Stilistische Leistung der Wortbildung
Stilwert der Transposition
Der Terminus „Transposition“ wird hier im weiteren Sinn gebraucht als Überführung einer Wortart in eine andere Wortart ohne besondere Wortbildungsmittel (Konversion) sowie als Substantivierung einer Wortgruppe oder eines Satzes (Zusammenrückung).
Sehr verbreitet ist im Deutschen die Transposition einer Wortart in die Klasse der Substantive. In der Rangordnung der Seme geschieht folgendes:
1. Alle Substantivierungen weisen als gemeinsames Sem ersten Ranges (nach dem Grad der Verallgemeinerung) „Gegenständlichkeit“ auf;
2. Die für jede Wortart charakteristischen Seme sinken zu Semen zweiten Ranges: „der Vorgang“ bei den Verben, „das Merkmal“ bei den Adjektiven;
3. Dazu kommen noch die Seme dritten Ranges – die Seme des Geschlechts (männlich/weiblich): der Blonde – die Blonde, der Laufende – die Laufende; das Neutrum verleiht den meisten Substantivierungen die Seme „Verallgemeinerung“, „Unbestimmtheit“: das Laufen, das Rote – das Rot, das Morgen, das Aber, das Ich. Nur bei den Zahlwörtern ist das grammatische Geschlecht unmotiviert: die Drei. Bei der Gegenüberstellung aller drei Geschlechter eines substantiviertes Grundwortes treten die Seme klar zutage: der Gesuchte – die Gesuchte – das Gesuchte.
Die Vereinigung dieser dreistufigen Seme erzeugt einen komplizierten Stileffekt: Er hatte das Ganze Dick: das Bitten und Betteln, das Humpeln und Pumpen, das Schwitzen und Schwatzen [Seghers 1]. Der Infinitiv besitzt die Seme „Vorgang“ und „Dauer“, die infolge der Substantivierung durch das Sem „Gegenständlichkeit“ überlagert werden. Das sächliche Geschlecht dient zur Verallgemeinerung des Begriffs. Die Mitwirkung dieser Seme, verstärkt durch den syntaktischen und phonologischen Parallelismus, erzeugt die Konnotation: das Gefühl der Überdrüssigkeit wegen ständiger, eintöniger, zum Lebensstandard gewordener Wiederholung erniedrigender Handlungen. Dass die Handlungen erniedrigend sind, bezeugt allerdings die Lexik.
Oft substantiviert man die Verben der Geräusche, um ihre Dauer und eine gewisse Selbstständigkeit zu betonen: Von weitem ertönte das Dengeln der Sensen, das Knattern und Quietschen der schwerfälligen Wagen …, das Mahlen und Muhen der Kühe, das Stampfen der Pferde und das muntere Geplapper der Kinder in der altvertrauten Mundart [Joho].
Wenn man alle Substantivierungen durch finite Verben ersetzt, so verwandelt sich das Bild in eine bewegungsreiche Schilderung; die substantivischen Attribute werden zu Subjekten der Aussage und rücken somit in den Vordergrund, die Geräusche erhalten zeitliche und modale Präzisierung: Von weitem hörte man, wie die Sensen gedengelt wurden, die schwerfälligen Wagen knatterten und quietschten …, die Kühe mahlten ubd muhten, die Pferde stampften, die Kinder plapperten munter in der altvertrauten Mundart.
Der substantivierte Infinitiv ohne Attribute widergibt den reinen Verlauf des Geschehens ohne Begrenzung und ohne Blick auf die Zeit: Ein Drängen und Hasten, Rufen und Winken, Begrüßen und Küssen [Bredel].
Das Sem „Unbestimmtheit“ tritt klar hervor: Es roch nach Staub, nach Dumpfem und Sauerem [Zweig].
Die Substantivierung der unflektierten Wortarten schafft einprägsame Synonyme zu den allgemeingebräuchlichen, stilistisch unmarkierten Bezeichnungen: das Entweder-Oder – die Alternative; das Für und Wider – die Vorteile und Nachteile; das Woher – der Ursprung; das Wohin – das Ziel; das Jetzt – die Gegenwart.
Die Verbalisierung einer Wortart kommt im Deutschen seltener vor als die Substantivierung. Als Überführungsmorphem fungiert das Infinitivsuffix -(e)n: bluten (von Blut), löffeln (von Löffel), reifen (von reif) u.a. [näheres siehe Riesel, Schendels: 171-174].
