Er wollte mir helfen, dass die Leute glauben, ich bin ein Gewohnheitsraucher
33 Aber es war mir nicht recht, dass er gelogen hat. Ich war auf einmal ein braver Sohn und hatte einen Abscheu gegen die Lüge.
34 Ich versprach dem lieben Gott, dass ich keine Sünde nicht mehr tun wollte, wenn er mich wieder gesund werden lässt. Die Frau neben mir hat nicht gewusst, dass ich mich bessern will, und sie hat immer geschrien, wie lange sie den Gestank noch aushalten muss.
35 Da hat der Fritz den Hut aus meiner Hand genommen und hat ihn zum Fenster hinausgehalten und hat ihn ausgeleert. Es ist aber viel auf das Trittbrett gefallen, dass es geplatscht hat, und wie der Zug in der Station gehalten hat, ist der Expeditor hergelaufen und hat geschrien: «Wer ist die Sau gewesen? Herrgottsakrament, Konduktör, was ist das für ein Saustall?»
36 Alle Leute sind an die Fenster gestürzt und haben hingeschaut, wo das schmutzige Trittbrett gewesen ist.
37 Und der Kondukteur ist gekommen und hat es angeschaut und hat gebrüllt: «Wer war die Sau?»
38 Der große Herr sagte zu ihm: «Es ist der nämliche, der mit Bierflaschen schmeißt, und Sie haben es ihm erlaubt.»
Was ist das mit den Bierflaschen?» fragte der Expeditor.
40 «Sie sind ein gemeiner Mensch», sagte der Kondukteur, «wenn Sie sagen, dass ich es erlaubt habe, dass er mit die Bierflaschen schmeißt.»
41 «Was bin ich?» fragte der große Herr.
42 «Sie sind ein gemeiner Lügner», sagte der Kondukteur, «ich habe es nicht erlaubt.»
43 «Tun Sie nicht so schimpfen», sagte der Expeditor, «wir müssen es mit Ruhe abmachen.»
44 Alle Leute im Wagen haben durcheinander geschrien, dass wir solche Lausbuben sind und dass man uns arretieren muss. Am lautesten hat der Lehrer gebrüllt, und er hat immer gesagt, er ist selbst ein Schulmann. Ich habe nichts sagen können, weil mir so schlecht war, aber der Fritz hat für mich geredet, und er hat den Expeditor gefragt, ob man arretiert werden muss, wenn man auf einem Bahnhof eine giftige Wurst kriegt. Zuletzt hat der Expeditor gesagt, dass ich nicht arretiert werde, aber dass das Trittbrett gereinigt wird und ich muss es bezahlen. Es kostet eine Mark. Dann ist der Zug wieder gefahren, und ich habe immer den Kopf zum Fenster hinausgehalten, dass es mir besser wird.
In Endorf ist der Fritz ausgestiegen, und dann ist meine Station gekommen.
46 Meine Mutter und Ännchen waren auf dem Bahnhof und haben mich erwartet.
Es ist mir noch immer ein bisschen schlecht gewesen, und ich habe so Kopfweh gehabt.
48 Da war ich froh, dass es schon Nacht war, weil man nicht gesehen hat, wie ich blass bin. Meine Mutter hat mir einen Kuss gegeben und hat gleich gefragt: «Nach was riechst du, Ludwig?» Und Ännchen fragte: «Wo hast du deinen Hut, Ludwig?» Da habe ich gedacht, wie traurig sie sein möchten, wenn ich ihnen die Wahrheit sage, und ich habe gesagt, dass ich in Mühldorf eine giftige Wurst gegessen habe und dass ich froh bin, wenn ich einen Kamillentee kriege.
Wir sind heimgegangen, und die Lampe hat im Wohnzimmer gebrannt, und der Tisch war aufgedeckt.
