Die Stellung der Hauptglieder im Satz
§ 293.Im Aussagesatz stehen Subjekt und Prädikat (nämlich sein finiter Teil) als die Hauptbestandteile eines Satzes meist nebeneinander. Für das finite Verb ist die Zweitstellung kennzeichnend. Das Subjekt kann vor oder nach dem finiten Verb stehen. Nimmt das Subjekt die Anfangsstellung ein, so spricht man von der geraden Wortfolge.
Graeber blickte nach oben. Der Himmel war klar und ohne Wolken. (E. M. Remarque)
Nicht minder häufig steht das Subjekt unmittelbar nach dem finiten Verb; man bezeichnet diese Wortstellung als die invertierte (die Inversion). In diesem Falle nimmt irgendein Nebenglied (namentlich eine Adverbialbestimmung) oder das Formwort es die Anfangsstellung ein. Innerhalb eines Satzgefüges kann auch ein Nebensatz die Anfangsstellung einnehmen.
Dem Wagen voran schritten drei Trommler... (W. Bredel)
Blau hing die Dämmerung in den Ruinen. (E. M. Remarque)
Ganz in der Nähe der drei Herren knackte ein Schlüssel in einem Haustor, aber es erschien niemand. (H. Fallada)
Bedeutend seltener rückt das Subjekt näher dem Satzende zu oder kommt am Satzende zu stehen. Das geschieht meist zur Hervorhebung des Subjekts.
Dunkel ragte gegenüber die Silhouette der Schule aus dem weißen Dunst. (E. M. Remarque)
Unter der Leselampe erwartet ihn aufgeschlagen sein Plutarch. (H. Fallada)
Andern Tags wartete auf Charlotte Corday im Haus ihrer Tante ein Fremder, ein schlanker, aber durchaus nicht mehr junger Mensch in einem einfachen dunklen Rock. (W. Bredel)
Es donnert, zischt und schreit noch lauter die Stadt. (H. Fallada)
Nur für das Subjekt, das durch einen Infinitiv bzw. eine Infinitivgruppe ausgedrückt wird, auf welche das Korrelat es vorausweist, ist die Endstellung im Satz kennzeichnend.
„Es fängt schon an, dunkel zu werden.“ (Th. Mann)
Es war gut, Zigaretten zu haben. (E. M. Remarque)
Es war plötzlich schwer, wegzugehen, das Gespinst aus Zärtlichkeit, Entspannung, Stille und Erregung zu zerreißen... (E. M. Remarque)
§ 294.Für das finite Verb ist, wie bereits erwähnt, die Zweitstellung im Satz kennzeichnend.
Das Auto hielt auf dem Hof, der Chauffeur stand rauchend daneben. (H. Fallada)
Frau Kluge ist in ihre Küche zurückgekehrt. (H. Fallada)
Plötzlich wurde Marion von Unruhe und Angst erfaßt. (B. Kellermann)
Abweichungen von dieser Regel sind sehr selten. Sie kommen in der Poesie vor, in Werken, in denen Volkstümlichkeit angestrebt wird (Märchen, Parabeln), zuweilen in der Umgangssprache. Die Abweichungen können von zweierlei Art sein:
1. das finite Verb nimmt die Endstellung ein;
...Und keiner den Becher gewinnen will. (F. Schiller)
...Und alle die Männer umher und Frauen | Auf den herrlichen Jüngling verwundert schauen. (F. Schiller)
2. das finite Verb nimmt die Anfangsstellung ein. Dabei bleibt die trennbare Vorsilbe oft beim Verb stehen, sie wird nicht abgetrennt.