3.6.2. Stilistische Möglichkeiten der Ableitungen
Die Ableitungen, die mit Hilfe der Affixe und Halbaffixe gebildet werden [Stepanova] stellen aus stilistischer Sicht drei Schichten dar:
1. die Ableitungen mit absoluter Stilfärbung;
2. die Derivate mit partieller absoluter Stilfärbung;
3. die Ableitungen mit kontextualer Stilfärbung.
Die Ableitungen mit absoluter Stilfärbung aller drei Komponenten sind zahlenmäßig gering. Sie entstehen nach den Wortbildungsmodellen mit expressiven Suffixen, die sie bereits unter dem paradigmatischen Aspekt stilistisch stempeln. Es kommen folgende substantivische Suffixe der subjektiven Einschätzung in Frage: -bold, -ian, -chen, -lein (und ihre Varianten -elchen, -li, -le, -l u. a.).
Eine kleine geschlossene, nichtproduktive Wortgruppe bilden die Personenbezeichnungen auf -bold und -ian: Rauf-, Trunken-, Tugend-, Witzbold; Grobian, Schlendrian.
Ihr emotional-expressiver Gehalt ist so groß, dass sie zu Schimpfwörtern werden, dementsprechend sind sie meist auf die Umgangssprache beschränkt. Ihre stilistische Charakteristik ist: Alltagsrede / salopp (grob) / abwertend.
Im Gegensatz zu dieser geringfügigen Gruppe erfassen die Suffixe -chen, -lein praktisch fast alle Substantive (ausgenommen einige Abstarkta, Termini, Sammel- und Eigennamen). Sie verleihen den Ableitungen zwei Seme – „Verkleinerung“ und „Bewertung“ (positive oder negative), die manchmal zusammenwirken, manchmal einander verdrängen. Das wird durch die lexikalischen Seme des Grundwortes, sowie durch den Redezusammenhang und die Situation bedingt.
Ist der durch das Grundwort bezeichnete Begriff einer quantitativen Änderung fähig, so wird das Sem „Verkleinerung“ realisiert: Stühlchen, Fässchen, Bäumchen, Näschen, Äugelein. Das Bewertungssem ist dabei nicht ausgeschlossen, die Verkleinerung kann immer gefühlsmäßig empfunden werden. Die Mutter bringt ihr Kind ins Bett und sagt dabei: Nun machen wir ein schönes Schläfchen! Die Stilwerte werden hier unter folgenden Bedingungen realisiert:
- die lexikalischen Bedingungen: hier handelt es sich weniger um die Verkleinerung des Begriffs „Schlaf“, als viel mehr um den Ausdruck einer gefühlsmäßigen Einstellung zum Gesprächspartner, in diesem Fall zum Kind. Als Beiwort steht schön;
- die grammatischen Bedingungen: die Personenverschiebung (wir statt du schafft den Eindruck der innigen Anteilnahme);
- die intonatorischen Bedingungen: der warme, zärtliche Ton;
- die funktionalstilistischen Bedingungen: familiäre Alltagsrede.
Die Gesamtheit dieser Faktoren erzeugt die Konnotation: Vertraulichkeit, Liebe, Zärtlichkeit.
Die im Alltag übliche Verkleinerung der Personen- und Verwandschaftsnamen Lieschen, Liesel, Karlchen, Heini; Mutti, Onkelchen verraten das liebevolle Verhalten des Sprechers zu der genannten Person.
Besonders beliebt die Diminutiva in der Kinderliteratur: Dornröschen, Aschenbrödel, Schneewittchen, Rotkäppchen, Wichtelmännchen, Zwerglein, Hänsel, Gretel.
In der Belletristik schaffen die Diminutiva die Atmosphäre der Ungezwungenheit, Gemütlichkeit, Zärtlichkeit, oder sie stehen im Dienst von Humor und Satire [näheres siehe Riesel: 174-177]
Die Ableitungen mit partieller Stilfärbung. Die geringe Zahl der Modelle mit allseitig absoluter Stilfärbung wird reichlich durch die Ableitungen mit partieller Stilfärbung kompensiert. Dazu gehören solche, die nur bestimmte Wortgruppen stilistisch markieren.