50 Unsere alte Köchin Theres ist hergelaufen, und wie sie mich gesehen hat, da hat sie gerufen: «Jesus Maria, wie schaut unser Bub aus! Das kommt davon, weil Sie ihn so viel studieren lassen, Frau Oberförster.»
51 Meine Mutter sagte, dass ich etwas Unrechtes gegessen habe, und sie soll mir schnell einen Tee machen. Da ist die Theres geschwind in die Küche, und ich habe mich auf das Kanapee gesetzt.
52 Unser Bürschel ist immer an mich hinaufgesprungen und hat mich abschlecken gewollt. Und alle haben sich gefreut, dass ich da bin. Es ist mir ganz weich geworden, und wie mich meine liebe Mutter gefragt hat, ob ich brav gewesen bin, habe ich gesagt, ja, aber ich will noch viel braver werden.
Ich sagte, wie ich die giftige Wurst drunten hatte, ist mir eingefallen, dass ich vielleicht sterben muss und dass die Leute meinen, es ist nicht schade darum. Da habe ich mir vorgenommen, dass ich jetzt anders werde und alles tue, was meiner Mutter Freude macht und viel lerne und nie keine Strafe mehr heimbringe, dass sie alle auf mich stolz sind.
54 Ännchen schaute mich an und sagte: «Du hast gewiss ein furchtbar schlechtes Zeugnis heimgebracht, Ludwig?»
55 Aber meine Mutter hat es ihr verboten, dass sie mich ausspottet, und sie sagte: «Du sollst nicht so reden, Ännchen, wenn er doch krank war und sich vorgenommen hat, ein neues Leben zu beginnen. Er wird es schon halten und mir viele Freude machen.» Da habe ich weinen müssen, und die alte Theres hat es auch gehört, dass ich vor meinem Tod solche Vorsätze genommen habe. Sie hat furchtbar laut geweint und hat geschrien: «Es kommt von dem vielen Studieren, und sie machen unsern Buben noch kaputt.»
56 Meine Mutter hat sie getröstet, weil sie gar nicht mehr aufgehört hat.
57 Da bin ich ins Bett gegangen, und es war so schön, wie ich darin gelegen bin. Meine Mutter hat noch bei der Türe hereingeleuchtet und hat gesagt: «Erhole dich recht gut, Kind.» Ich bin noch lange aufgewesen und habe gedacht, wie ich jetzt brav sein werde.
Vielleicht kommen wir zum Besuch zu deiner Mutter.
Sie hat uns so dringend eingeladen, dass wir sie nicht beleidigen dürfen.
Den Besuch darf man nicht mehr hinausschieben.
Es ist kein Wunder.
Wir haben getan, als wenn es uns nichts angeht.
Das ist wahr.
Da haben wir es!
Mir ist ganz schwindlig geworden.
Mir ist alles gleich gewesen, weil mir so schlecht war.
Was ist das für ein Saustall?
Er hat sich vorgenommen, ein neues Leben zu beginnen.
Onkel Franz (Дядя Франц)
1 Da bekam meine Mutter einen Brief von Onkel Franz (получила письмо от дяди Франца: bekommen), welcher ein pensionierter Major war (который был отставным майором). Und sie sagte, dass sie recht froh ist, weil der Onkel schrieb, er will schon einen ordentlichen Menschen aus mir machen (порядочного человека; die Ordnung – порядок), und es kostet achtzig Mark im Monat (и это обойдется в 80 марок в месяц: der Monat). Dann musste ich in die Stadt, wo Onkel wohnte. Das war sehr traurig. Es war über vier Stiegen (на четвертом этаже: «через четыре лестницы»: die Stiege), und es waren lauter hohe Häuser herum (а вокруг были сплошь высокие дома) und kein Garten.
