Sprach- und Stilnormen. Abweichung von der Norm als Stilmittel
Unter Sprach- und Stilnormen verstehen E. Riesel und E. Schendels die Gesamtheit historisch veränderlicher, aber dennoch über größere Zeitabschnitte hinaus stabil kodifizierter Gesetzmäßigkeiten, mit deren Hilfe die schriftliche und die mündliche Form mehr oder weniger geregelt wird. [Riesel, Schendels: 40] Der schriftlichen und mündlichen deutschen Literatursprache liegen im Wesentlichen die gleichen Normen zugrunde. Die Stilnormen differenzieren also die Verwendung der allgemeinen Sprachnormen nach funktionalen und semantisch-expressiven Momenten. Sie geben an, welche lexikalischen, grammatischen und phonetischen Normen zu diesem oder jenem Zeitpunkt im wissenschaftlichen Text zulässig sind, im Stil des Amtsverkehrs, im Stil des Alltagslebens usw. Die Kenntnis der Norm verlangt eine höhere kulturelle Stufe als die Kenntnis des Sprachsystems. Die Norm ist ein Schnittpunkt zwischen linguistischen und außerlinguistischen Faktoren. E.Riesel und E. Schendels rechnen zu den extralinguistischen Gegebenheiten, die die Norm bestimmen: a) die Zeit, b) nationale Homogenität, c) Sprachschicht, d) kommunikativen bzw. stilistischen Gebrauchswert, e) Ganzheitsstrukturen unterschiedlicher gesellschaftlicher Spezifik. [Riesel, Schendels: 40 –43]
a) Mit der Entwicklung der Technik und Wissenschaft entstehen immer wieder neue Wörter und Wendungen. Selbst maßgebliche Wörterbücher können nicht immer den schnellen Wechsel der Lexik buchen und bewerten.
b) Sprach- und Stilnormen sind nur innerhalb eines national homogenen Sprachkollektivs gültig.
c) Wie bekannt, besitzen Literatursprache, Umgangssprache und auch die territorialen Dialekte ihre eigenen Normen. Die Wahl der Sprachschicht hängt unmittelbar von außerlinguistischen Faktoren ab: nicht nur von der sozialen Herkunft, von der Bildung, der beruflichen Zugehörigkeit und dem Alter des Gesprächspartner, sondern auch von nationalen und territorialen Momenten. In der deutschsprachigen Schweiz ist das Schwyzertütsch die am meisten gebrauchte Sprachschicht der mündlichen Rede. Der Österreicher verwendet im allgemeinen mehr umgangssprachliche und dialektale Einschübe in der normalsprachlichen Rede als der Deutsche.
d) Innerhalb eines zeitlich beschränkten und national homogenen Normensystems lassen sich zwei Gruppen unterscheiden: stilistisch neutrale und stilistisch markierte Normen. Stilistisch neutrale Formen sind allgemeingebräuchlich, allgemeinverständlich. Die zweite Gruppe, die stilistisch markierten Normen, umfassen sprachliche Einheiten, die infolge ihrer absoluten, d.h. systemhaften Stilfärbung an bestimmte Verwendungsmöglichkeiten gebunden sind.
e) Als Stilnormen gelten die obligatorischen Gesetzmäßigkeiten für die Auswahl und Organisation der Sprachnormen und Textsorten verschiedener kommunikativer Bereiche. Funktionale Stilsysteme werden als Redestilnormen oder (nach G.Michel) gesellschaftliche Anwendungsnormen realisiert. Sie sind gültig für die schriftliche und mündliche Rede monologischen wie dialogischen Charakters, für unterschiedliche funktionale Genres (Stil der Fabel, der Ballade; Stil der Film- und Theaterkritik, der Chronik; Stil der Privat- und Amtsbriefe u. a.)
Unter dem Verstoß gegen die Norm verstehen E. Riesel und E. Schendels:
a) alle Fälle, die auf mangelnde Beherrschung der grundlegenden Sprachgesetze beruhen (alle Interferenzerscheinungen im Fremdsprachenunterricht durch Einwirkung der Muttersprache auf die zu erlernende Fremdsprache);
b) alle Arten von Normverletzung, die zu kommunikativen Mißverständnissen bis zur vollen Informationsstörungen führen können;
c) alle unmotivierten Abweichungen von der Norm, die weder kommunikativ, noch stilistisch begründet sind.
