefälschten Markenzigaretten. Durch die Streckung und Verunreinigung des Tabaks entstehen zusätzliche Gesundheitsrisiken für die Konsumenten.
Politik und Rauchen
Der Staat hat auf mehreren Ebenen mit dem Thema Rauchen zu tun. Er muss seine Bürger vor Gesundheitsrisiken schützen. Denn ihm entstehen hohe Kosten durch die Behandlung von Folgeerkrankungen. Auf der anderen Seite erhält der Staat Einnahmen in Milliardenhöhe durch die Tabaksteuer.
Eines der Ziele einer staatlichen Gesundheitspolitik ist die Absenkung der Raucherquote im eigenen Land. Obwohl der deutsche Staat durch Steuereinnahmen auf Tabakprodukte auf der einen Seite hohe Einnahmen erzielt, muss er diese Einnahmen auf der anderen Seite für Gesundheitskosten aufwenden. Diese Kosten entstehen als Folge der Krankheiten, die durch das Rauchen hervorgerufen werden.
Als ein starker Partner, um die Raucherquote zu senken, hat sich hierbei die World Health Organization (WHO) herausgestellt, die bereits im Jahr 1998 eine Initiative startete, die zur "Framework Convention on Tobacco Control" (FCTC) geführt hat. Dabei handelt es sich um einen Staatsvertrag, der heute in 170 Ländern gültig ist. Anfang 2005 wurde das Abkommen nach der Ratifizierung auch für Deutschland verpflichtend. Zu den bereits umgesetzten Punkten, die aus dem FCTC resultieren, gehören beispielsweise:
§ Verbot der Bezeichnung von Tabakprodukten als "light" oder "leicht"
§ Anbringung von Warnhinweisen auf Tabakprodukten, die unter anderem 30 % der Frontseite der Produktpackung einnehmen müssen
Flankiert werden die genannten Maßnahmen weiterhin von Informationskampagnen des Bundes, internationalen Verbänden und auch durch das Engagement aus der Zivilbevölkerung.
Die Tabak-Lobby versucht unterdessen, diese und andere Ausführungen und Folgen der Bestimmungen abzumildern. Als Ziele dieser Arbeit können die Verhinderung des Werbeverbotes für Produkte der Tabakindustrie oder von Erhöhungen der Tabaksteuer gesehen werden. Als Interessenverband operierte hier bis 2007 der Verband der Cigarettenindustrie, der nach dem Austritt von Philip Morris allerdings aufgelöst und 2008 unter dem Namen Deutscher Zigarettenverband wieder neu gegründet wurde.
Preispolitik
Als wirksames Mittel gegen den Tabakkonsum hat sich die Preispolitik erwiesen, auf welche der Staat durch die Besteuerung einen großen Einfluss hat. In den Jahren von 2002 bis 2005 hat es in Deutschland fünf Anhebungen der Tabaksteuer gegeben, die zusammen mit der Mehrwertsteuer ungefähr drei Viertel des Kaufpreises ausmacht. Die Tabaksteuer setzt sich aus einem spezifischen und einem proportionalen Teil zusammen. Der spezifische Teil wird pro Menge berechnet. Bei Zigaretten beträgt er beispielsweise 8,27 Cent pro Stück. Der zweite, proportionale Teil beträgt bei Zigaretten aktuell 24,66 % des Einzelhandelspreises.
Die Anhebung der Mehrwertsteuer auf 19 % führte naturgemäß zu einer weiteren Preissteigerung. In diesem Zeitraum lässt sich auch ein starker Einbruch des Tabakkonsums feststellen.
Nichtraucherschutz
Auch hier hat die FCTC für Bewegung gesorgt. In Artikel 8 des Staatsvertrages verpflichten sich die Vertragsparteien, Nichtraucher besser gegen den Einfluss von Tabakrauch und damit vor den Risiken des Passivrauchens zu schützen.
In Deutschland geschieht dies zum Beispiel durch die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Demnach müssen Arbeitgeber dafür Sorge tragen, dass ihre Angestellten vor der gesundheitlichen Beeinträchtigung durch Rauch aus Tabakerzeugnissen geschützt werden. Die Gastronomie ist allerdings von dieser Regel ausgenommen. Die Bundesländer haben unterschiedliche Umsetzungsstrategien nach der Auslegung der Verordnung gewählt.
Die Zustimmung der deutschen Bevölkerung zu einem Rauchverbot auch in der Gastronomie ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Aktuell sind ungefähr 3 von 4 Bürgern dafür.