Die gleichartigen Satzglieder
§ 284. Gleichartig nennt man solche Satzglieder, die in ein und derselben Beziehung zu ein und demselben Satzglied stehen und auf ein und dieselbe Frage antworten. Sie werden miteinander durch beiordnende Konjunktionen bzw. asyndetisch verbunden. Gleichartig können sowohl die Hauptais auch die Nebenglieder des Satzes sein.
Ein Satz (ein selbständiger Satz, auch ein Satz innerhalb der Satzreihe bzw. des Satzgefüges), der gleichartige Satzglieder enthält, heißt ein Satz mit gleichartigen Satzgliedern (ein mehrgliedriger Satz).
Vater, Mutter und Sohn saßen um den Tisch. (B. Uhse)
Herr Johann musterte noch einmal mit ängstlich besorgtem Blick Karlchens Frisur, Hände, Kleider, Schuhe. (B. Balazs)
Gleichartig sind:
1. zwei und mehr Subjekte bei einem gemeinsamen Prädikat;
Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigener, Zunftbürger und Gesell, kurz, Unterdrücker, und Unterdrückte standen in stetem Gegensatz zueinander... (K. Marx/F. Engels)
2. zwei und mehr Prädikate bei einem gemeinsamen Subjekt;
Der Alte erhob sich, trat an den Tisch, schnitt sich Brot und gab auch dem Jungen... (E. Claudius)
Er war begeisterter Soldat gewesen und hatte den Weltkrieg mit Auszeichnung mitgemacht. (B. Kellermann)
Bei mehreren gleichartigen verbalen bzw. nominalen Prädikaten wird das gleiche finite Verb (Hilfsverb, Kopula, Modalverb u. a.) meist nicht wiederholt.
Die Bourgeoisie hat dem Familienverhältnis seinen rührendsentimentalen Schleier abgerissen und es auf ein reines Geldverhältnis zurückgeführt. (K. Marx/F. Engels)
Becker sah Klemms Gesicht im Fahrspiegel. Es war gutmütig und immer noch jung. (A. Seghers)
Diese Orgel konnte mehr als ein Mensch, sie konnte flüstern, seufzen, schluchzen, schreien, wimmern, lachen, weinen, frohlocken, jubeln...“ (B. Kellermann)
Anmerkung. Die Sätze mit gleichartigen Prädikaten werden auch zusammengezogene Sätze genannt.
3. zwei und mehr Objekte, die in ein und derselben Beziehung zum Prädikat stehen;
Er rief seine Frau und ein paar Nachbarn... (A. Seghers) Man hörte weder das Knarren einer Türe noch einen Schritt. (B. Kellermann)
Sein Blick glitt zerstreut über die bunten Bücherreihen der Bibliothek, über den Stoß von Briefen und Zeitungen auf seinem Schreibtisch... (B. Kellermann)
Anmerkung. Die beiden Objekte des sogenannten doppelten Akkusativs stehen in verschiedenen Beziehungen zum Prädikat und sind daher nicht gleichartig.
Ich brauchte einen, der ein standhaftes Leben mich lehrte. (J. R. Becher)
4. zwei und mehr Attribute, die in ein und derselben Beziehung zu einem gemeinsamen Beziehungswort stehen. Sie lassen sich durch und sinnvoll verbinden. Gleichartig können sowohl kongruierende als auch nichtkongruierende Attribute sein;
Er ist so ein bescheidener und taktvoller Mensch... (A. Seghers)
Dem Chauffeur gefielen die braunen, kirschrunden und kirschblanken Augen des Dienstmädchens... (A. Seghers)
...die Renten für die Kriegsopfer, für die Alten, die Witwen und Waisen wurden brutal gekürzt. (O. M. Graf)
Anmerkung. Wenn eines der Attribute mit dem Beziehungswort einen Gesamtbegriff bildet, der durch ein anderes Attribut erläutert wird, so darf man nicht von gleichartigen Attributen sprechen. Es handelt sich in diesem Fall nicht um eine Aufzählung.
....und der Hirt, ein freundlich blonder junger Mensch, sagte mir: der große Berg, an dessen Fuß ich stände, sei der alte, weltberühmte Brocken. (H. Heine)
5. zwei und mehr prädikative Attribute bei einem gemeinsamen Subjekt bzw. Objekt;
Verschwommen steht sekundenkurz Bella vor ihm, mit ganz großen Augen und halboffenem Munde. (W. Bredel)
Frisch und in bester Laune betrat sie... die Veranda. (Th. Mann)
6. zwei und mehr Adverbialbestimmungen, die in ein und derselben Beziehung zum Prädikat stehen.
