Stilistische Ausdruckswerte der Satztypen

Ausschlaggebend für die Wahl der Satztypen – Aussagesatz, Ausrufesatz, Aufforderungssatz, Fragesatz – ist in erster Linie die Thematik, der Gedankengehalt der Rede. Aber auch ihre stilistische Beschaffenheit spielt dabei eine wichtige Rolle.

Der ruhigen, sachlichen und leidenschaftlichen Mitteilung dientder Aussagesatz.Daher ist der Aussagesatz als neutrale Feststellung eines Sachverhalts die vorherrschende Satzform im Stil des offiziellen Verkehrs, im wissenschaftlichen Stil sowie in allen Stilarten und Redesituationen, die einen objektiv-konstatierenden Ausdruckswert verlangen: Es wurden neue Beweise zur Frage über die Entstehung des Nibelungenlieds gefunden.

Die Ausdruckswert des Ausrufesatzes ist eindeutig: affektbetonte Darstellung eines Sachverhalts, ausgelöst durch persönliche Anteilnahme (Zorn, Ironie, Drohung, Begeisterung u. ä.): Das ist doch unerhört! Wie er sich wichtig macht! Das ist wirklich eine Überraschung! Das ist aber fein! Der Ausrufesatz kann in Form eines Fragesatzes auftreten: Bin ich glücklich! Wie alt sieht er aus!; in Form eines Nebensatzes: Ob ich ihn kenne! Dass ich nicht lache! Wie er sich anstellt! Zahlreich sind eingliedrige und elliptische Ausrufesätze: Prosit! Hurra! Hilfe! Feuer!

In der Sachprosa und in der Wissenschaft werden Ausrufesätze vermieden. Ihre Funktionsbereiche sind Alltagsrede, schöne Literatur, Apelle und Losungen: Es lebe die Freiheit! Die Liebe zum Buch wecken!

Der Aufforderungssatz ist, entsprechend seinem lexikalischen Inhalt, stets emotional gefärbt. In milderer Form als Wunschsatz, in schärferer Form als Befehlssatz, kann er ausnahmslos in sämtlichen Stilen der Sprache gebraucht werden.

Der Aufforderungssatz ist die vorherrschende Satzform in Mahnrufen, Plakaten und Transparenten, Anzeigen und Aufschriften, in militärischen Befehlen.: Hinausbeugen verboten! Bahnsteig gesperrt! Achtung! Im Stil der Alltagsrede: Schweig! Sprechen Sie mir nach! Fahren Sie vorsichtig! Warten Sie einen Augenblick!

Was die Fragesätze betrifft, unterscheidet man, vom Standpunkt der Stilkunde, zwischen: 1. echten Fragesätzen, d.h. solchen, die tatsächlich eine Antwort erfordern: Was versteht man unter der Stilistik? – Unter der Stilistik versteht man …, und 2. scheinbaren Fragesätzen (rhetorischen), d.h. solchen, die von vornherein keine Antwort erfordern, weder von Seiten des Zuhörers noch von dem Sprechenden selbst: Weißt du was? (d.h. hör mal!) Was soll diese Aufregung? (d.h. beruhige dich!)

Alle Arten der Fragesätzen können im Kontext zu einem wirksamen Stilmittel werden. Der eigentliche Funktionsbereich der Fragesätze ist natürlich mündlicher Verkehr, sei es Alltagsrede, Dienstbesprechung, Prüfung, Pressekonferenz, Interview, Verhör. In der schönen Literatur findet sich die Frage-Antwort-Einheit vor allem in der Figurensprache, aber auch in der erlebten Rede in Form eines einzelnes Fragesatzes. Manchmal ist es ein Selbsgespräch oder ein innerer Monolog: Bienkopp tastet sich durch die Stube. Eine Vase zerklirrt, ein Bild fällt vom Nachttisch. Was für ein Bild schon? Ein Photo seines Rivalen, sicher. Er schleudert das Bild in die Ofenecke. [Strittmatter 1]. Der wissenschaftliche Stil verwendet vorrangig rhetorische Fragen; der Sender verlangt nur scheinbar eine Information vom Empfänger; der Sender kennt sie bereits und erteilt sie selbst; er bezweckt mit einer Farge eine schärfere und logische Denkhaltung seitens des Empfängers. [näheres siehe Riesel, Schendels: 157-161].