Sah ein Knab' ein Röslein stehn... (J. W. Goethe)
Aufflog die Tür, und herein stürmte ein kleiner, säbelbeiniger Greis... (H. Fallada)
Das finite Verb ist meist nur ein Teil des Prädikats. Der andere, der nichtkonjugierte Teil des Prädikats (oder der trennbare Teil des Verbs) steht im Satz an letzter Stelle. Das ganze Prädikat bildet somit einen verbalen Rahmen (Satzrahmen), der alle Satzglieder mit Ausnahme eines einzigen (das die Anfangsstellung innehat) faßt:
Er hatte mit gesenkter Stirn am Fenster gestanden. (H. Fallada)
Mittlerweile war es halb zehn Uhr geworden, nichts war mehr zu tun, man konnte allenfalls ins Bett gehen. (H. Fallada)
Die Verwundeten wurden in eine der Baracken gebracht. (E. M. Remarque)
Das ebene Land im Süden war von Wäldern und Äckern in viele Rechtecke zerschnitten. (B. Uhse)
Das Match fand am Sonntag, dem 25. Mai 1913, statt. (E. E. Kisch)
Einen Rahmen bilden meist auch die Teile eines Prädikats, das durch eine lexikalische Einheit ausgedrückt ist:
Wir nahmen an einem runden Tisch Platz. (E. E. Kisch)
...dann brachte sie etwas Neues aufs Tapet... (A. Seghers)
§ 295. Der nichtkonjugierte Teil des Prädikats kann seinerseits aus zwei und (selten) drei Teilen bestehen. Diese stehen immer nebeneinander und sind folgendermaßen geordnet:
1. im einfachen verbalen Prädikat steht das Hilfsverb nach dem Vollverb;
So war Petra wieder in ihre Zelle geführt worden... (H. Fallada)
„...und solch ein bildhübsches Mädel wie die Trudel dort wird bald einen neuen Freund gefunden haben.“ (H. Fallada)
2. im zusammengesetzten verbalen Prädikat steht am Ende die Verbalform, welche von dem finiten Verb abhängt;
„Sie hätte auf mich warten können“, sagte Bernhard leise und verlegen. (E. M. Remarque)
Der junge Mann hat zu pfeifen aufgehört... (H. Fallada)
„Mit dieser Verschwörung des Schweigens glaubtet ihr dies Verbrechen vergessen machen zu können?“ (W. Bredel)
3. das Prädikativ steht vor dem Infinitiv bzw. Partizip II des Verbs, das als Kopula auftritt;
In der vergangenen Nacht war er sehr krank gewesen. (H. Fallada)
Die Nacht war kalt geworden. (E. M. Remarque)
„Nun, er wird ruhiger werden...“ (H. Mann)
4. das Substantiv oder die präpositionale Wendung innerhalb einer lexikalischen Einheit steht meist vor dem Infinitiv bzw. Partizip II des Verbs.
Die beiden Herren hatten in dem verwüsteten Wohnzimmer Platz genommen... (H. Fallada)
Frau Kluge hatte keine Angst bekommen. (H. Fallada)
Er ist ein sehr alter Mann, er hätte sich gerne längst zur Ruhe gesetzt. (H. Fallada)
§ 296. Die Rahmenkonstruktion ist eine Eigentümlichkeit des deutschen Satzes. Sie trägt dazu bei, den Satz zu einem einheitlichen Ganzen zu gestalten. Es kommt jedoch nicht selten vor, daß der Rahmen nicht alle Satzglieder faßt, denn die beiden Teile des Rahmens dürfen nicht zu weit auseinander treten; irgendein Satzglied kommt daher oft außerhalb des Rahmens zu stehen. In manchen Fällen ist das zur Regel geworden, so bei den Infinitivgruppen (seltener beim Infinitiv ohne nähere Bestimmungen).
Seine Frau war hinunter zu Tielemanns gegangen, Milch holen... (W. Bredel)
Marion war von Herzen froh, nicht allein zu sein. (B. Kellermann)
§ 297.Außerhalb des Rahmens steht oft:
1. eine Adverbialbestimmung des Vergleichs;
Die Häuser waren abgebrannt wie trockene Späne. (E. M. Remarque)
Die Dämmerung drang nicht von außen ein wie an gewöhnlichen Abenden. (A. Seghers)
In keiner Stadt war er mehr gefährdet als hier... (A. Seghers)
2. ein Satzglied oder ein Korrelat, auf welches sich ein Nebensatz, meist ein Attributsatz, bezieht;
...des Grafen Adjutant... war mit seinen Gedanken fern jenen Befürchtungen, die dem Grafen Sorgen machten... (W. Bredel)
Ich muß Ihnen schreiben, liebe Lotte, hier in der Stube einer geringen Bauernherberge, in die ich vor einem schweren Wetter geflüchtet habe. (J. W. Goethe)
3. eine Anhäufung gleichartiger Satzglieder:
Am ändern Tage mußte Reinhard mit ihm hinaus; auf die Äcker, in die Weinberge, in den Hopfengarten, in die Spritfabrik. (Th. Storm)
Dann kam ein Päckchen mit feiner gestickter Wäsche zum Vorschein, Tücher und Manschetten, zuletzt Briefe von der Mutter und von Elisabeth. (Th. Storm)
...er war an den Auszug zur Feldarbeit nicht mehr gewohnt; an die Kinder und an die Kuhwirtschaft. (A. Seghers)
Neuerdings macht sich immer mehr die Tendenz geltend, Objekte und Adverbialbestimmungen, ausgedrückt durch präpositionale Wendungen, aus dem Rahmen herauszunehmen.