TERMINI ZUM 1. KAPITEL
Argot, das (-n) арго, жаргон (1. Воровской, лексика деклассированных элементов общества; 2. Социальный, профессиональный)
Argotismus, der (Argotismen) арготизм, арготическое слово или выражение
Auflockerung, die лексическая разрыхленность
Flickwort, das (“er) слово-паразит
Funktionalstil, der функциональный стиль
Gattungsstil, der (-e) подстиль (н.: дипломатический, законодательный, канцелярский)
Jargonismus, der (Jargonismen) жаргонизм
kodifiziert, als Norm anerkannt признанный нормой
Schlagwort, das (-er) слово-лозунг
Stil der Presse und Publizistik публицистический стиль
Stil der schönen Literatur стиль художественной литературы
Stil der Wissenschaft научный стиль
Stil des Alltagsverkehrs
(der Alltagsrede) обиходно-разговорный стиль
Stil des öffentlichen Verkehrs
(der öffentlichen Rede) официально-деловой стиль
Stilfärbung, die стилистическая окраска
Stilistische Grundbegriffe основополагающие понятия стилистики
Textsorte, die (-n) тип текста
Verstoß gegen die Norm =
Abweichung von der Norm отклонение от нормы языка
AUFGABEN ZUM 1. KAPITEL
1. Analysieren sie die Amtssprache in folgendem Märchen, das den Stil des öffentlichen Verkehrs parodiert! Wie lautet dieses Märchen im Alltagsstil?
Als in unserer Stadt wohnhaft ist eine Minderjährige aktenkundig, die infolge ihrer hierorts üblichen Kopfbedeckung gewohnheitsrechtlich Rotkäppchen genannt zu werden pflegt …
Vor ihrer Inmarschsetzung wurde die R. seitens ihrer Mutter über das Verbot betreffs Verlassens der Waldwege auf Kreisebene belehrt. Sie machte sich infolge Nichtbeachtung dieser Vorschrift straffällig und begegnete beim Überschreiten des diesbezüglichen Blumenpflückverbotes einem polizeilich nicht gemeldeten Wolf ohne festen Wohnsitz.
Dieser verlangte in unberechtigter Amtsanmaßung Einsichtnahme in den zum Transport von Konsumgütern dienenden Korb und traf zwecks Tötungsabsicht die Feststellung, dass die R. zu ihrer verwandten und verschwägerten Großmutter eilends war.
Da bei dem Wolfe Verknappungen auf dem Ernährungssektor vorherrschend waren, beschloss er, bei der Großmutter der R. unter Vorlage falscher Papiere vorsprachig zu werden. Da dieselbe wegen Augenleidens krank geschrieben war, gelang dem Wolf die diesfällige Täuschungsabsicht, worauf er unter Verschlingung der Bettlägerigen einen strafbaren Mundraub ausführte.
Bei der später eintreffenden R. täuschte er seine Identität mit der Großmutter vor, stellte der R. nach und durch Zweitverschlingung derselben seinen Tötungsvorsatz unter Beweis. Der sich auf einem Dienstgang befindliche Förster B. vernahm verdächtige Schnarchgeräusche und stellte deren Urheberschaft seitens des Wolfmauls fest.
Er reichte bei seiner vorgesetzten Dienststelle ein Tötungsgesuch ein, welches zuschlägig beschieden wurde. Daraufhin gab er einen Schuss ab auf den Wolf. Dieser wurde nach Infangnahme der Kugel ablegig.
Die Beinhalting des Getöteten weckte in dem Schussabgeber die Vermutung, dass der Leichnam Personen beinhalte. Zwecks diesbezüglicher Feststellung öffnete er unter Zuhilfenahme eines Messers den Kadaver zur Einsichtnahme und stieß hierbei auf die noch lebende R. nebst Großmutter.
Durch die unverhoffte Wiederbelebung bemächtigte sich der beiden Personen ein gesteigertes, amtlich nicht erfassbares Lebensgefühl. Der Vorfall wurde von den Gebrüdern Grimm zu Protokoll gegeben. [Брандес, Провоторов: 58]
2. Bestimmen Sie den funktionalen Stil des Textes. Analysieren Sie grammatische und lexikalische Mittel aus stilistischer Sicht. Vergleichen Sie den Text mit seiner Überstezung ins Russische und charakterisieren Sie die Adäquatheit der Übersetzung mit dem Original.
