Das Verfahren vor dem Gericht
Für das Verfahren vor dem Gericht gelten die Bestimmungen der Satzung des Gerichtshofes, insbesondere diejenigen des Anhangs, und seine am 1. November 2007 in Kraft getretene Verfahrensordnung.
Das Verfahren umfasst grundsätzlich einen schriftlichen und einen mündlichen Abschnitt.
Schriftliches Verfahren. Das Verfahren wird durch eine an die Kanzlei gerichtete Klageschrift eingeleitet, die von einem Rechtsanwalt erstellt sein muss, der berechtigt ist, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats aufzutreten. Der Kanzler stellt die Klageschrift der Gegenpartei zu. Diese verfügt über eine Frist von zwei Monaten für die Einreichung einer Klagebeantwortung. Das Gericht kann beschließen, dass ein zweiter Schriftsatzwechsel erforderlich ist. Jede Person, die ein Interesse am Ausgang eines beim Gericht anhängigen Rechtsstreits geltend machen kann, sowie die Organe der Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten können dem Verfahren als Streithelfer beitreten. Der Streithelfer reicht einen Schriftsatz ein, mit dem die Anträge einer Partei unterstützt oder bekämpft werden und auf den die Parteien anschließend antworten können. Der Streithelfer kann auch im mündlichen Verfahren Stellung nehmen.
Im Laufe des mündlichen Verfahrens findet gewöhnlich eine öffentliche Sitzung statt. In dieser Sitzung können die Richter den Vertretern der Parteien und gegebenenfalls den Parteien selbst Fragen stellen. Der Berichterstatter erstellt einen vorbereitenden Sitzungsbericht, der den wesentlichen Inhalt der Rechtssache umfasst und angibt, auf welche Punkte die Parteien ihre mündlichen Ausführungen konzentrieren sollen. Dieses Dokument wird der Öffentlichkeit in der Verfahrenssprache zugänglich gemacht.
Die Richter beraten auf der Grundlage des vom Berichterstatter erstellten Urteilsentwurfs. Das Urteil wird in öffentlicher Sitzung verkündet.
Das Verfahren vor dem Gericht ist kostenfrei. Das Gericht übernimmt aber nicht die Kosten des Rechtsanwalts, von dem sich die Parteien vertreten lassen müssen. Einer Partei, die außerstande ist, die Verfahrenskosten zu bestreiten, kann jedoch auf Antrag Prozesskostenhilfe bewilligt werden.
Die gütliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten. Das Gericht kann in jedem Stadium des Verfahrens, auch schon ab Einreichung der Klageschrift, versuchen, eine gütliche Beilegung der Rechtsstreitigkeiten zu erleichtern.
Vorläufiger Rechtsschutz. Eine Klage beim Gericht führt nicht dazu, dass die Durchführung der angefochtenen Handlung aufgeschoben wird. Das Gericht kann allerdings ihre Durchführung aussetzen oder sonstige einstweilige Anordnungen treffen. Der Präsident des Gerichts oder gegebenenfalls ein anderer Richter — als Richter im Verfahren der einstweiligen Anordnung — entscheidet über einen dahin gehenden Antrag durch Beschluss, der mit Gründen zu versehen ist.
Einstweilige Anordnungenwerden nur getroffen, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind:
1. Die Klage muss auf den ersten Blick begründet erscheinen;
2. Der Antragsteller muss die Dringlichkeit der Anordnungen nachweisen und darlegen, dass ihm ohne deren Erlass ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entstehen würde;
3. Die einstweiligen Anordnungen müssen einer Abwägung zwischen den Interessen der Parteien und dem Allgemeininteresse Rechnung tragen.
Institutionen der Europäischen Union und andere Organe
Die Europäische Union (EU) ist weder eine Föderation wie die Vereinigten Staaten von Amerika noch ein Organ für die Zusammenarbeit von Regierungen wie die Vereinten Nationen. Sie ist in der Tat einzigartig. Die Länder, aus denen die EU besteht (ihre „Mitgliedstaaten“), bleiben unabhängige, souveräne Nationen, bündeln aber ihre Hoheitsrechte, um eine Stärke und einen internationalen Einfluss zu erreichen, den keines von ihnen alleine hätte.
Das Bündeln der Hoheitsrechte bedeutet in der Praxis, dass die Mitgliedstaaten einen Teil ihrer Entscheidungsbefugnisse an die von ihnen geschaffenen europäischen Einrichtungen abgeben, damit Entscheidungen zu spezifischen Fragen von gemeinsamem Interesse auf europäischer Ebene demokratisch getroffen werden können.
Am Beschlussfassungsverfahren der EU im Allgemeinen und am Mitentscheidungsverfahren im Besonderen sind die drei wichtigsten Organe beteiligt:
- das Europäische Parlament (EP), das die europäischen Bürger vertritt und direkt von ihnen gewählt wird;
- der Rat der Europäischen Union, der die einzelnen Mitgliedstaaten vertritt;
- die Europäische Kommission, die die Interessen der EU insgesamt wahrt.
Dieses „institutionelle Dreieck“ erarbeitet die politischen Programme und Rechtsvorschriften, die in der gesamten EU gelten. Grundsätzlich schlägt die Kommission neue EU-Rechtsvorschriften vor, aber angenommen werden sie vom Parlament und vom Rat. Die Kommission und die Mitgliedstaaten setzen sie dann um, und ihre Durchsetzung ist Aufgabe der Kommission.
Zwei weitere Einrichtungen spielen eine wesentliche Rolle: der Gerichtshof sorgt für die Einhaltung des europäischen Rechts, und der Rechnungshof prüft die Finanzierung der Aktivitäten der Union.
Die Befugnisse und Zuständigkeiten dieser Organe sind in den Verträgen festgelegt, die die Grundlage für alle Aktivitäten der EU bilden. In ihnen sind ebenfalls die von den EU-Organen einzuhaltenden Regeln und Verfahren festgelegt. Die Verträge werden von den Staats- und Regierungschefs aller EU-Mitgliedstaaten abgeschlossen und von ihren Parlamenten ratifiziert.
Zusätzlich zu ihren Einrichtungen verfügt die EU über eine Reihe anderer Gremien, die besondere Aufgaben wahrnehmen:
Ø der Wirtschafts- und Sozialausschuss vertritt die Bürgergesellschaft sowie Arbeitgeber und Arbeitnehmer;
Ø der Ausschuss der Regionen vertritt die Gebietskörperschaften;
Ø die Europäische Investitionsbank finanziert Investitionsprojekte der EU und unterstützt Kleinunternehmen durch den Europäischen Investitionsfonds;
Ø die Europäische Zentralbank ist für die europäische Währungspolitik verantwortlich;
Ø der Europäische Bürgerbeauftragte untersucht Beschwerden der europäischen Bürger über Missstände bei den Einrichtungen und Organen der EU;
Ø der Europäische Datenschutzbeauftragte schützt die persönlichen Daten der Bürger;
Ø das Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht Informationen über die EU;
Ø das Europäische Amt für Personalauswahl rekrutiert die Bediensteten der EU-Einrichtungen und anderer Gremien.
Die Europäische Verwaltungsakademie hat den Auftrag, dem EU-Personal Fortbildungsmaßnahmen auf bestimmten Gebieten anzubieten.
Ferner wurden spezialisierte Agenturen eingerichtet, die sich mit bestimmten fachlichen, wissenschaftlichen oder administrativen Aufgaben befassen.