Bei den substantivischen Ableitungen auf -ling zeichnet sich nur eine Gruppe durch ein negatives Bewertungssem aus. Sie erfasst Personenbezeichnungen wie Dichterling, Schreiberling, Schwächling, Weichling. Andere Gruppen desselben Wortbildungsmodells enthalten kein Bewertungssem: Sperling, Schmetterling, Säugling, Jüngling etc.
Zu nennen ist noch die „negative“ Gruppe des Modells mit dem Sufix -erei (-elei): Lauferei, Schlägerei, Liebelei. Es sind lauter menschliche Handlungen, abschätzig beurteilt. Daneben gibt es ganz „sachliche“ Wortgruppen ohne Bewertungssem: Druckerei – die Bezeichnung des Ortes, an dem die Tätigkeit berufsmäßig geübt wird; Malerei, Stickerei – die Bezeichnungen der Tätigkeiten.
Unter den Ableitungen auf -rich findet sich eine Gruppe pejorativer Bezeichnungen für Menschen: Wüterich, Schnatterich. Ihre Stilfärbung ist literarisch-umgangssprachlich.
Eine teils familiär-umgangssprachliche, teils veraltete Note erhalten die von männlichen Familien- und Berufsnamen abgeleiteten weiblichen Namen: die Schulzin, die Müllerin, Webern, die Meiersche, Krügersche, Lehrersche. Die Suffixe -(i)n und -sche haben im Allgemeinen abwertenden (pejorativen) Charakter [Seibicke: 55].
Die Anknüpfung des lateinischen Suffixes -ant an deutsche Wurzeln ergibt eine Gruppe mit pejorativer Einschätzung und salopper bis grober Stilfärbung; diese Gruppe stammt aus dem Studentenjargon: Haselant (Narr), Paukant (von pauken), Schmierant (schmieren); verächtliche Bedeutung haben auch die aus Fremdbestandteilen zusammengesetzten Bildungen: Poetaster, Kritikaster, Philosophaster, Politikaster, Grammatikaster, Medikaster, Schwachmatikus.
Zu den partiell kolorierten Modellen gehört das Modell mit dem Präfix ge- und den Suffixen -e, -er, -el, -sel oder dem Nullsufix: Gespött. Außer dem Sem “Gesamtheit“, das allen Wortgruppen eigen ist, besitzt eine Gruppe noch ein negatives Bewertungssem. Abwertend sind: Geschieße, Gemecker, Geheul, Geschnatter, Getue, Gekritzel, Geschreibsel.
Manche Bildungen haben Varianten: das Gebelle „abwertend“ – das Gebell „neutra“; das Gehabe „abwertend“ – das Gehaben „neutral“.
Zu den partiell gefärbten Lexik gehören auch adjektivische Modelle mit dem Suffix -isch. Die Ableitungen tierisch, weibisch, kindisch bezeichnen einen Mangel, eine abschätzige Charakteristik eines Menschen, während andere Adjektive desselben Modells völlig neutral sind: russisch, politisch, städtisch etc.
Sehr groß ist die Zahl der Präfixe und Halbpräfixe der subjektiven Einschätzung. Ihre Ausdrucksmöglichkeiten sind reicher als die der Suffixe. Während es kein einziges verstärkendes oder vergrößerndes Suffix im Deutschen gibt, finden sich ganze synonymische Reihen von Präfixen und Halbpräfixen mit den Semen „Steigerung“ („Vergrößerung“) und „Bewertung“: die Präfixe un-, erz- ur-; die Halbpräfixe Haupt-, Grund-, Kern-, Spitzen-; Bomben-, Riesen-; Super-; maxi-, makro-, mikro-; blitz-, blut-, mords-.
Un- drückt gewöhnlich Steigerung und abschätzige Bewertung aus: Unmenge, Unsumme, Unzahl. Bei Personenbezeichnungen mit un- verdrängt das negative Bewertugnssem das Sem „Steigerung“: Unmensch, Unweib.
Auch die Bildungen mit dem Präfix Erz- vereinigen oft Verstärkung und Missbiligung: Erzfeind, Erznarr, Erzdummheit, Erzschurke, Erzschelm.
Verstärkend ist auch das Präfix Ur-: Urgemütlichkeit, Urmusikanten, Urgewalt. Die Bewertung ist hier durchaus positiv.
