Wie Kriemhilde bei den Heunen empfangen ward
Sie blieb zu Zeißenmauer bis an den vierten Tag,
Der Staub in den Straßen derweil nicht ruhig lag:
Aufstob er allenthalben wie im hellen Brand.
Da ritten Etzels Leute durch das Österreicherland. (1381)
Es war dem König Etzel gemeldet in der Zeit,
Dass ihm vor Gedanken schwand sein altes Leid,
Wie herrlich Kriemhilde zöge durch das Land.
Hin eilte der König wo er die Minnigliche fand. (1382)
Von verschiednen Sprachen sah man auf den Wegen
Vor König Etzeln reiten viel der kühnen Degen,
Von Christen und von Heiden manches weite Heer:
Als sie die Fraue fanden, sie zogen herrlich einher. (1383)
Von Reußen und von Griechen ritt da mancher Mann:
Der Pol' und der Wallache zog geschwind heran
Auf den guten Rossen, die sie kräftig ritten.
Da zeigte sich ein jeder in seinen heimischen Sitten. (1384)
Aus dem Land zu Kiew kam da mancher Mann
Und die wilden Peschenegen. Viele huben an
Und schossen nach den Vögeln, die in den Lüften flogen;
Mit Kräften sie die Pfeile nach des Bogens Wänden zogen. (1385)
Eine Stadt liegt an der Donau im Österreicherland,
Die ist geheißen Tulna. Da ward ihr erst bekannt
Manche fremde Sitte, die sie noch niemals sah.
Da empfingen sie viele, denen noch Leid von ihr geschah. (1386)
Es ritt dem König Etzel ein Ingesind voran,
Fröhlich und prächtig, höfisch und wohlgetan,
Vierundzwanzig Fürsten, die waren reich und hehr:
Ihre Königin zu schauen, sie begehrten sonst nichts mehr. (1387)
Ramung der Herzog aus Walachenland,
Mit siebenhundert Mannen kam er vor sie gerannt.
Gleich fliegenden Vögeln sah man sie alle fahren;
Da kam der Fürst Gibecke mit viel herrlichen Scharen. (1388)
Hornbog der schnelle ritt mit tausend Mann
Von des Königs Seite zu seiner Fraun heran.
Ein lauter Ruf erschallte nach des Landes Sitten.
Von den Heunenfürsten ward auch da herrlich geritten. (1389)
Da kam vom Dänenlande der kühne Hawart
Und Iring der schnelle, vor allem Falsch bewahrt;
Irnfried von Thüringen, ein waidlicher Mann:
Sie empfingen Kriemhilden, dass sie viel Ehre gewann, (1390)
Mit zwölfhundert Mannen, die zählte ihre Schar.
Da kam der Degen Blödel mit dreitausend gar,
König Etzels Bruder aus dem Heunenland;
Der kam im stolzen Zuge bis er die Königin fand. (1391)
Da kam der König Etzel und Herr Dietrich
Mit seinen Helden allen; da sah man ritterlich
Manchen edeln Degen bieder und auch gut.
Davon ward Kriemhilden gar wohl getröstet der Mut. (1392)
Da sprach zu der Königin der Degen Rüdiger:
“Frau, ich will empfangen hier den König hehr.
Wen ich euch küssen heiße, dem gönnet Gruß und Kuss:
Ihr könnt Etzels Recken nicht all empfahn mit gleichen Gruß.” (1393)
Da hob man von der Mähre die Königstochter hehr.
Etzel der reiche, nicht säumt er länger mehr:
Er schwang sich von dem Rosse noch mit manchem Mann;
Da kam er voll Freude zu Frau Kriemhilden heran. (1394)
Zwei gewaltge Fürsten, das ist uns wohlbekannt,
Gingen bei der Frauen und trugen reich Gewand,
Als der König Etzel ihr entgegen ging
Und sie den edeln Fürsten mit Küssen gütlich empfing. (1395)
Sie schob hinauf die Binden: Ihre Farbe wohlgetan
Erglänzte aus dem Golde. Da sagte mancher Mann,
Helke könne schöner nicht gewesen sein.
Dabei stand in der Nähe Etzels Bruder Blödelein. (1396)
Den riet ihr zu küssen Rüdger der Markgraf reich,
Und den König Gibecke, Dietrichen auch zugleich.