Sie händigte mir den Schlüssel ein mit der Blechnummer. (A. Seghers)
Aber einfach wird es nicht sein für den kleinen Hansl aus Deggenburg... (L. Feuchtwanger)
Nun war es gänzlich Nacht geworden über dem sommerlichen Garten. (W. Joho).
Graeber wurde verlegen unter ihrem Blick. (E. M. Remarque)
Eine Weile war es still im Zimmer. (H. Fallada)
Außerhalb des Rahmens stehen häufig abgesonderte Satzglieder. (Näheres darüber s. § 286 ff.)
Zu einer vollständigen Aufhebung der Rahmenkonstruktion kommt es, wenn der unflektierbare Teil des Prädikats die Anfangsstellung einnimmt. Dies kommt jedoch recht selten vor und ist ein stilistisches Mittel, das Prädikat mit besonderem Nachdruck hervorzuheben.
„Gekommen bin ich, weil ich noch einmal mit dir sprechen wollte“... (B. Uhse)
Launisch ist das Wetter im Harz das ganze Jahr über... (B. Uhse)
Absteigen wollte er im Hotel Kaiserhof... (L. Feuchtwanger)
§ 298. Die Stellung des Pronomens bzw. der Partikel sich.
Ist das Prädikat durch ein Verb mit sich ausgedrückt, so ist folgendes zu berücksichtigen:
1. bei der geraden Wortfolge steht sich unmittelbar nach dem finiten Verb;
Die vom Wenzelsplatz vertriebenen Demonstranten gruppierten sich immer wieder. (E. E. Kisch)
Wolfgang sah sich alles genau an. (B. Kellermann)
Ich freute mich, daß wir Einquartierung bekämen... (H. Heine)
„Ihr wundert euch vielleicht, daß ich euch mit diesen Worten anrede...“ (W. Bredel)
2. bei der invertierten Wortfolge steht sich nach dem Subjekt, wenn dieses ein Personalpronomen oder das unbestimmtpersönliche Pronomen man ist.
Nun richtete er sich am Schreibtisch auf... (B. Kellermann)
Nach einer Weile erinnerte ich mich an das Lachen, mit dem Hartinger auf mich zugekommen war. (J. R. Becher)
Drei Minuten später hat man sich im Salon und im Wohnzimmer gruppiert... (Th. Mann)
In den übrigen Fällen steht sich meist nach dem finiten Verb (wie bei der geraden Wortfolge).
Eine Weile blickten sich die beiden Greise wortlos an. (W. Bredel)
Da wandte sich Georg Wiegler... an Marie... (B. Uhse)
Aber auch:
...plötzlich färbte ihr zartes Gesicht sich mit einer matten Röte. (Th. Mann)
In den Infinitiv- und Partizipialgruppen, und meist auch im erweiterten Attribut, steht sich am Anfang der Wortgruppe, es bildet mit der Verbalform einen Rahmen.
Unsere drei Freunde werden angewiesen, sich auf die Bank zu setzen... (E. E. Kisch)
Mephistopheles, sich in dem Sessel dehnend und mit dem Wedel spielend, fährt fort zu sprechen. (J. W. Goethe)
Das sich aus diesen besitzlosen Massen eben erst als Stamm einer neuen Klasse absondernde Proletariat, noch ganz unfähig zu selbständiger politischer Aktion, stellte sich dar als unterdrückter, leidender Stand... (F. Engels)
§ 299. Die Stellung der Negation nicht in einem negativen Satz ist keine streng gebundene. Nicht steht immer nach dem finiten Verb und meist unmittelbar vor dem nichtkonjugierten Teil des Prädikats. Ist das Prädikat nur durch das finite Verb ausgedrückt, so nimmt nicht meist die Endstellung ein.
