Dann sagte er, ich bin ein gemeiner Kerl, und ich gab ihm eine feste auf die Backe, und ich schmiss ihn an den Ofenschirm, dass er hinfiel
3 Und dann war ihm ein Zahn gebrochen, und die Samthose hatte ein großes Loch über dem Knie.
Am Nachmittag kam der Pedell in unsere Klasse und meldete, dass ich zum Herrn Rektor hinunter soll.
5 Ich ging hinaus und schnitt bei der Tür eine Grimasse, dass alle lachen mussten. Es hat mich aber keiner verschuftet, weil sie schon wussten, dass ich es ihnen heimzahlen würde. Werners Heinrich hat es nicht gesehen, weil er daheim blieb, weil er den Zahn nicht mehr hatte.
6 Sonst hätte er mich schon verschuftet.
7 Ich musste gleich zum Herrn Rektor hinein, der mich mit seinen grünen Augen sehr scharf ansah.
Da bist du schon wieder, ungezogener Bube», sagte er, «wirst du uns nie von deiner Gegenwart befreien?»
9 Ich dachte mir, dass ich sehr froh sein möchte, wenn ich den ekelhaften Kerl nicht mehr sehen muss, aber er hatte mich doch selber gerufen.
Was willst du eigentlich werden», fragte er, «du verrohtes Subjekt? Glaubst du, dass du jemals die humanistischen Studien vollenden kannst?»
11 Ich sagte, dass ich das schon glaube. Da fuhr er mich aber an und schrie so laut, dass es der Pedell draußen hörte und es allen erzählte. Er sagte, dass ich eine Verbrechernatur habe und eine katilinarische Existenz bin und dass ich höchstens ein gemeiner Handwerker werde, und dass schon im Altertum alle verworfenen Menschen so angefangen haben wie ich.
12 «Der Herr Ministerialrat Werner war bei mir», sagte er, «und schilderte mir den bemitleidenswerten Zustand seines Sohnes», und dann gab er mir sechs Stunden Karzer als Rektoratsstrafe wegen entsetzlicher Roheit. Und meine Mutter bekam eine Rechnung vom Herrn Ministerialrat, dass sie achtzehn Mark bezahlen musste für die Hose.
13 Sie weinte sehr stark, nicht wegen dem Geld, obwohl sie fast keines hatte, sondern weil ich immer wieder was anfange. Ich ärgerte mich furchtbar, dass meine Mutter so viel Kummer hatte, und nahm mir vor, dass es Werners Heinrich nicht gut gehen soll.
Die zerrissene Hose hat uns der Herr Ministerialrat nicht gegeben, obwohl er eine neue verlangte.
15 Am nächsten Sonntag nach der Kirche wurde ich auf dem Rektorat eingesperrt. Das war fad.
16 In dem Zimmer waren die zwei Söhne vom Herrn Rektor. Der eine musste übersetzen und hatte lauter dicke Bücher auf seinem Tische, in denen er nachschlagen musste. Jedesmal, wenn sein Vater hereinkam, blätterte er furchtbar schnell um und fuhr mit dem Kopfe auf und ab.
17 «Was suchst du, mein Sohn?» fragte der Rektor. Er antwortete nicht gleich, weil er ein Trumm Brot im Munde hatte. Er schluckte es aber doch hinunter und sagte, dass er ein griechisches Wort sucht, welches er nicht finden kann. Es war aber nicht wahr; er hatte gar nicht gesucht, weil er immer Brot aus der Tasche aß. Ich habe es ganz gut gesehen.
18 Der Rektor lobte ihn aber doch und sagte, dass die Götter den Schweiß vor die Tugend hinstellen, oder so was.
19 Dann ging er zum andern Sohn, welcher an einer Staffelei stand und zeichnete. Das Bild war schon beinah fertig. Es war eine Landschaft mit einem See und viele Schiffe darauf. Die Frau Rektor kam auch herein und sah es an, und der Rektor war sehr lustig. Er sagte, dass es bei dem Schlussfeste ausgestellt wird, und dass alle Besucher sehen können, dass die schönen Künste gepflegt werden.
20 Dann gingen sie, und die zwei Söhne gingen auch, weil es zum Essen Zeit war. Ich musste allein bleiben und bekam nichts zu essen. Ich machte mir aber nichts daraus, weil ich eine Salami bei mir hatte, und ich dachte mir, dass die zwei dürren Rektorssöhne froh wären, wenn sie so viel kriegten.
21 Der Ältere stellte sein Bild an das Fenster im Nebenzimmer. Das sah ich genau. Ich wartete, bis alle draußen waren, und las dann die Geschichte vom schwarzen Apachenwolf weiter, die ich heimlich dabei hatte.
Um vier Uhr wurde ich herausgelassen vom Pedell. Er sagte: «So, diesmal warst du aber feste drin.» Ich sagte: «Das macht mir gar nichts.» Es machte mir aber schon etwas, weil es so furchtbar fad war. Am Montagnachmittag kam der Rektor in die Klasse und hatte einen ganz roten Kopf.
23 Er schrie, gleich wie er herein war: «Wo ist der Thoma?» Ich stand auf. Dann ging es an. Er sagte, ich habe ein Verbrechen begangen, welches in den Annalen der Schule unerhört ist, eine herostratische Tat, die gleich nach dem Brande des Dianatempels kommt. Und ich kann meine Lage nur durch ein reumütiges Geständnis einigermaßen verbessern.
24 Dabei riss er den Mund auf, dass man seine abscheulichen Zähne sah, und spuckte furchtbar und rollte seine Augen.
25 Ich sagte: «Ich weiß nichts; ich habe doch gar nichts getan.»
26 Er hieß mich einen verruchten Lügner, der den Zorn des Himmels auf sich zieht. Aber ich sagte: «Ich weiß doch gar nichts.» Und dann fragte er alle in der Klasse, ob sie nichts gegen mich aussagen können, aber niemand wusste nichts.
27 Und dann sagte er es unserem Professor. In der Frühe sah man, dass im Zimmer neben dem Rektorat das Fenster eingeschmissen war, und ein großer Stein lag am Boden, der war auch durch das Bild gegangen, welches der Sohn gemalt hatte, und es war kaputt und lag auf dem Boden.
28 Unser Professor war ganz entsetzt, und sein Bart und seine Haare standen in die Höhe. Er fuhr auf mich los und brüllte: «Gestehe es, Verruchter, hast du diese schändliche Tat begangen?» Ich sagte, ich weiß doch gar nichts, das wird mir schon zu arg, dass ich alles getan haben muss.
29 Der Rektor schrie wieder: «Wehe dir, dreimal wehe! Wenn ich dich entdecke! Es kommt doch an die Sonne.»
Und dann ging er hinaus. Und nach einer Stunde kam der Pedell und holte mich auf das Rektorat. Da war schon unser Religionslehrer da und der Rektor. Das Bild lag auf einem Stuhl und der Stein auch. Davor stand ein kleiner Tisch. Der war mit einem schwarzen Tuch bedeckt, und zwei brennende Kerzen waren da und ein Kruzifix.
31 Der Religionslehrer legte seine Hand auf meinen Kopf und tat recht gütig, obwohl er mich sonst gar nicht leiden konnte.
32 «Du armer, verblendeter Junge», sagte er, «nun schütte dein Herz aus und gestehe mir alles. Es wird dir wohltun und dein Gewissen erleichtern.»