2 Ich durfte nie spielen, und es war überhaupt niemand da (и там вообще никого не было). Bloß der Onkel Franz und die Tante Anna, welche den ganzen Tag herumgingen und Acht gaben, dass nichts passierte (следили, чтобы ничего не случилось). Aber der Onkel war so streng zu mir (строг) und sagte immer, wenn er mich sah: «Warte nur, du Lausbub, ich krieg dich schon noch (попадешься ты мне еще, я тебе покажу еще).»
3 Vom Fenster aus konnte man auf die Straße hinunterspucken (плевать вниз), und es klatschte furchtbar (жутко, ужасно хлопало, шлепало), wenn es danebenging (если попадало рядом, мимо; daneben – возле). Aber wenn man die Leute traf (попадало в людей: treffen), schauten sie zornig herum und schimpften abscheulich (ужасно: «отвратительно»; der Abscheu – отвращение). Da habe ich oft gelacht, aber sonst war es gar nicht lustig (а в остальном, а в общем-то было вовсе не весело).
4 Der Professor konnte mich nicht leiden, weil er sagte, dass ich einen sehr schlechten Ruf mitgebracht hatte (плохую репутацию с собой принес: mitbringen).
5 Es war aber nicht wahr, denn das schlechte Zeugnis war bloß deswegen, weil ich der Frau Rektor ein Brausepulver in den Nachthafen getan hatte (заложил в ночной сосуд, в ночную посудину порошок для приготовления шипучки, лимонада: brausen – бушевать, бурлить, шуметь + das Pulver – порошок).
6 Das war aber schon lang (уже давно), und der Professor hätte mich nicht so schinden brauchen (ему не обязательно было так тянуть из меня жилы, так наказывать: schinden – сдирать шкуру; драть шкуру). Der Onkel Franz hat ihn gut gekannt (хорошо знал = был с ним хорошо, коротко знаком: kennen) und ist oft hingegangen zu ihm.
7 Dann haben sie ausgemacht (договорились), wie sie mich alle zwei erwischen können (поймать, застукать).
8 Wenn ich von der Schule heimkam, musste ich mich gleich wieder hinsetzen und die Aufgaben machen (задания: die Aufgabe; aufgeben – задавать, поручать).
9 Der Onkel schaute mir immer zu und sagte: «Machst du es wieder recht dumm (опять не справляешься, не можешь сделать толком)? Wart nur, du Lausbub, ich komm dir schon noch (доберусь еще до тебя).»
10 Einmal musste ich eine Arithmetikaufgabe machen. Die brachte ich nicht zusammen (не справлялся, никак не получалась), und da fragte ich den Onkel, weil er zu meiner Mutter gesagt hatte, dass er mir nachhelfen will (помогать /отстающему/). Und die Tante hat auch gesagt, dass der Onkel so gescheit ist (умный) und dass ich viel lernen kann bei ihm.
11 Deswegen habe ich ihn gebeten (попросил: bitten), dass er mir hilft, und er hat sie dann gelesen und gesagt: «Kannst du schon wieder nichts, du nichtsnutziger Lausbub (ни на что негодный; nutzen – быть полезнымнужным, /при/годиться)? Das ist doch ganz leicht (очень: «совсем» легко).»
12 Und dann hat er sich hingesetzt und hat es probiert. Es ging aber gar nicht schnell. Er rechnete den ganzen Nachmittag, und wie ich ihn fragte, ob er es noch nicht fertig hat, schimpfte er mich fürchterlich (ужасно) und war sehr grob.
13 Erst vor dem Essen brachte er mir die Rechnung und sagte: «Jetzt kannst du es abschreiben (списать, переписать); es war doch ganz leicht, aber ich habe noch etwas anderes tun müssen (мне пришлось еще кое-что другое сделать), du Dummkopf (дурак).»
14 Ich habe es abgeschrieben und dem Professor gegeben. Am Donnerstag kam die Aufgabe heraus (была роздана: «вышла наружу»), und ich meinte, dass ich einen Einser kriege (что получу единицу = пятерку). Es war aber wieder ein Vierer, und das ganze Blatt war rot (весь лист был красным /от исправлений/), und der Professor sagte: «So eine dumme Rechnung kann bloß ein Esel machen (такое глупое вычисление может только осел сделать: der Esel; rechnen – считать, вычислять).»