Licht am Ende des “Rohres”
Otto Wolf von AMERONGEN, Vorsitzender des Ost-Ausschlusses der deutschen Wirtschaft, Köln, anwortet auf die Fragen des MM-Korrespondenten.
Wie schätzen Sie die Dynamik der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen in den letzten Jahren ein?
Die letzten Jahre standen im Zeichen intensiver Bemühungen, die deutsch-russischen Handels- und Kooperationsbeziehungen zu aktivieren.
Notwendig wurden verstärkte Bemühungen, weil die Lieferbezeichnungen ostdeutscher Unternehmen nicht aufrechterhalten werden konnten. Ein Grund dafür lag im Zusammenbruch sehr vieler ostdeutscher Betriebe. Eine weitere, möglicherweise noch wichtigere Ursache ist mit dem Zusammenbruch der UdSSR verbunden. Die wirtschaftliche Anpassungskrise in Russland führte zu einem dramatischen Rückgang von Ersatzinvestitionen in der russischen Industrie. Traditionell lieferten deutsche Unternehmen hochwertige Ausrüstungen für Schwerindustrie, Chemieanlagen und andere Spezialprodukte, wie Eisenbahnwaggons. Nachdem 1995 die deutschen Exporte mit 10,3 Mrd. DM einen extrem niedrigen Wert erreicht hatten, erwarten wir dieses Jahr das Wachstum deutscher Lieferungen. …
Was erwarten Sie von dem Deutsch-Russischen Forum?
Von diesem Diskussionsforum erwarte ich mir Aufschlüsse über die aktuelle wirtschaftliche und politische Lage in Russland, nachdem das Misstrauensvotum in der Staatsduma nicht zustande gekommmen ist. In den vergangenen 12 Monaten sind bemerkenswerte wirtschaftspolitische Erfolge erzielt worden, so bei der Einigung über eine Schuldenregelung mit den internationalen Gläubigerbanken und bei der Inflationsbekämpfung. Russland hat wieder Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten gefunden. Dennoch bleibt der Zufluss ausländischer Investitionen in Russland begrenzt. Über einige Ursachen wird im Rahmen des Forums in Moscow Neuws Weekly Club geredet – vieleicht auch gestritten. Wie kann der Produktionsstandort Russland attraktiver werden? Wie kann die Inverstitionskrise in Russland dauerhaft überwunden werden? Welche Bedeutung wird der Außenhandel für ein wirtschaftlich modernisiertes und weltwirtschaftlich integriertes und europäusch orientiertes Russland haben? Auf diese und weitere Fragen soll das Forum Antworten formulieren helfen.
Свет в конце трубы
На вопросы «МН» отвечает Отто Вольф фон АМЕРОНГЕН, председатель Восточного комитета германской экономики.
Как вы оцениваета динамику развития германо-российского экономического сотрудничества за последние годы?
За последние годы было предпринято немало для активизации германо-российских торговых и кооперационных отношений. В этом направлении потребовались значительные усилия, т.к. во многом были разрушены прежние модели поставок продукции с восточногерманских предприятий в Россию. Причиной тому был распад многих восточногерманских предприятий. Другая, может быть даже боле веская, причина связана с распадом СССР. Экономический кризис, связанный со структурной перестройкой, привел к драматическому снижению западных инвестиций в росийскую промышленность. Традиционно немецкие фирмы поставляли оборудование для тяжелой промышленности, химические установки, а также специализированную продукцию, например, железнодорожные вагоны. После того как в 1995 году немецкий экспорт в Россию опустился до экстремально низкого показателя в 10,3 млрд. марок, мы ожидаем в нынешнем году начала роста наших поставок. …
Что Вы ожидаете от форума «МН» в Берлине?
Ожидаю в первую очередь объективных оценок нынешней экономической и политической ситуации в России после того, как вотум недоверия правительству не был принят Думой. За последний год мы отмечаем ряд успешных шагов, например, достижение согласия об урегулировании долгов Лондонскому клубу, снижение инфляции. Россия снова нашла выходы на международные рынки капитала. Тем не менее приток иностранных инвестиций остается ограниченным. Как сделать производственную базу России привлекательной? Каким образом можено на долговременной основе преодолеть инвестиционный кризис в России? Какое значение будет играть внешняя торговля для России, интегрированной в мировые и европейские процессы? Форум должен будет помочь сформулировать ответы на эти и другие вопросы. [Брандес, Провоторов: 84-87]