Wortbedeutung als Hauptbegriff der Semasiologie und Onomasiologie

Das Wort ist ein bilaterales sprachliches Zeichen, eine dialektische Einheit von Formativ (Lautfolge) und Bedeutung (Bewusstseinsinhalt). Als anerkannt gilt folgende Definition: Die Bedeutung ist ein gesellschaftlich determiniertes interindividuelles Abbild der Merkmalstruktur eines Gegenstandes oder einer Erscheinung der objektiven Realität.

Die lexikalische Bedeutung ist komplexer Natur. Sie enthält drei Kom­ponenten: die denotative, signifikative und konnotative Komponente. Die denotative Komponente ist die in einer sprachlichen Äußerung realisierte Funktion des Zeichens, eine be­stimmte Erscheinung der objektiven Realität (Gegenstand, Denotat) zu re­präsentieren. Dieser Aspekt der Bedeutung wird als denotative Bedeutung bezeichnet.

Die signifikative Komponente resultiert aus der Funktion des Wortzei­chens, das interindividuell invariante Abbild der Merkmalstruktur einer Erscheinung der objektiven Realität zu sein. Sie können als Benennungen für ganze Klassen von Gegenständen dienen.

Die konnotative Komponente resultiert aus wertenden semantischen Merkmalen der signifikativen Bedeutung der Wörter. In den Wertungen drücken sich die Beziehungen des Menschen zu den Erscheinungen der objektiven Reali­tät aus. Solche Wertungen werden in der signifikativen Bedeutung sprachli­cher Zeichen als begrifflich wertende semantische Merkmale fixiert und kodifiziert. Vgl. Wörter wie Geläufe, Visage, Früchtchen („Taugenichts", „Nichtsnutz"), Flasche („unfähiger Mensch, Versager, bes. auf sportlichem Gebiet"). Dieser Aspekt ergibt die konnotati­ve Bedeutung.

In der semantischen Struktur mehrdeutiger Wörter kann man die folgenden Typen der Bedeutungen aussondern (drei Oppositionen):

1. Hauptbedeutung — Nebenbedeutungen. Die Hauptbedeutung ist die Bedeutung, die zu einem bestimmten Zeitpunkt als gesellschaftlich wichtigste Bedeutung im Bewusstsein der meisten Sprachträger zuerst realisiert wird. Die Nebenbedeutungen sind andere sekundäre Sememe, die von der Hauptbedeutung semantisch abgeleitet sind. Gewöhnlich entstehen sie durch metaphorische oder metonymische Übertragung. z.B., es gibt vier Nebenbedeutungen des Wortes „grün" — 1. frisch: grünes Gras; 2. unreif: ein grüner Apfel; 3. roh, ungesalzen: grüner Hering; 4. (ugs. abwertend) unerfahren, sozial unreif: ein grüner Junge.

2. Direkte, eigentliche — übertragene, uneigentliche Bedeutung. Die direkte Bedeutung des Wortes entsteht bei der primären Nomination von Gegenständen und stimmt oft mit der Hauptbedeutung überein. Übertragene Bedeutungen entstehen bei der sekundären Nomination und beziehen sich auf die Denotate indirekt, durch semantische Übertragung, durch ein Bild, einen Vergleich, z. B.: ein schlauer Mensch — ein schlauer Plan. Die semantische Übertragung erfolgt in verschiedenen Richtungen: konkret — abstrakt (das häufigste Modell), physisch — psychisch, moralisch, Tier — Mensch (z.B., die Wörter „Esel“, „Fuchs“ in Bezug auf den Menschen), Körperteil — Gegenstand, Instrument (z.B., Bein des Stuhles, Tisches).