Nicht auf dem Platz von El Hel, aber in den Zimmern umher und in den Gängen waren die Schüsse gehört worden. (R. Leonhard)
„Sonntag nacht oder Montag früh bin ich zurück.“ (W. Pollatschek)
Der magere Herr Mutius... hatte mit Überzeugung und eindringlich geredet, jetzt wartete er auf die Gegensprecher. (A. Zweig)
Das erste Beispiel enthält gleichartige Adverbialbestimmungen des Ortes, das zweite Adverbialbestimmungen der Zeit, das dritte Adverbialbestimmungen der Art und Weise.
Wie bereits erwähnt, können die gleichartigen Satzglieder miteinander ohne Bindemittel (asyndetisch) oder durch beiordnende Konjunktionen verbunden werden.
Seine Zuhörer waren: das Hausmädchen, das kleine dickzöpfige Hilfsmädchen, die Köchin, der Mann der Köchin... (A. Seghers)
Er hielt Besprechungen in seinem Büro ab, diktierte Fräulein Zimmermann stundenlang Schriftsätze, nahm Termine wahr... (B. Kellermann)
Er tauschte mit ihm Gedanken, Zurufe, Essen, Bewegungen. (A. Seghers)
Bei syndetischer Verbindung werden dieselben Konjunktionen (außer denn) gebraucht wie bei der Beiordnung der Sätze (s. §§ 315–318).
Hermine kehrte nicht mehr zu Brentens zurück, sondern zog zu ihren Eltern. (W. Bredel)
Pauline hatte kein Wort erwidert, sich aber sehr gewundert. (W. Bredel)
Weder Küppers noch sein Wohnungsnachbar Henschke warteten auf das Entwarnungssignal. (B. Uhse)
Die Operation war schwer gewesen, jedoch gut verlaufen. (W. Bredel)
Dann schritt er mit Herrn Grünlich, der sich bald vor ihm, bald hinter ihm bewegte... (Th. Mann)
Kapitel VI
Schwankungsfälle bei der Bestimmung von Satzgliedern
§ 285.Es ist nicht immer leicht, die syntaktische Funktion eines Wortes oder einer Wortgruppe im Satz zu bestimmen. Es gibt Grenzfälle, die eine doppelte Deutung zulassen, denn einige Satzglieder berühren sich in ihrer Bedeutung und können dabei die gleiche Form haben. Hier seien folgende Fälle genannt:
1. das Subjekt und das Prädikativ, wenn beide durch Substantive oder eines davon durch einen Infinitiv (bzw. eine Infinitivgruppe) ausgedrückt werden;
Das Flugblatt war der erste menschliche Zuspruch, der je an ihn selbst ergangen war. (A. Seghers)
Und sein Schicksal war nun einmal, Knecht zu sein. (W. Bredel)
In solchen Sätzen hält man sich meist an die Wortfolge und betrachtet das Satzglied an der Spitze als Subjekt.
2. das präpositionale Objekt und die Adverbialbestimmung, ausgedrückt durch eine präpositionale Wendung;
„Und zu Deinem Bruder Matthias werde ich nicht gehen...“ (W. Bredel)
Pagel stand bleich und abgespannt vor dem grünlichen Garderobenspiegel... (H. Fallada)
„Es sind schlichte, aufrichtige und herzliche Menschen. Sie werden sich wohlfühlen unter ihnen.“ (B. Kellermann)
3. das nichtkongruierende Attribut und die Adverbialbestimmung des Ortes bzw. der Zeit, beide ausgedrückt durch präpositionale Wendungen oder Adverbien;
Er fühlte die Zigarrenkiste unter seinem Arm. (E. M. Remarque)
Graeber sah das verhärmte Gesicht der laufenden Frau unter dem Fenster. (E. M. Remarque)
Erst in zwei Stunden geht der Zug nach Prag. (E. E. Kisch)
Geschke... sah den Triebe! die luftige dunstige Straße durchqueren;... er sah ihn am Kaffeestand auf der eiskalten Straße beim letzten Aufmarsch im Winter zweiunddreißig. (A. Seghers)
4. das prädikative Attribut und die Adverbialbestimmung der Art und Weise;
Viktor musterte verstohlen seinen Vater, mit stummer Ironie in den Augen. (W. Bredel)
Fiedler schüttelte nur den Kopf mit sonderbarem Lächeln. (A. Seghers)
5. das Prädikat, ausgedrückt durch eine lexikalische Einheit, und das einfache verbale Prädikat + ein direktes Objekt.
