Wie Gunther, Hagen und Kriemhild erschlagen wurden

Da suchte sich Herr Dietrich selber sein Gewand;

Ihm half, dass er sich waffnete, der alte Hildebrand.

Da klagte so gewaltig der kraftvolle Mann,

Dass von seiner Stimme das Haus zu schüttern begann. (2393)

Doch gewann er wieder den rechten Heldenmut.

Gewaffnet ward im Grimme bald der Degen gut;

Seinen Schild den festen nahm er an die Hand:

Sie gingen bald von dannen, er und Meister Hildebrand. (2394)

Da sprach von Tronje Hagen: “Dort seh ich zu uns gehn

Dietrich den Herren; der will uns wohl bestehn

Nach dem großen Leide, das wir ihm angetan.

Nun soll man heute schauen, wen man den Besten nennen kann. (2395)

Und dünkt sich denn von Berne der Degen Dieterich

Gar so starkes Leibes und so fürchterlich,

Und will ers an uns rächen was ihm ist geschehn,”

Also sprach Hagen, “ich bin wohl Mann ihn zu bestehn.” (2396)

Die Rede hörte Dietrich und Meister Hildebrand.

Er kam wo er die Recken beide stehen fand

Außen vor dem Hause, gelehnt an den Saal:

Sein Schild den guten setzte Dietrich zu Tal. (2397)

Im leidvollen Sorgen hub da Dietrich an:

“Gunther, reicher König, wie habt ihr so getan

An mir Heimatlosem? Was tat ich euch wohl je,

Dass alles meines Trostes ich nun verwaiset mich seh? (2398)

Ihr fandet nicht Genüge an der großen Not

Als ihr uns Rüdigeren, den Helden, schluget tot:

Nun raubtet ihr mir alle, die mir sind untertan.

Wohl hätt ich solchen Leides euch Degen nimmer getan. (2399)

Gedenket an euch selber und an euer Leid,

Eurer Freunde Sterben und all die Not im Streit,

Ob es euch guten Recken nicht betrübt den Mut;

O weh, wie so wehe mir der Tod Rüdgers tut. (2400)

Solch Leid geschah auf Erden niemanden je.

Ihr gedachtet wenig an mein und euer Weh.

Miene Freuden alle liegen von euch erschlagen;

Wohl kann ich meine Freunde nimmermehr genug beklagen.” (2401)

“Wir sind wohl nicht so schuldig,” sprach Hagen dagegen.

“Zu diesem Hause kamen alle eure Degen

Mit großem Fleiß gewaffnet in einer breiten Schar;

Man hat euch wohl die Märe nicht so gesagt, wie sie war.” (2402)

“Was soll ich anders glauben? Mir sagt Hildebrand:

Euch baten meine Recken vom Amelungenland,

Ihr solltet ihnen Rüdgern geben aus dem Saal;

Da botet ihr Gespötte nur meinen Recken her zu Tal.” (2403)

Da sprach der Vogt vom Rheine: “Sie wollten Rüdgern tragen.

Sagten sie, von hinnen: Das ließ ich da versagen,

Etzeln zum Trotze, nicht aber deinem Bann,

Bis Wolfhart der Degen darob zu schelten begann.” (2404)

Da sprach der Held von Berne: “Es muss nun also sein:

Gunther, edler König, bei aller Tugend dein,

Vergilt mir nun das Herzeleid, das mir von dir geschehn.

Versühn es, kühner Ritter, so lass ichs ungerochen gehn. (2405)

“Ergibt dich mir zum Geisel mit Hagen deinem Mann;

So will ich dich beschützen so gut ich immer kann,

Dass dir bei den Heunen hier niemand Leides tut:

Du sollst an mir erfahren, dass ich getreu bin und gut.” (2406)

“Das verhüte Gott vom Himmel,” sprach Hagen dagegen,

“Dass sich dir ergeben sollten zwei Degen,

Die noch in Waffenwehre dir entgegen stehn,

Und denen es leicht wäre ihren Feinden zu entgehn.” (2407)

“Ihr sollt es nicht verweigern,” sprach da Dieterich,

“Gunther und Hagen, ihr habt so bitterlich

Beide mir betrübet das Herz und auch den Mut,

Wollt ihr mir das vergüten, dass ihr es billiglich tut. (2408)

“Ich geb euch meine Treue und reich euch meine Hand,

Dass ich mit euch reiten will heim in euer Land:

Ich geleit euch wohl nach Ehren, ich stürbe denn den Tod,

Und will um euch vergessen all meiner schmerzhaften Not.” (2409)

“Steht ab von dem Begehren,” sprach wieder Hagen;

“Es würd uns wenig ehren, wär von uns zu sagen,

Dass zwei so kühne Degen sich ergeben eurer Hand:

Sieht man bei euch doch niemand als alleine Hildebrand.” (2410)

Da sprach Meister Hildebrand: “Gott weiß Herr Hagen,

Der Frieden, den Herr Dietrich euch hat angetragen,

Es kommt noch an die Stunde, dass ihr ihn nähmet gern:

Nun lässt euch wohlbehagen diese Sühne meines Herrn.” (2411)

“Auch nähm ich eh den Frieden,” sprach Hagen dagegen,

“Eh ich mit Schimpf und Schande so vor einem Degen

Entliefe, Meister Hildebrand, als ihr habt hier getan:

Ich wähnte doch, ihr stündet vor Feinden besser euern Mann.” (2412)

Zur Antwort gab ihm Hildebrand: “Was verweiset ihr mir das?”