Die gelblichgraue Gardine bewegte sich nicht. (H. Fallada)
Er hat die Jacke vielleicht als seine nicht anerkannt. (A. Seghers)
Zuweilen steht die Negation nicht in einem negativen Satz vor einer präpositionalen Wendung, namentlich wenn diese als Adverbialbestimmung des Ortes auftritt:
Er meldete sich nicht bei Cayetana. (L. Feuchtwanger)
Wir gingen nicht zur Schule, überhaupt nicht auf die Straße. (E. E. Kisch)
..."Warum ist Fritz nicht mit dir gekommen?“ (A. Seghers)
...er schien ihr ganz und gar nicht zu ihrem Jungen zu passen. (W. Bredel)
(Über die Stellung der Negation nicht in bejahenden Sätzen s. § 232.)
§ 300. Die Stellung der Hauptglieder in Fragesätzen.Die Wortstellung der Hauptglieder in Fragesätzen hängt von der Art des Fragesatzes ab. In Entscheidungsfragen nimmt das finite Verb die Anfangsstellung ein. Das Subjekt steht meist gleich danach.
„Ist dies die erste Klasse?“ fragte sie immer wieder. (Th. Mann)
„Hast du keine Augen im Kopf, siehst du nicht, was los ist?“ ( B. Uhse)
In Ergänzungsfragen nimmt das finite Verb (wie im Aussagesatz) die Zweitstellung ein. Die Anfangsstellung gehört dem Fragewort, unabhängig von seiner syntaktischen Funktion. Ist das Fragewort nicht das Subjekt, sondern ein Nebenglied des Satzes, so steht das Subjekt nach dem finiten Verb.
„Wer kommt, wer ist bei der gnädigen Frau?“ fragte der Förster, vollkommen verwirrt. (H. Fallada)
„Was haben wir heute zum Essen?“ (H. Fallada)
„...Wann kommst du wieder, heute oder morgen?“ (A. Seghers)
„Wie lange ist Ihr Sohn schon ohne Arbeit?“ (E. E. Kisch)
Ist das Fragewort ein Attribut zu einem Substantiv, so nimmt es innerhalb der Substantivgruppe die erste Stelle ein. Das finite Verb behält die Zweitstellung bei, steht aber nicht gleich nach dem Fragewort, sondern nach der ganzen Wortgruppe.
„Und was wollen Sie jetzt anfangen, Gleichen?“ fragte er. „Welche Pläne haben Sie?“ (B. Kellermann)
Wieviel Einwohner besaß die Stadt? Welche Straßen führten von der Trave zur oberen Stadt hinauf? (Th. Mann)
§ 301. Die Stellung der Hauptglieder in Aufforderungssätzen. In Aufforderungssätzen mit dem Prädikat im Imperativ nimmt das finite Verb die Anfangsstellung ein.
„Komm, setze dich hier auf das Sofa, Mathilde.“ (H. Fallada)
„Macht Schluß!“ Erwin verstand die Worte, obwohl sie der Hauptmann nur knurrte. (A. Seghers)
Sind solche Aufforderungssätze zweigliedrig, so steht das Subjekt gleich nach dem finiten Verb:
„Machen Sie doch Platz! Stehen Sie doch nicht so breit da!“ (H. Fallada)
„Fahren wir also nach Haus, Studmann!“ sagte der Rittmeister ärgerlich. (H. Fallada)
Aufforderungssätze mit dem Prädikat im Präsens oder Futur I Indikativ haben die gleiche Wortfolge wie die Aussagesätze, sie unterscheiden sich von diesen nur durch den Satzton.
„Sie fahren nicht weiter!“ schrie er. „Sie tun es nicht! Sie fahren dort draußen und nicht auf dem Wege zum Friedhof, hören Sie mich?!“ — „Sie steigen ab, Sie steigen sofort ab!“ (Th. Mann)
„Ihr werdet euch jetzt hinlegen und zu schlafen versuchen, während Vater den alten Hinze holt“... (F. Erpenbeck)
In Aufforderungssätzen, die die Form von Nebensätzen haben, nimmt das finite Verb die Endstellung ein, das Subjekt kommt meist gleich nach der Konjunktion.
Friedrich ist mir auch recht lieb, aber daß du mir ja nicht den Reinhold verachtest. (E. T. A. Hoffmann)
„Daß es mir aber keine Streitereien mit der Mathilde gibt — !“ (H. Fallada)