Er... vernahm die Worte: „Haben Sie Lust, mich in den Garten zu begleiten...?“ (Th. Mann)
„Ich habe Angst“, sagte sie. (E. M. Remarque)
Kapitel VII
Die Absonderung
§ 286.Unter der Absonderung versteht man das Hervorheben eines Nebengliedes, das dabei seine grammatische Abhängigkeit vom Beziehungswort zum Teil einbüßt und an Selbständigkeit gewinnt. Ein Satz mit abgesonderten Satzgliedern wird durch einen anderen Satzton gekennzeichnet als ein einfacher erweiterter Satz; dieser Satzton kommt dem eines Satzgefüges nahe. Auch wird das abgesonderte Satzglied durch eine verstärkte Betonung hervorgehoben und durch längere Pausen von den übrigen Satzgliedern abgetrennt. Abgesondert werden nur die Nebenglieder. Am häufigsten werden Satzglieder abgesondert, die ihrerseits durch nähere Bestimmungen erweitert sind; das sind vor allem Infinitiv und Partizipialgruppen, die innerhalb des Satzes stets eine gewisse Selbständigkeit beibehalten und ihrem Bau nach viel Ähnlichkeit mit einem Satz aufweisen. Auch Nebenglieder ohne nähere Bestimmungen können abgesondert werden. Besonders häufig kommen abgesonderte Attribute und Adverbialbestimmungen vor, seltener Objekte.
§ 287. Das abgesonderte Attribut ist immer nachgestellt und wird ausgedrückt:
1. durch ein und mehrere Adjektive bzw. Partizipien, die ihre grammatische Abhängigkeit, die Kongruenz, meist einbüßen und in der Kurzform auftreten;
Mein Werk, gut oder schlecht, würde seinen historischen Platz in dieser Reihe und Überlieferung einnehmen... (Th. Mann)
Der Quangel ist so ein richtiger alter Arbeiter, ausgemergelt, ausgepumpt, der hat keinen eigenen Gedanken mehr im Kopf. (H. Fallada)
Bezeichnet das attributive Adjektiv die Zugehörigkeit zu einer Gattung, Sorte usw., so tritt das abgesonderte Attribut in der flektierbaren Form auf.
Der Vater kannte alle Pilzarten, eßbare und giftige. (J. R. Becher)
2. durch Partizipialgruppen und durch Adjektive mit näheren Bestimmungen;
Dort stand auf einer Staffelei das Bild der Mutter, umrahmt von einem grünen Vorhang. (J. R. Becher)
Hanno, bleich vor Erregung, hatte bei Tische fast nichts essen können... (Th. Mann)
Und die Sterne, groß wie Sonnen, | Schaun herab mit Sehnsuchtglut... (H. Heine)
Hans..., aus bester Familie stammend, wurde durch „eine erstklassige Erziehung“ dazu angehalten, sein Glück zu machen. (J. R. Becher)
3. durch Infinitivgruppen. Solche Attribute können nur abgesondert gebraucht werden;
In der bürgerlichen Gesellschaft ist die lebendige Arbeit nur ein Mittel, die aufgehäufte Arbeit zu vermehren. (K. Marx/F. Engels)
4. durch präpositionale Wendungen, meist Wortgruppen. Oft wird solch ein Attribut dem Beziehungswort nicht unmittelbar nachgestellt.
„Das ist meine Mutter, die Frau Jägerin!“ führte Mops mir seine Mutter entgegen, die noch ganz einem Mädchen glich, mit blonden, lang herunterhängenden Zöpfen. (J. R. Becher)
Alle Augengläser aber, im Parkett wie auf den Rängen, richteten sich auf Loge dreizehn, gleich rechts neben der Bühne... (Th. Mann)
§ 288. Die abgesonderte (lose) Apposition wird gleich dem abgesonderten Attribut stets nachgestellt. Zuweilen kann sie sich ihrer Stellung nach von dem Beziehungswort loslösen. Die lose Apposition wird durch ein Substantiv, meist mit näheren Bestimmungen, ausgedrückt.