Wer wars der auf dem Schilde vor dem Wasgensteine saß,

Als ihm von Spanien Walther so viel der Freunde schlug?

Wohl habt ihr an euch selber noch zu rügen genug.” (2413)

Da sprach der Degen Dietrich: “Wie ziemt solchen Degen

Sich mit Worten schelten wie alte Weiber pflegen?

Ich verbiet es, Meister Hildebrand, sprecht hier nicht mehr:

Mich heimatlosen Recken zwingt große Beschwer. (2414)

“Lasst hören, Recke Hagen,” sprach da Dietrich,

“Was sprachet ihr zusammen, ihr Helden tugendlich,

Als ihr mich gewaffnet sahet zu euch gehn?

Ihr sagtet, ihr alleine wolltet mich im Streit bestehn.” (2415)

“Das wird euch niemand leugnen,” sprach Hagen der Degen,

“Wohl will ichs hier versuchen mit Kraftvollen Schlägen,

Es sei denn mir zerbreche das Nibelungenschwert:

Mich entrüstet, dass zu Geiseln ihr uns beide habt begehrt.” (2416)

Als da Dietrich hörte Hagens grimmen Mut,

Den Schild behende zuckte der schnelle Degen gut.

Wie rasch ihm von der Stiege entgegen Hagen sprang!

Niblungens Schwert das gute auf Dietrichen laut erklang. (2417)

Da wusste wohl Herr Dietrich, das der kühne Mann

Grimmen Mutes fechte; zu schirmen sich begann

Der Degen von Berne vor fürchterlichen Schlägen.

Wohl erkannt er Hagen, diesen zierlichen Degen. (2418)

Auch scheut' er Balmungen, eine Waffe stark genug;

Nur unterweilen Dietrich mit Kunst entgegenschlug,

bis er von Tronje Hagen im Streite doch bezwang:

Er schlug ihm eine Wunde, die war tief und auch lang. (2419)

Da gedachte Dietrich: “Dich schwächte lange Not;

Mir brächt es wenig Ehre, gäb ich dir hier den Tod.

So will ich nur versuchen, ob ich dich zwingen kann

Als Geisel mir zu folgen.” Das ward mit Sorgen getan. (2420)

Den Schild ließ er fallen: Seine Stärke, die war groß;

Hagen von Tronje mit den Armen er umschloss.

So wurde da bezwungen von ihm der kühne Mann.

Gunther der Edle darob zu trauern begann. (2421)

Hagnen band da Dietrich und führt' ihn wo er fand

Die edle Königstochter und gab in ihrer Hand

Den allerkühnsten Recken, der je die Waffen trug:

Nach ihrem starken Leide ward sie da fröhlich genug. (2422)

Da neigte sich dem Degen vor Freuden Etzels Weib:

“Nun sei dir immer selig das Herz und auch der Leib;

Du hast mir wohl vergütet alle meine Not:

Ich will dirs immer danken, es verhüt es denn der Tod.” (2423)

Da sprach der Degen Dietrich: “Nun lasset ihn am Leben,

Edle Königstochter: Es mag sich wohl begeben,

Dass euch sein Dienst vergütet das Leid das er euch tat.

Er soll es nicht entgelten, dass ihr ihn gebunden saht.” (2424)

Da ließ sie Hagen führen in ein Haftgemach,

Wo niemand ihn erschaute und er verschlossen lag.

Gunter der edle König hub da zu rufen an:

“Wo blieb der Held von Berne? Er hat mir Leides getan.” (2425)

Da ging ihm entgegen der Herre Dieterich.

Gunthers Kräfte waren stark und ritterlich;

Er versäumte sich nicht länger, er rannte vor den Saal:

Von ihrer beider Schwertern erhob sich mächtiger Schall. (2426)

So viel des Lobs sich Dietrich erwarb seit Jahren her,

In seinem Zorne tobte Gunther allzusehr.

Er war nach seinem Leide von Herzen Feind dem Mann:

Ein Wunder musst es heißen, dass da Herr Dietrich entrann. (2427)

Sie waren alle beide so stark und mutesvoll,

Dass von ihren Schlägen Pallas und Turm erscholl,

als sie mit Schwertern hieben auf die Helme gut:

Da zeigte König Gunther einen herrlichen Mut. (2428)

Doch zwang ihn der von Berne, wie Hagen erst geschah.

Das Blut man aus dem Panzer dem Helden fließen sah

Von einem scharfen Schwerte; das trug Herr Dieterich;

Doch wehrte sich Herr Gunther, so müd er war, ritterlich. (2429)

Der König war gebunden von Dietrichens Hand,

Wie nimmer Könge sollten leiden solch ein Band.