4.6. Verbindungsmöglichkeiten zwischen Wörtern,

Wortgruppen, Sätzen und Absätzen

Neben- und Unterordnung

Die Nebenordnung (Beiordnung, Parataxe) betrachtet man als eine strukturell unwesentliche Erscheinung, weil sie nicht zum Hauptgerüst, sondern zur Erweiterung des Satzmodells gehört. Jede Beiordnung bildet eine offene Reihe, die fortgesetzt werden kann. In der mündlichen Rede, und insbesondere in der emotionalen Rede des Alltags verwendet man bedeutend mehr Nebenordnung als in der schriftlichen. So ruft z.B. jemand ärgerlich aus: Ich kann nicht ins Theater gehen. Ich hab’ keine Zeit! Die Unmittelbarkeit dieser expressiven Mitteilung würde abgeschwächt, wenn es hieße: Ich kann nicht ins Theater gehen, da (weil) ich keine Zeit habe.

Als besondere Erscheinungsform der Nebenordnung tritt asyndetische und polysyndetische Verbindung. Die asyndetische Verbindung, auch Asyndeton (griech.: “das Unverbundene”) genannt, ist eine bloße Aneinanderreihung von einzelnen Wörtern, Wortgruppen oder Einzelsätzen durchweg ohne Konjunktion: Gerüste tauchen in die Flut, schwimmen, Stricke, Säcke verbinden sich, Taue gleiten sich ins Wasser, strecken sich, ziehen, heben. Die polysyndetische Verbindung, auch Polysyndeton (griech.: “das Vielverbundene“) genannt, ist eine Aneinanderreihung durchweg mit Konjunktionen (gewöhnlich handelt es sich um die Konjunktion und): Und es wallet und siedet und brauset und zischt … Beiden Verbindungsarten sind zwei Merkmale eigen: Emotionalität und Dynamik. Sie unterscheiden sich dadurch, dass das Asyndeton zum Ausdruck einer stoßweise vorrückenden Bewegung dient, das Polysyndeton dagegen eine meist gleichmäß-rhythmischen Bewegung widerspiegelt. Sowohl das reine Asyndeton als auch das reine Polysyndeton werden nur dann gebraucht, wenn ein besonderer inhaltlicher oder emotionaler Anlass dazu vorliegt: Meine Töchter führen den nächtlichen Rhein, und wiegen, und tanzen, und singen dich ein. Der Damm zerschmilzt, das Feld erbaust, die Fluten wühlen, die Fläche saust. Sonst verwendet man eine Aneinanderreihung, bei der die ersten Glieder unverbunden bleiben und nur das letzte Glied mit dem vorletzten verbunden wird: Er kam, sah und siegte. Auf dem Tisch liegt Brot, Käse, Wurst und Butter.

Die Unterordnung(Hypotaxe) ist in erster Linie bestimmt, logische Beziehungen auszudrücken. Bei dem Asyndeton handelt es sich vor allem um untergeordnete Teile in einem Satz, die mit ihrem Kern ohne Bindeelemente (also implizit) verbunden sind. Nur die Tonführung weist auf ihre Zugehörigkeit hin. Darin äußert sich wiederum die Tendenz zur Auflockerung des deutschen Satzes. Die konjunktionslose Verbindung bei der Unterordnung ist in erster Linie eigen:

1. dem Objektsatz ohne Einleitungswort im Satzgefüge: Sie sahen: Sie hatten ihn heruntergerollt aus dem Schloss.

2. den absoluten Akkusativ- und Nominativfügungen: Es kommt vor, dass ich dann einfach einschlafe, die Zeitung auf dem Knie, die Zigarette auf dem Teppich. Dann stehe ich einfach da, Gin im Glas, den ich nicht mag.

3. losen angereihten Partizipialwendungen: Sie saßen dort an einem Fenstertisch, vor zwei Flaschen Marvud, geleert die eine, die andere halb voll, Teller an den Rand geschoben, Brotkrumen auf dem Tisch.

4. bei der Wiedergabe der indirekten Rede: Ich lächelte, es sei mir eine Freude, ihn getroffen zu haben.

Sprichwörter sind oft asyndetisch gestaltet: Alles vergeht, Wahrheit besteht. Den Sack schlägt man, den Esel meint man.

Das Polysyndeton ist beliebt bei einer Häufung von Nebensätzen desselben Ranges: Wenn man den Rhein sieht, so ist doch klar, dass diese Abhänge mit ihren Feldern und Obstbäumen, dass der Fabrikrauch, den man bis hier riecht, dass die südwestliche Krümung der Eisenbahnlinien und Straßen…, dass alles schon Rhein bedeutet.

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