Zwölf der Recken küsste Etzels Königin;
Da blickte sie mit Grüßen noch zu manchem Ritter hin. (1397)
Während König Etzel bei Kriemhilden stand
Taten junge Degen wie Sitte noch im Land:
Schöne Waffenspiele wurden vor ihr geritten;
Das taten Christenhelden und Heiden nach ihren Sitten. (1398)
Wie ritterlich die Degen in Dietrichens Lehn
Die splitternden Schäfte in die Lüfte ließen gehn
Hoch über die Schilde, aus guter Ritter Hand!
Vor den deutschen Gästen brach da mancher Schildesrand. (1399)
Von der Schäfte Brechen vernahm man lauten Schall.
Da waren aus dem Lande die Recken kommen all
Und auch des Königs Gäste, so mancher edle Mann.
Da ging der reiche König mit Frau Kriemhilden hindann. (1400)
Sie fanden in der Nähe ein herrliches Gezelt;
Von Hütten war erfüllet rings das ganze Feld:
Da war nach den Beschwerden Rast für sie bereit.
Darunter sahn die Helden viel manche herrliche Maid (1401)
Bei des Königs Weibe, als sie darnieder saß
Auf reichem Stuhlgewande; der Markgraf hatte das
So herrlich schaffen lassen, sie fanden schön und gut
Das Gestühl Kriemhildens: Des freute sich Etzels Mut. (1402)
Was da Etzel redete, das ist mir unbekannt:
In seiner Rechten ruhte ihre weiße Hand.
So saßen sie in Minne, als Rüdiger der Degen
Dem König nicht gestattete Kriemhildens heimlich zu pflegen. (1403)
Da ließ man unterbleiben das Kampfspiel überall;
Mit Ehren ward beendet der laute Freudenschall.
Da gingen zu den Hütten die in Etzels Bann;
Herberge wies man ihnen ringsum allenthalben an. (1404)
Der Tag war zu Ende, sie fanden Ruhe da
Bis man den lichten Morgen von neuem scheinen sah.
Da eilte zu den Rossen wieder mancher Mann:
Hei! Was man Kurzweile zu des Königs Ehren begann! (1405)
Nach Würden es zu schaffen der Fürst die Heunen bat.
Da ritten sie von Tulne nach Wien in die Stadt.
Da fand man hold gezieret mancher Frauen Leib;
Sie empfingen wohl mit Ehren des Königes Etzel Weib. (1406)
In Überfluss und Fülle war da für sie bereit
Was jeder haben sollte: Viel Degen allbereit
Sahn froh dem Fest entgegen. Herbergen wies man an;
Die Hochzeit des Königs mit hohen Freuden begann. (1407)
Man konnte sie nicht alle herbergen in der Stadt:
Die nicht Gäste waren, Rüdiger die bat
Dass sie Herberge nähmen auf dem Land:
Wohl weiß ich, dass man immer den König bei Kriemhilden fand. (1408)
Dieterich der Degen und mancher andre Held,
Die hatten ihre Muße mit Arbeit eingestellt,
Damit sie ihren Gästen trösteten den Mut;
Rüdger und seine Freunde hatten Kurzweile gut. (1409)
Die Hochzeit war gefallen auf einen Pfingstentag,
Wo der König Etzel bei Kriemhilden lag
In der Stadt zu Wiene. Fürwahr, so manchen Mann
Bei ihrem ersten Manne sie nicht zu Diensten gewann. (1410)
Durch Gabe ward sie manchem, der sie nicht kannte, kund.
Darüber zu den Gästen hub mancher an zur Stund:
“Wir wähnten Kriemhilden benommen sei ihr Gut,
Die doch mit ihren Gaben hier so große Wunder tut.” (1411)
Diese Hochzeit währte siebzehn Tage.
Wohl weiß ich, dass man nimmer von einem König sage,
Der solch ein Fest gehalten: Uns ist es unbekannt.
Alle die da waren, die trugen neues Gewand. (1412)
Sie sah sich nie bedienet vordem im Niederland
Von so manchem Degen; auch ist mir wohlbekannt,
War Siegfried reich an Gute, dass er doch nie gewann
So viel der edeln Recken, als Etzeln waren untertan. (1413)
Auch hat wohl nie ein König bei seiner Hochzeit
So manchen reichen Mantel gegeben, tief und weit,
Noch so gute Kleider als man hier gewann,
Die Kriemhildens willen alle wurden vertan. (1414)
Ihre Freunde wie die Gäste hatten einen Mut:
Sie wollten nichts verschonen und wärs das beste Gut.
