Guten Tag, meine Damen und Herren.
Die heutige Vorlesung ist dem Thema „Strategien beim Simultandolmetschen“ gewidmet.
Dabei möchte ich auf folgende Punkte eingehen, und zwar:
Worum geht es in dieser Vorlesung?
1. Allgemeines über Strategien beim Simultandolmetschen.
2. Begriffsdefinition: Strategie.
3. Dolmetschstrategien beim Simultandolmetschen
4. Anwendung der Dolmetschstrategien anhand der Video-Aufnahmen.
Für die Vorlesunf so wie für ihre selbsständige Arbeit würde ich Ihnen folgende Liste der Quellen empfehlen, die Sie später auch in der Pause erhalten können.
Nun kommmen wir zum ersten Teilthema unserer Vorlesung:
1. Allgemeines.
Letztes Mal haben wir über Unterschiede zwischen Übersetzen und Dolmetschen gesprochen. Jetzt möchte ich Ihnen eine kurzeZusammenfassung anbieten
Also, Übersetzer – Dolmetscher
Übersetzer – so sehen mich meine Freunde, meine Familie, mein Redakteur, so sehe ich mich selbst, so sieht mich die Gesellschaft, die immer noch denkt, dass ich Dolmetscher bin! Und wie das eigentlich in der Realität ist.
Dolmetscher – Was denken meine Freunde an meine Arbeit, was denkt daran meine Mutter, die Gesellschaft, meine Nachbarn, was denke ich selbst, was ich mache, und was mache ich eigentlich?
Dolmetschen ist eine komplexe und kognitive Aktivität, bei der verschiedene Prozesse gleichzeitig bewältigt werden müssen. Neben monolingualer Textverarbeitung braucht man dazu auch dolmetschspezifische Strategien, die erworben werden müssen. Nur so können konkrete Schwierigkeiten und Probleme bewältigt werden, die beim Dolmetschen jederzeit auftreten können.
Sowohl beim Konsekutivdolmetschen als auch beim Simultandolmetschen werden diese spezifischen Strategien benötigt:
- Beim Konsekutivdolmetschen braucht der Dolmetscher vor allem Strategien zur Textspeicherung und -memorisierung (Notation und Gedächtnis), gefolgt von der Textproduktion.
- Beim Simultandolmetschen muss der Dolmetscher vor allem Methoden verwenden, um gleichzeitig Texte aufzunehmen und Texte zu produzieren (verstehensstützende Strategien und Monitoring).
Ein Dolmetscher muss also Methoden beherrschen, um die kognitive Belastung zu verringern und Wortfindungsprobleme zu bewältigen. So werden mehr Kapazitäten für andere Bereiche verfügbar, zum Beispiel die Outputkontrolle (Gesamtheit der Informationen) und das Formulieren in der Zielsprache. Diese Werkzeuge muss der Dolmetscher bewusst oder unbewusst, effizient, systematisch und zielorientiert einsetzen, um die Qualität seiner Arbeit zu verbessern.
Die einzelnen Methoden sind dabei eng miteinander verknüpft und können daher nur gemeinsam betrachtet oder angewandt werden. Meist nutzt ein Dolmetscher eine Mischform von zwei oder mehreren Strategien.
Die Methoden variieren je nach Sprachenpaarkombination. Bei syntaktisch sehr verschiedenen Sprachenpaaren (z.B. Deutsch – Englisch oder Französisch) müssen andere Strategien eingesetzt werden als bei syntaktisch ähnlicheren Sprachen (z.B. Spanisch – Französisch). Ähnliches gilt, wenn man aus einer Sprache mit höherer Redundanz (überflüssig, entbehrlich) in eine eher dichte Sprache dolmetscht: Ich wasche mir die Hände - Я мию руки.
Die Dolmetschdidaktik soll diese Strategien zu vermitteln. Während des Studiums und im Berufsleben werden diese Strategien zunehmend unwillkürlich eingesetzt und erleichtern dem Dolmetscher so seine Tätigkeit erheblich. Diese Strategien sind elementarer Bestandteil des Dolmetschens.
2. Begriffsdefinition: Strategie
Im Duden (2004:862) findet sich eine allgemeine Definition des Begriffs „Strategie“:
„Stra|te|gie [∫trate'gi:], die; -, Strategien [∫trate'gi:əәn]: genauer Plan für ein Verhalten, der dazu dient, ein (militärisches, politisches, psychologisches o.ä.) Ziel zu erreichen und in dem man alle Faktoren von vornherein einzukalkulieren versucht“.
Diese Definition ist für alle Disziplinen passend, in denen es zielgerichtete Handlungen gibt.
Van Dijk und Kintsch schreiben in ihrem Werk Strategies of Discourse Comprehension, dass die Strategien nicht nur dem Erreichen eines konkreten Ziels dienen, sondern auch helfen, dieses Ziel am effektivsten zu erreichen. Sie bestimmen also die Art und Weise des Handelns. Die Autoren betonen auch, dass es wichtig ist, den Begriff „Strategie“ von solchen Begriffen wie „Plan“, „Regeln“ und „Taktik“ zu unterscheiden. Der Plan ist eine Vorstellung von irgendeiner Tätigkeit. Die Strategie ist umgekehrt eine allgemeine Vorstellung vom Stil, der bei der Ausübung dieser Tätigkeit am effektivsten sein kann.
Regeln sind mehr oder weniger generelle Konventionen, die für alle gelten, Strategien sind dagegen individuelle Arten, Regeln zu benutzen, um persönliche Ziele zu erreichen. Die Autoren erwähnen auch, dass die Strategien immer geändert werden können, sobald sie nicht mehr optimal sind (vgl. van Dijk/Kintsch 1983:64.ff).
Van Dijk und Kintsch schreiben weiter, dass man die Strategien erlernen muss, bevor sie automatisch verwendet werden. Sie sind der Meinung, dass wir in unserem Leben immer neue benötigen, weil sich die Formen der Kommunikation ständig entwickeln. Manche Strategien erlernen wir bereits in der Kindheit, manche können aber nur dank speziellem Training erworben werden.
Viele AutorInnen (z. B. Kalina 1998, Kucharska 2009) sind aber der Meinung, dass man diese Thesen über die Strategien auch auf die bilinguale, gemittelte Kommunikation übertragen kann. Man kann sie also auch für die Analyse der Dolmetschsituation anwenden.
Simultandolmetschen als eine Art der Translation hat nach der Skopostheorie
(Vermeer 1990) und nach der Theorie des translatorischen Handelns (Holz-Männtäri 1984) ein bestimmtes Ziel (Skopos), das unter Verwendung von Strategien zu erreichen ist. Dabei spricht man in diesem Fall von mehreren Strategien, die gleichzeitig verwendet werden, damit dieses Ziel erreicht wird (vgl. Kucharska 2009:13).
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Strategien dazu dienen, ein konkretes
Ziel möglichst effizient zu erreichen. Sie müssen erlernt werden, damit sie automatisch verwendet werden. Dafür benötigt man manchmal ein spezielles Training (vgl. van Dijk/Kintsch 1983:64.ff). Simultandolmetschen hat wie andere Disziplinen ein bestimmtes Ziel, das dank gezielter Strategien erreicht werden kann (vgl. Kucharska 2009:13).
Im folgenden Punkt werden die Dolmetschstrategien beim Simultandolmetschen
besprochen. Es werden außerdem manche Klassifizierungen von Dolmetschstrategien vorgestellt.