Ein Gespenst geht um in Europa — das Gespenst des Kommunismus. (K. Marx/F. Engels)
Am Kopfende des Lagers stand eine gelbhäutige Alte, seine Mutter. (B. Brecht)
Hartinger, der weitaus Beste der Klasse, mußte in der Volksschule bleiben... (J. R. Becher)
Die abgesonderten Attribute und Appositionen beziehen sich meist auf ein Substantiv, zuweilen auch auf ein Pronomen.
Auch er, der Vater, war, wie er stolz versicherte, aus eigener Kraft höherer Staatsbeamter geworden. (J. R. Becher)
§ 289. Das prädikative Attribut wird oft abgesondert. Seine an sich schon freiere Wortstellung im Satz macht es dazu besonders geeignet. Das abgesonderte prädikative Attribut steht oft außerhalb des Rahmens. Es wird ausgedrückt:
1. durch mehrere Adjektive bzw. Partizipien in der Kurzform;
Sonntagabend kam Georg zurück, braun und lustig. (A. Seghers)
Gesichter kamen und gingen, bald verschwommen, bald überdeutlich. (A. Seghers)
2. durch die Wendung accusativus absolutus;
Männer und Frauen eilten zur Arbeit, Päckchen unter den Armen. (J. R. Becher)
3. durch Partizipialgruppen und durch Adjektive mit näheren Bestimmungen;
Vier Monate hatte er in Sachsen gearbeitet, dauernd gehetzt, stets von Verrat bedroht. (W. Bredel)
Da wandelt der Herr weiter, zufrieden mit der Wirkung seiner Person. (Th. Mann)
4. durch präpositionale Wendungen.
Wir gingen damals zu zweit, in voller Schiausrüstung, auf eine anscheinend harmlose Weihnachtsfahrt. (J. Petersen)
§ 290. Die abgesonderten Adverbialbestimmungenstehen häufig außerhalb des Rahmens. Das gilt vor allem für Infinitivgruppen. Die abgesonderten Adverbialbestimmungen werden ausgedrückt:
1. durch Infinitivgruppen, meist mit um, (an)statt, ohne und der Partikel zu (s. § 180);
Da schlich ich mich in die Küche hinaus, das Küchenbeil holen. (J. R. Becher)
„Ich fühle mich nicht wohl genug, um euch begleiten zu können.“ (Th. Mann)
Ja, das hätte er ihm sagen sollen, anstatt nervös zu werden. (B. Kellermann)
Die Majorin sprach weiter, ohne auf Marianne zu achten. (B. Uhse)
2. durch Adverbien. Meist wird nicht ein Adverb abgesondert, sondern mehrere;
„Wann kommst du wieder, heute oder morgen?“ (A. Seghers)
3. durch präpositionale Wendungen;
Der Autobus mit den Slowaken fährt nicht nach dem Osten, wo der Hafen ist, sondern zunächst westwärts, in die Vorstadt Graville. (E. E. Kisch)
„Aber Sie müssen doch irgend etwas getan haben in den vier Jahren seitdem!“ sagte von Studmann freundlich. (H. Fallada)
4. durch die Wendung accusativus absolutus;
Den Hund an der Seite, hetzte der Alte kreuz und quer über die Straße. (B. Uhse)
Auf dem Rücken das Bündel Heu, so wurde der königliche Generalintendant Francois Foullon von den Bauern durch die Dörfer geführt. (W. Bredel)
5. durch Partizipialgruppen.
Ins Hotel zurückgekehrt, begab er sich sogleich in die Halle zum Zeitungstisch und hielt in den Blättern Umschau. (Th. Mann)
§ 291. Die Objekte werden verhältnismäßig selten abgesondert, und zwar meist dann, wenn sie durch eine Infinitivgruppe ausgedrückt sind.
Das große Halt wurde geblasen, dem Krieg, der Ausbeutung und der Dummheit. (A. Seghers)
Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. (K. Marx/F, Engels)
„Ich sehne mich jetzt heftig danach, wieder einmal mit Ihnen in unserem kleinen „Residenzcafe“, zu sitzen und zu plaudern.“ (B. Kellermann)
Kapitel VIII