15 «Das war mein Onkel», sagte ich, «der hat es gemacht, und ich habe es bloß abgeschrieben.»
16 Die ganze Klasse hat gelacht, und der Professor wurde aber rot. «Du bist ein gemeiner Lügner», sagte er,»und du wirst noch im Zuchthaus enden (кончишь в тюрьме /строгого режима/; die Zucht – наказание).» Dann sperrte er mich zwei Stunden ein. Der Onkel wartete schon auf mich, weil er mich durchhaute (лупил), wenn ich eingesperrt war. Ich schrie aber gleich (сразу), dass er schuld ist (виноват), weil er die Rechnung so falsch gemacht hat, und dass der Professor gesagt hat, so was kann bloß ein Esel machen.
17 Da haute er mich erst recht durch (еще сильнее, вот уж действительно как следует), und dann ging er fort. Der Greither Heinrich, mein Freund, hat ihn gesehen, wie er auf der Straße mit dem Professor gegangen ist und wie sie immer stehen blieben und der Onkel recht eifrig geredet hat (горячо; eifrig – усердный, старательный; горячо, яростно; der Eifer – усердие, раж).
18 Am nächsten Tag hat mich der Professor aufgerufen (вызвал) und sagte: «Ich habe deine Rechnung noch einmal durchgelesen; sie ist ganz richtig (совершенно правильное), aber nach einer alten Methode (но по старому методу), welche es nicht mehr gibt. Es schadet dir aber nichts (но тебе не вредно), dass du eingesperrt warst, weil du es eigentlich immer verdienst (собственно, всегда заслуживаешь) und weil du beim Abschreiben Fehler gemacht hast (при переписывании допустил ошибки: der Fehler).»
19 Das haben sie miteinander ausgemacht (об этом они друг с другом договорились), denn der Onkel sagte gleich, wie ich heimkam: «Ich habe mit deinem Professor gesprochen. Die Rechnung war schon gut, aber du hast beim Abschreiben nicht aufgepasst (был невнимателен: aufpassen – проследить, быть начеку, внимательным), du Lausbub.»
20 Ich habe schon aufgepasst, es war nur ganz falsch.
21 Aber meine Mutter schrieb mir, dass ihr der Onkel geschrieben hat, dass er mir nicht mehr nachhelfen kann, weil ich die einfachsten Rechnungen (простейшие вычисления) nicht abschreiben kann und weil er dadurch in Verlegenheit kommt (а он из-за этого: «через это» попадает в неловкое положение).
22 Das ist ein gemeiner Mensch (низкий, подлый).
Onkel Franz
1 Da bekam meine Mutter einen Brief von Onkel Franz, welcher ein pensionierter Major war. Und sie sagte, dass sie recht froh ist, weil der Onkel schrieb, er will schon einen ordentlichen Menschen aus mir machen, und es kostet achtzig Mark im Monat. Dann musste ich in die Stadt, wo Onkel wohnte. Das war sehr traurig. Es war über vier Stiegen, und es waren lauter hohe Häuser herum und kein Garten.
2 Ich durfte nie spielen, und es war überhaupt niemand da. Bloß der Onkel Franz und die Tante Anna, welche den ganzen Tag herumgingen und Acht gaben, dass nichts passierte. Aber der Onkel war so streng zu mir und sagte immer, wenn er mich sah: «Warte nur, du Lausbub, ich krieg dich schon noch.»
3 Vom Fenster aus konnte man auf die Straße hinunterspucken, und es klatschte furchtbar, wenn es danebenging. Aber wenn man die Leute traf, schauten sie zornig herum und schimpften abscheulich. Da habe ich oft gelacht, aber sonst war es gar nicht lustig.