Was einer wünschen mochte, man war dazu bereit;
Da stand wohl mancher Degen vor Milde bloß und ohne Kleid. (1415)
Wenn sie daran gedachte, wie sie am Rheine saß
Bei ihrem edeln Manne, ihre Augen wurden nass;
Doch musste sie's verhehlen, dass es niemand sah,
Da ihr nach manchem Leide so viel der Ehre geschah. (1416)
Was einer tat aus Milde, das war doch gar ein Wind
Gegen Dietrichen; was Botlungens Kind
Ihm gegeben hatte, das wurde gar verwandt;
Da tat auch große Wunder des milden Rüdiger Hand. (1417)
Auch aus Ungerlande der Degen Blödelein
Ließ da ledig machen manchen Reiseschrein
Von Silber und von Golde: Das ward dahin gegeben.
Man sah des Königs Helden so recht fröhlich alle leben. (1418)
Des Königs Spielleute Werbel und Schwemmelein,
Wohl an tausend Marken nahm jedweder ein
Bei dem Hofgelage (oder mehr als das),
Als die schöne Kriemhild bei Etzeln unter Krone saß. (1419)
Am achtzehnten Morgen sie von Wiene ritten:
In Ritterspielen wurden der Schilde viel verschnitten
Von Speeren, so da führten die Recken an der Hand:
So kam der König Etzel bis in das heunische Land. (1420)
In der alten Heimburg verblieb man über Nacht.
Da konnte niemand wissen von des Volkes Macht,
Mit welchen Heerkräften sie zogen durch das Land.
Hei! Was schöner Frauen man in seiner Heimat fand! (1421)
In Misenburg der reichen fing man zu schiffen an.
Verdeckt ward das Wasser von Ross und auch von Mann
Als ob es Erde wäre, was man doch fließen sah:
Die wegemüden Frauen fanden gute Ruhe da. (1422)
Zusammen ward gebunden manches Schifflein gut,
Dass ihnen wenig schadete die Woge noch die Flut;
Darüber ausgebreitet manch köstliches Gezelt,
Als ob sie noch immer beides hätten, Land und Feld. (1423)
Es ward in Etzels Hofburg die Märe kundgetan:
Da freute sich darinnen beides, Weib und Mann.
Eztels Ingesinde, des einst Frau Helke pflag,
Erlebte bei Kriemhilden noch manchen fröhlichen Tag. (1424)
Da stand auch ihrer harrend manche edel Maid,
Die seit Helkens Tode getragen Herzeleid.
Sieben Königstöchter Kriemhilde noch da fand;
Durch die so ward gezieret König Etzels ganzes Land. (1425)
Herrat die Jungfrau noch des Gesindes pflag,
Helkens Schwestertochter, in der viel Tugend lag,
Dieterichs Verlobte, eines edeln Königs Spross,
Die Tochter Nentweinens, die noch viel Ehren genoss. (1426)
Auf der Gäste Kommen freute sich ihr Mut;
Auch ward dazu verwendet viel kostbares Gut.
Wer könnt euch des bescheiden, wie der König saß forthin?
Es lebten nie die Heunen so gut bei einer Königin. (1427)
Als der Fürst mit seinem Weibe geritten kam vom Strand,
Wer eine jede führe, das ward da wohl benannt
Der edeln Kriemhilde: Sie grüßte desto mehr:
Wie saß an Helkens Stelle sie so gewaltig und hehr! (1428)
Getreulichen Dienstes ward ihr viel bekannt.
Die Königin verteilte Gold und auch Gewand,
Silber und Gesteine: Was sie des überrhein
Zum Heunenlande brachte, das musste gar vergeben sein. (1429)
Auch wurden ihr mit Diensten später untertan
All des Königs Freunde und die in seinem Bann,
Dass nie die Königin Helke so gewaltiglich gebot,
Als sie ihr dienen mussten bis an Kriemhildens Tod. (1430)
Da stand in solchen Ehren der Hof und auch das Land,
Dass man zu allen Zeiten die Kurzweile fand,
Wonach einem jeden verlangte Herz und Mut:
Das schuf des Königs Liebe, das schuf der Königin Gut. (1431)
Abenteuer
Wie Kriemhilde ihr Leid zu rächen gedachte
Unter hohen Ehren, das ist alles wahr,
Wohnten sie beisammen bis in das siebte Jahr.
Die Königin derweile gebar ein Söhnelein,
Worüber König Etzel nicht mochte fröhlicher sein. (1432)
Bis sie es erlangte ließ sie nicht ab davon,
Die Taufe musst empfangen König Etzels Sohn
Nach der Christen Sitte: Ortlieb ward er genannt.
