Exakte Wissenschaft und Wissenschaftstheorie
Der so genannte Wiener Kreis war in den zwanziger Jahren der damals prominenteste Versuch, auf dem Boden eines betont wissenschaftlichen Empirismus und unter dem Postulat einer streng logischen Analyse, die bisherige Philosophie zu kritisieren und die Möglichkeiten einer zukünftigen wissenschaftlichen Philosophie zu erörtern; dabei spielte außer der Kritik der Metaphysik auch die logische Analyse der Sprache eine zunehmend wichtige Rolle. Obwohl die Philosophen, Naturwissenschaftler und Mathematiker, die sich im Wiener Kreis zu Diskussionen trafen, inhaltlich durchaus unterschiedliche Positionen vertraten, gab es auch so etwas wie eine gemeinsame Grundüberzeugung. Ausgangspunkt war ein zunächst ungebrochener Wissenschaftsoptimismus, der alle Wahrheit – außer von der Mathematik – von den empirischen Naturwissenschaften erwartete, weshalb diese Position von ihren Gegnern auch als Wissenschaftsoptimismus (Neopositivismus), Szientismus oder Physikalismus kritisiert worden ist. Einige Mitglieder des Wiener Kreises, wie Otto Neurath (1882-1845), hofften sogar, dass es neben dem wissenschaftlichen Fortschritt einen gesellschaftlichen Fortschritt im Sinne des Sozialismus geben werde. Wichtigste Voraussetzung dieser auch als Logischer Empirismus bezeichneten Philosophie war die strikte Ablehnung aller Metaphysik, die als Unsinn oder schlechte Lyrik diffamiert wurde. Die Metaphysik sei bestenfalls der Versuch unmusikalischer Menschen, ihr Lebensgefühl auszudrücken.
Der Schlüsselbegriff dieser seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in Wien vor allem durch Ernst Mach (1838-1916) vorbereiten Denkrichtung war der zunächst als evident aufgegriffene Begriff der Erfahrung, der sich dann jedoch zusehends als problematisch erwies. Die Grundüberzeugung, dass nur die sinnliche Erfahrung Wahrheit verbürge, enthielt die These, dass nur Sätze, die unmittelbar auf Erfahrung, nämlich Sinneswahrnehmung, zurückgehen oder Sätze, die logisch einwandfrei daraus abzuleiten sind, wahre Sätze sind. Dies führte zu der zwar formal klaren und emphatisch brauchbaren Unterscheidung von sinnvollen und sinnlosen Sätzen, dann aber notwendigerweise auch zur Frage auch einem eindeutigen, methodisch handhabbaren Erfahrungsbegriff und damit zur Frage nach einem empiristischen Sinnkriterium oder einem Verifikationsprinzip. Wann ist ein Satz sinnvoll und wahr? Letztlich musste die empiristische Wissenschaftstheorie bei der Erörterung der Frage, was eigentlich Erfahrung bzw. Erkenntnis sei, landen – und diese Frage ließ sich nicht gut wiederum Erfahrung, also nur zirkulär, oder durch eine sich selbst behauptende Entscheidung beantworten. Welche Erfahrung bestimmt, was Erfahrung ist? Welches Denken bestimmt, was Denken ist?
In Hinblick auf die Philosophie führte der Versuch eines konsequenten wissenschaftlichen Empirismus zu dem Problem, was aus der bisherigen Philosophie – angesichts des unabdingbaren Postulats wissenschaftlicher, Exaktheit und nach der Verwerfung der Metaphysik – noch werden könne. Wie ließ sich die Philosophie angesichts der Wissenschaft noch halten (falls sie nicht grundsätzlich fallengelassen werden konnte), wieweit ließ sich die Philosophie in exakte Wissenschaft überführen? War die Philosophie nur noch Wissenschaftstheorie, und zwar wissenschaftliche Wissenschaftstheorie, also Wissenschaftswissenschaft, oder nur eine noch näher zu bestimmende Wissenschaftsphilosophie? Oder war sie eine mögliche, wenn auch vielleicht nur hypothetische, wissenschaftliche Synthese aller Einzelwissenschaften? Die immer wieder bekundete Tendenz der Philosophen des Wiener Kreises ging jedenfalls dahin, die Philosophie (ob Philosophie der Wissenschaft oder wissenschaftliche Philosophie) möglichst zu begrenzen, und zwar auf beantwortbare Fragen. Letztlich erstrebte man jedoch eine „wissenschaftliche Weltauffassung“.
РУБЕЖНЫЙ КОНТРОЛЬ
К модулю № 1
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Wissenschaften waren stets die Verwalterinnen des bestgesicherten Wissens einer Zeit. So sehr sie im Gegenstand und in der Methode differierten, immer war ihr Ziel, methodisch begründetes Wissen zu erlangen und dank des methodisch geleiteten Fragens in eine systematische, nach Möglichkeit deduktive, aber in jedem Fall argumentativ und nicht nur narrativ vertretbare Ordnung zu bringen. Die Wissenschaften waren dabei in der Entwicklung von Ordnungsstrukturen mehr als bloß die systematische Erfassung des methodisch als wahr Erkannten, mehr als nur Befriedigung der theoretischen Neugierde: Sie hatten Rückwirkungen auf Handlungsmöglichkeiten auf der einen, auf die Weltsicht auf der anderen Seite. Von beiden wiederum wurden sie selbst beeinflusst, hier durch praktische Aufgaben, dort durch die Umsetzung in pragmatische Sichtweisen, die das Problemverständnis ebenso wie die Problemlösungskriterien beeinflussten.
Nun hat sich das Verständnis der Wissenschaften radikal geändert. Der Erkenntnisanspruch als Wahrheitsanspruch erscheint drastisch reduziert. Die Wahrheit, die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen, wird vor Gericht gefordert – und Meineid mit hohen Strafen belegt. Kein Wissenschaftler muss diesen Schwur ablegen, und dennoch wird er an dem Anspruch gemessen, ihn zu erfüllen. Der Wahrheit zu dienen, verlangen einst die Formeln feierlicher Immatrikulation. Und unnachgiebig bis zur Aberkennung des akademischen Grades verfolgt die Wissenschaftlergemeinschaft die ungewöhnlich seltenen Verstöße gegen die Gebote des Wissenschaftsethos.
Sicherlich sind die heute üblichen Ausformulierungen des Wissenschaftsethos, aber der Leitgedanke der Verpflichtung auf vorbehaltlose Wahrheitssuche ist nicht erst ein neuzeitliches Wissenschaftsideal, sondern ist konstruktiv für das Gründe suchende, auf rationale Problemlösung dringende Wissenschaftsdenken seit der Antike.
Проектное задание к модулю № 1
Подготовьте сообщение об актуальных проблемах Вашей научной сферы с последующей презентацией в группе.
МОДУЛЬ 2