Er dachte, ließ er ledig Gunthern und seinen Mann,

Wem sie begegnen möchten, der müsste den Tod empfahn. (2430)

Dietrich von Berne nahm ihn bei der Hand,

Er führt' ihn hin gebunden, wo er Kriemhilden fand.

Sie sprach: “Willkommen, Gunther, ein Degen auserkannt.” —

“Nun lohn euch Gott, Kriemhilde, wenn hierzu euch Treue mahnt.” (2431)

Er sprach: “Ich müsst euch danken, viel liebe Schwester mein,

Wenn euer Gruß in Gnade geschehen könnte sein;

Ich weiß euch aber, Königin, so zornig von Mut,

Dass ihr mir und Hagen solchen Gruß im Spotte tut.” (2432)

Da sprach der Held von Berne: “Viel edles Königsweib,

Man brachte nie als Geiseln so guter Ritter Leib

Als ich, hehre Fraue, hier bring in eure Hut;

Nun komme meine Freundschaft den Heimatlosen zu Gut.” (2433)

Sie sprach, sie tät es gerne. Da ging Dieterich

Mit weinenden Augen von den Helden tugendlich.

Da rächte sich entsetzlich König Etzels Weib:

Den auserwählten Degen nahm sie Leben und Leib. (2434)

Sie ließ sie gesondert in Gefängnis legen,

Dass sich ihr Leben nicht wiedersahn die Degen,

Bis sie ihres Bruders Haupt vor Hagen trug:

Da ward Kriemhildens Rache an beiden grimmig genug. (2435)

Da ging die Königstochter hin wo sie Hagen sah;

Wie feindselig sprach sie zu dem Recken da:

“Wollt ihr mir wiedergeben was ihr mir habt genommen,

So mögt ihr wohl noch lebend heim zu den Burgonden kommen.” (2436)

Da sprach der grimme Hagen: “Die Bitt ist gar verloren,

Viel edle Königstochter. Den Eid hab ich geschworen,

Dass ich den Hort nicht zeige so lange noch am Leben

Meiner Herren einer: Drum wird er niemand gegeben.” (2437)

“Ich bring es an ein Ende,” sprach das edle Weib.

Ihrem Bruder nehmen ließ sie da Leben und Leib;

Man schlug das Haupt immer nieder: Bei den Haaren sie es trug

vor den Held von Tronje: Da gewann er Leid genug. (2438)

Als der Unmutvolle seines Herren Haupt ersah,

Wider Kriemhilde sprach der Recke da:

“Du hasts nach deinem Willen zu Ende nun gebracht,

Und es ist auch so ergangen wie ich mir hatte gedacht. (2439)

“Nun ist von Burgonden der edle König tot,

Geiselher der junge und auch Gernot.

Den Schatz weiß nun niemand als Gott und ich allein:

Der soll dir Teufelsweibe immer wohl verhohlen sein.” (2440)

Sie sprach: “So habt ihr üble Vergeltung mit gewährt;

So will ich doch behalten Siegfriedens Schwert.

Das trug mein holder Trauter, als ich zuletzt ihn sah,

An dem mir Herzensjammer vor allem Leide geschah.” (2441)

Sie zog es aus der Scheide, er konnt es nicht verwehren.

Da dachte sie dem Recken das Leben zu versehren:

Sie schwang es mit den Händen, das Haupt schlug sie ihm ab.

Das sah der König Etzel, dem es großen Kummer gab. (2442)

“Wehe!”, rief der König, “Wie ist hier gefällt

Von eines Weibes Händen der allerbeste Held,

Der je im Sturm gefochten und seinen Schildrand trug!

So Feind ich ihm gewesen, mir ist leid um ihn genug.” (2443)

Da sprach der alte Hildebrand: “Es kommt ihr nicht zu gut,

Dass sie ihn schlagen durfte; was man mir auch tut,

Ob er mich selber brachte in Angst und große Not,

Dennoch will ich rächen dieses kühnen Tronjers Tod.” (2444)

Hildebrand der alte zu Kriemhilden sprang,

Er schlug dem Königsweibe einen Schwertesschwang.

Wohl schmerzten solche Dienste von Hilbranden sie:

Was mocht ihr aber helfen dass sie so ängstlich schrie? (2445)

Die da sterben sollten lagen all umher;

Zu Stücken lag verhauen die Königstochter hehr.

Dieterich und Etzel huben zu weinen an

Und jämmerlich zu klagen manchen Freund und Untertan. (2446)

Da waren auch die Stolzesten erlegen vor dem Tod:

Die Leute hatten alle Jammer und Herzensnot.

Mit Leide war beendet des Königs Lustbarkeit,

Wie die Liebe Leiden stets am letzten Ende leiht. (2447)

Ich kann euch nicht bescheiden was seit her geschah

Als dass man Fraun und Ritter immer weinen sah,

Dazu die edeln Knechte, um lieber Freunde Tod.

Hie hat die Mär ein Ende: Das ist der Nibelungen Not. (2448)

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