Eine offene produktive Reihe stellen Bildungen mit den verstärkenden Halbpräfixen Haupt-, Grund-, Kern-, Spitzen- dar, die die Publizistik und auch die Umgangssprache unaufhörlich bereichern: Hauptfrage, -problem, -weg; -feind, -person; Grundfrage, -gedanke, -widerspruch. Die synonymische Austauschbarkeit wird manchmal blockiert. Das Halbpräfix Grund- wird bevorzugt mit Abstrakta kombiniert: Grundneigung, -wille, -eindruck. In Verbindung mit Personenbezeichnungen und bei den meisten Sachbezeichnungen wird Haupt-verwendet und lässt sich dann nicht durch Grund- ersetzen. Also nur Hauptarzt, Hauptbahnhof. Als drittes Glied der synonymischen Gruppe reiht sich das Halbpräfix Kern- ein: Kernfrage, Kernproblem, Kernfach, Kernspruch, Kerngedanke. Als Modewörter in der Publizistik verbreiten sich rasch die Bildungen mit Spitzen-: Spitzenleistungen (sehr hohe Leistungen), Spitzenkandidat, Spitzenposition (führende, leitende Position), Spitzenfilm, Spitzentiere (Kühe mot höchster Milchleistung), Spitzengeschwindigkeit, Spitzentemperatur. Die Bewertung ist positiv oder gleich null.
Ferner kommen die antonymischen Modewörter makro-/mikro-, mini-/super- als Halbpräfixe in Betracht: Minikleid, Mini-Laden, Superbauten (statt Großbauten). Sie verstärken oder verringern einen Begirff, zugleich verleihen sie der Aussage eine modische Note. Die Komponenten mega-, multi-, mammut- dienen auch zur Verstärkung: Megastadt, Megapleite, Multimillionär, Multilinguismus (Vielsprachigkeit), Mammutprojekt, Mammutfilm, Mammutbürokratieverfahren [Розен: 148-149]
Die Umgangssprache bevorzugt andere verstärkende Halbpräfixe mit emotionalem Beiklang: Riesenfreude, -hunger – Mordshunger, -durst, -appetit, -kerl, -skandal; blitzsauber, -blank, -schnell; blutjung, -arm, -wenig; kreuzlahm,-brav, -dumm, -fidel; stockdumm, -heiser, -blind, -taub.
Besonders beliebt in der Umgangssprache sind die emotional-expressiven Bezeichnungen von Menschen mit einem Personennamen als zweite Komponente. Sie konzentrieren sich um die gebräuchlichsten Vornamen:
-fritze(von Fritz): Flimmerfritze „киношник”, Klimperfritze „горе-пианист”, Plärrfritze „горлодер (о певце)“, Werbefritze „рекламщик”, Bankfritze „банковская крыса (о чиновниках банка)“, Versicherungsfritze „страховщик (о страховом агенте)“, Heulfritze „рева, нытик (о мальчике, мужчине)“, Meckerfritze „ворчун, придира”, Quatschfritze „брехун, пустомеля“, Pimpelfritze „неженка, нюня (о мужчине)“, Trödelfritze „копуша”;
-hanne(von Johanne): Prahlhanne „хвастунья”, Stotterhane „заика“, Quatschhanne „сплетница“;
-hannes(von Johannes): Gaffhannes “зевака, разиня”, Kleckerhannes „грязнуля, свинья”;
-hans(von Hans): Schwafelhans „брехун, пустомеля”, Grillenhans „чудик“, Langhans „дылда“, Schwindelhans „аферист, мошенник”;
-jule(von Julia): Telefonjule „телефонисточка“, Lachjule „хохотушка”;
-karl(von Karl): Küchenkarl „кошевар”, Nietenkarl „бездарь, дырка от бублика (о человеке)“;
-liese (von Liese): Heulliese „рева, плакса”, Pfennigliese „жадина, скряга”, Strubbelliese „растрепа, лохмуша”, Zimperliese „недотрога, жеманница“, Klatschliese „сплетница” [Lexikon der deutschen Vornamen].
Die Ableitungen mit kontextualer Stilfärbung. Bestimmte Funktionalstile haben eine besondere Vorliebe für bestimmte Ableitungen. Sprachstile, die das abstrakte Substantiv, vorrangig Ableitungen auf -ung, -heit, -keit, -schaft, -tum, -nis in reichem Maße verwenden, sind die Wissenschaft, der öffentliche Verkehr, die Publizistik. Im Jugendjargon sind Ableitungen auf -e besonders produktiv: die Rieche (Nase), die Heule (Transistor), die Heize (Ofen), die Tobe (Wut), die Lache (Lachen), die Trinke (Trinkgefäß), die Bediene (eine angenehme Sache), die Benehme (das Benehmen), sowie das Präfix un-: Unhahn (abwertend: junger Mann), Unzahn (abwertend: junges Mädchen).