Das brachte große Freude über Etzels ganzes Land. (1433)
Der Zucht, deren jemals zuvor Frau Helke pflag,
Befliss sich Kriemhilde darauf gar manchen Tag.
Es lehrte sie die Sitte Herrat die fremde Maid;
Dei trug noch in der Stille um Helke großes Herzeleid. (1434)
Vor Heimischen und Fremden war sie wohlbekannt;
Es hieß, so gut und milde hab eines Königs Land
Nie eine Frau besessen: Das hielten sie für wahr;
Des rühmten sie die Heunen bis an das dreizehnte Jahr. (1435)
Nun wusste sie, dass niemand ihr feindlich sei gesinnt,
Wie heut noch Königinnen der Fürsten Recken sind,
Und dass sie täglich mochte zwölf Könge vor sich sehn.
Sie vergaß auch nicht des Leides, das ihr zu Hause geschehn. (1436)
Sie gedacht auch noch der Ehren in Nibelungenland,
Die man ihr geboten und die ihr Hagens Hand
Mit Siegfriedens Tode für alle Zeit benommen,
Und ob ihm das wohl jemals noch zu Leide möchte kommen. (1437)
“Es geschäh, wenn ich den Degen brächt in dieses Land.”
Ihr träumte wohl, ihr ginge gar manchmal an der Hand
Geiselher ihr Bruder; sie küsst' ihn allezeit
In ihrem sanften Schlafe: Das ward zu schmerzlichem Leid. (1438)
Ich glaube dass Kriemhilden der böse Feind es riet,
Dass sie in guter Freundschaft von König Gunthern schied,
Den sie zur Sühne küsste in Burgondenland.
Aufs neu begann zu triefen von heißen Tränen ihr Gewand. (1439)
Es lag ihr an dem Herzen, beides, spät und früh,
Wie man mit Widerstreben sie doch gebracht dazu,
Dass sie minnen musste einen heidnischen Mann:
Die Not, die hatt ihr Hagen und König Gunther angetan. (1440)
Es schwand ihr aus dem Herzen selten dieser Mut.
Sie gedacht: “Ich bin so mächtig und habe solches Gut,
Ich mag wohl meinen Feinden noch schaffen Herzeleid:
Dazu wär ich dem Hagen von Tronje gerne bereit. (1441)
“Nach den Getreuen jammert noch oft die Seele mein:
Doch die mir Leides taten, möcht ich bei denen sein,
So würde wohl gerochen meines Freundes Leib!
Kaum kann ich es erwarten,” also sprach das Königsweib. (1442)
Hold waren ihr die Degen all in des Königs Bann,
Die Recken Kriemhildens; das war wohlgetan.
Ihr Kämmerer war Eckwart: Drum war er gern gesehn:
Kriemhildens Willen konnte niemand widerstehn. (1443)
Sie gedacht auch alle Tage: “Ich will den König bitten,
Er solle mir vergönnen mit gütlichen Sitten,
Dass man meine Freunde lädt in der Heunen Land.”
Den argen Willen niemand an der Königin erfand. (1444)
Als eines Nachts Kriemhilde bei dem König lag,
Umfangen mit den Armen hielt er sie, wie er pflag
Der edeln Frau zu kosen; sie war ihm wie sein Leib:
Da gedachte ihrer Feinde dieses waidliche Weib. (1445)
Sie sprach zu dem Könige: “Viel lieber Herre mein,
Ich wollt euch gerne bitten, möcht es mit Hulden sein,
Dass ihr mich sehen ließet, ob ich verdient den Sold,
Dass ihr auch meinen Freunden wäret inniglich hold.” (1446)
Da sprach der reiche König, arglos war sein Mut:
“Des sollt ihr inne werden: Was man den Recken tut
Liebes und Gutes, das nehm ich freudig an,
Da ich von Weibesminne nie bessre Freunde gewann.” (1447)
Da sprach die Königin wieder: “Euch ist das wohlbewusst,
Ich habe hohe Freunde, drum schmerzt mich der Verlust,
Dass mich die so selten besuchen hier im Land:
Ich bin bei allen Leuten nur als verwaiset bekannt.” (1448)
Da sprach der König Etzel: “Viel liebe Fraue mein,
Däucht es sie nicht zu ferne, so lüd ich überrhein
Die ihr wünscht zu sehen hieher in dieses Land.”