Typisch für den Kanzleistil sind die Bildungen mit den Halbsuffixen -halber, -maßen, -weise: krankheitshalber, ordnungshalber, verdientermaßer, gewissermaßer, korrekterweise, unvermeidlicherweise [näheres siehe Riesel, Schendels: 180-181].
3.6.3. Stilistische Möglichkeiten der Zusammensetzungen
Jedes Modell einer Zusammensetzung ist als Stilmittel verwertbar. Die Zusammensetzungen können verschiedene stilistische Funktionen ausüben.
1. Sie drücken expressive Steigerung aus: himmelhoch, funkelnagelneu, kohlpechrabenschwarz. Das Modell Substantiv + Adjektiv besitzt eine erstaunlich schöpferische Kraft, besonders in der Reklame und in der Belletristik: flaschengrün, beduinblau, tabakbraun, muskatfarben, polarweiß.
2. Innerhalb einer Zusammensetzung vollzieht sich eine Metapher oder ein metaphorischer Vergleich: Pflaumenlippen „blau wie Pflaumen“, Stelzvogelgang, Wolkenkähne schwammen über den Himmel [Srittmatter]. In der Umgangssprache sind besonders beliebt metaphorische Personenbezeichnungen expressiver Art mit salopper Stilfärbung: Als Grundwort erscheinen Verwandschaftsnamen: Klatschbase, Kaffeetante, Radaubruder, Stotteronkel. Sie neigen zum Übergang in die Klasse der Halbsuffixe (ähnl. Wie Vornamen, siehe S. 73); Tierbezeichnungen: Maulaffe, Brummbär, Bücherwurm, Schnattergans (die sog. Tiermetaphern).
3. Die Zusammensetzung ist das Mittel zur Verdichtung des Inhalts in einer möglichst knapper Form. Sie vereinigt Informationsreichtum mit Kürze. Z. B. in der Werbung: vitaminfrisches Gemüse (so frisch, dass die Vitamine erhalten sind), mundfrisch (kommt ganz frisch in den Mund), gartenfrisch kommt frisch aus dem Garten), geruchfestes Geschirr (kein Geruch bleibt anhaften), kniefreies Kleid, kochfertige Speisen. Die Publizistik wimmelt von Komposita: Kosmosmacht, Welttitelkämpfe, Haus-Haus-Verkehr (Beförderung von Gütern vom Haus des Absenders bis zum Haus des Empfängers); Boden-Luft-Rakete (Kampfrakete, die vom Boden abgeschossen gegen Objekte in der Luft verwendet wird); Kosten-Nutzen-Rechnung (ständige Beobachtung der Entwicklung der Kosten im Verhältnis zum erreichten ökonomischen Nutzen); Sekretärinnen-Verhältnis (Verhältnis von Chef und Sekretärin).
4. Der Dichter schafft neue Komposita im Streben nach einem präzisieren und ausdrucksvolleren Wort: Was ist denn Zeit? Den Raum nehmen wir doch mit unseren Organen wahr, mit dem Gesichssinn und dem Tastsinn. Schön! Aber welches ist denn unser Zeitorgan? [Mann 2] Der Kontext enthält schon alle Elemente, die das Erscheinen einer Neuschöpfung vorbereiten Zeit, Organ > Zeitorgan. Oft sind die dichterische Komposita emotional: honigsüße Liebe; oder berufsmäßig gefärbt: ferkeljung, stierwild; oder ironisch gefärbt: sackleere Eisamkeit, eigenbeinig hinterm Pflug einhertrampeln [Srittmatter1].
Das Verständnis einer okkasionellen Zusammensetzung wird wesentlich erschwert, wenn der Schöpfer die Gesetze der inneren Valenz verletzt. In den Wörtern dumm-schlaue Diplomaten [Tucholsky], unser neualter Bergdienst [Mann], nahfern [Goethe], Unglücksglück [Seghers] sind Gegensatzbegriffe oxymoronartig gekoppelt, wodurch die semantische Kongruenz gestört wird [näheres siehe Riesel, Schendels: 181-183]