Da freute sich die Fraue, als ihr sein Wille ward bekannt. (1449)
Sie sprach: “Wollt ihr mir Treue leisten, Herre mein,
So sollt ihr Boten senden nach Wormes über Rhein:
So entbiet ich meinen Freunden meinen Sinn und Mut:
So kommen uns zu Lande viel Ritter edel und gut.” (1450)
Er sprach: “Wenn ihr gebietet, so lass ich es geschehn.
Ihr könntet eure Freunde nicht so gerne sehn,
Der edeln Ute Kinder, als ich sie sähe gern:
Es tut mir innig wehe, dass sie so fremd uns sind und fern. (1451)
“Wenn es dir wohl gefiele, viel liebe Fraue mein,
So wollt ich gerne senden zu den Freunden dein
Meine Fiedelspieler nach Burgondenland.”
Die guten Spielleute, die brachte man gleich zur Hand. (1452)
Sie kamen hin in Eile, wo sie den König sahn
Bei der Köngin sitzen. Da sagt' er ihnen an,
Sie sollten Boten werden nach Burgondenland.
Auch ließ er ihnen schaffen schönes, herrliches Gewand. (1453)
Vierundzwanzig Recken schuf man da das Kleid.
Ihnen ward auch von dem König gegeben der Bescheid,
Wie sie laden sollten Gunthern und seinen Bann.
Frau Kriemhild mit ihnen geheim zu sprechen begann. (1454)
Da sprach der reiche König: “Nun höret, was ihr tut:
Ich entbiete meinen Freunden alles was lieb und gut,
Und lade sie zu fahren hieher in dieses Land:
Ich habe wohl noch selten so liebe Gäste gekannt. (1455)
Und wenn sie meinen Willen gesonnen sind zu tun,
Kriemhilds Verwandte, so mögen sie nicht ruhn
Und diesen Sommer kommen zu meiner Lustbarkeit,
Da mir so hohe Wonne meiner Schwäger Freundschaft beut.” (1456)
Da sprach der Fiedelspieler, der stolze Schwemmelein:
“Wann soll das Hofgelage in diesen Landen sein?
Dass wirs euern Freunden am Rheine mögen sagen.”
Da sprach der König Etzel: “In der nächsten Sonnenwende Tagen.” (1457)
“Wir tun, was ihr gebietet,” sprach da Werbelein.
Kriemhilde ließ die Boten zu ihrem Kämmerlein
Führen in der Stille und besprach mit ihnen da,
Wodurch noch manchem Degen bald wenig Liebes geschah. (1458)
Sie sprach zu beiden Boten: “Nun verdient ihr großes Gut,
Wenn ihr mit rechter Treue meinen Willen tut
Und sagt was ich entbiete heim in unser Land:
Ich mach euch reich an Gute und geb euch herrlich Gewand. (1459)
“Wen ihr von meinen Freunden immer möget sehn,
Zu Wormes an dem Rheine, so sollt ihrs nie gestehn,
Dass ihr mich immer sahet betrübt in meinem Mut;
Und entbietet meine Grüße diesen Helden kühn und gut. (1460)
Bittet sie zu leisten was der König entbot,
Und mich dadurch zu scheiden von aller meiner Not.
Ich scheine vor den Heunen freundelos zu sein;
Wenn ich ein Ritter wäre, ich käme manchmal an den Rhein. (1461)
Und sagt auch Gernoten, dem edeln Bruder mein,
Dass ihm auf Erden niemand holder möge sein:
Bittet, dass er mir bringe hieher in dieses Land
Unsre besten Freunde: So wird uns Ehre bekannt. (1462)
Und sagt auch Geiselheren, ich mahn ihn daran,
Dass ich mit seinem Willen nie ein Leid gewann:
Drum sähn ihn hier im Lande gern die Augen mein;
Ich hätt ihn hier gar gerne um die große Treue sein. (1463)
Und sagt auch meiner Mutter, was mir für Ehr geschieht;
Und wenn von Tronje Hagen der Reise sich entzieht,
Wer ihnen zeigen solle die Straßen durch das Land?
Die Wege zu den Heunen sind ihm von Jugend auf bekannt.” (1464)
Es wunderte die Boten, warum das möge sein,
Dass sie diesen Hagen von Tronje nicht am Rhein
Weilen lassen sollten; bald ward es ihnen Leid:
Durch ihn war manchem Degen mit dem grimmen Tode gedräut. (1465)
Botenbrief und Siegel ward ihnen nun gegeben;
Sie fuhren reich an Gute und mochten herrlich leben.
Urlaub gab ihnen Etzel und sein schönes Weib,
Ihnen war auch wohl gezieret mit gutem Staate der Leib. (1466)
Abenteuer