3. Syntaktisch freie — phraseologisch gebundene Bedeutung. Diese Unterscheidung gründet sich auf das Verhältnis zwischen der Wortbedeutung und seiner Umgebung, dem Kontext. Syntaktisch freie Sememe kommen in einer großen Anzahl von Kontexten vor, sie sind weniger kontextabhängig. In der Regel ist die direkte, die Hauptbedeutung des Lexems auch eine syntaktisch freie Bedeutung. Phraseologisch gebundene Bedeutungen werden nur in einer begrenzten Anzahl von Kontexten realisiert: grüner Hering, ein grüner Junge, ein heller Kopf (ein kluger Mensch). Manchmal verbinden sich phraseologisch gebundene Bedeutungen mit einem einzigen Wort: blinder Passagier — Fahrgast ohne Fahrkarte (an Bord eines Schiffes, eines Flugzeuges).

Nicht nur die Lexik als Ganzes, sondern auch potenziell jedes Wort und seine Bedeutung hat dynamischen Charakter. Unter der Einwirkung kognitiver und kommunikativer Bedürfnisse entwickelt das Wort neue, neologische Bedeutungen, andere Bedeutungen dagegen gelten als veraltet, nicht mehr dem modernen Sprachgebrauch entsprechend.

Neologismen

Das Wort Neologismus entstand aus den griechischen Stämmen neo (neu) und logos (Wort). Als Neologismen gelten nach Th. Schippan nur Neubildungen (nach Wortbildungsmodellen gebildete Wörter) und Wortschöpfungen (erstmalige Verbindungen von Formativen und Bedeutungen), die Veränderungen in verschiedenen Bereichen des sozialen Lebens widerspiegeln. Andere Linguisten beziehen auf die Neologismen auch neue Entlehnungen. Neologismen können durch Wortbildung, Entlehnung, Bedeutungswandel, Bildung der festen Wortverbindungen entstehen. Neue Wörter entstehen beständig, unaufhörlich und immer im engen Zusammenhang mit der konkreten Geschichte des Volkes, mit den Veränderungen auf allen Gebieten des Lebens. Entsteht ein neuer Gegenstand, wird eine neue Erfindung oder Entdeckung gemacht, so muß dieses neue Denotat genannt werden. Auf diese Weise entstehen Neologismen, die ebenso wie Archaismen eine historische Erscheinung darstellen.

Jeder Neologismus kann nur in einem bestimmten Zeitabschnitt als solcher aufgefasst werden. Um einen Neologismus festzustellen, muß man die Zeit seines erstmaligen Gebrauchs fixieren, erst zu dieser Zeit und kurz darauf kann ein Wort als Neologismus gelten. Andererseits besteht eine solche Meinung: ein Neologismus, wenn er erst einmal usuell wird, ist eigentlich kein Neologismus mehr. Nach Ansicht einiger Neologismenforscher empfindet das gesellschaftliche Sprachbewusstsein ein Wort als neu im Laufe von 1 — 5 Jahren.

Es gibt zwei Klassifikationen der Neologismen:

1. Die traditionelle deutsche Klassifikation unterscheidet:

1) Sprachliche oder allgemeine (lexikalische) Neologismen, das waren z. B. Neologismen der zweiten Hälfte des XX. Jhs. aus den beiden deut­schen Staaten: Jugendzug, Jugendfürsorge, Jugendfreund, Jugendobjekt aus der Ex-DDR; Bundesrepublik, Bundespräsident, Bundesbürgeraus der BRD.

2) Stilistische Neologismen (individuelle Neologismen, Autorenneolo­gismen, Einmal- oder Augenblicksbildungen), die zu besonderen stilistischen Zwecken von verschiedenen Autoren gebraucht werden. z.B.: Übermensch von Goethe; Gedankenfreiheit, verhängnisvoll von Schiller. Die meisten Neuschöpfungen dieser Art sind jedoch Einmalbildungen, sind kontextgebundene Gelegenheitsbildungen.

2. Die Klassifikation von R. Klappenbach und W.Steinitz ist auf der Grundlage des „Wörterbuchs der deutschen Gegenwartssprache" entstanden. Die Autoren dieses Wörterbuchs unterscheiden: 1) Neuwörter; 2) Neuprägungen; 3) Neubedeutungen

Unter den Neuwörtern werden solche Wörter verstanden, die in der Sprache neu aufgekommen sind. Die meisten der Neuwörter sind Entlehnungen (aus anderen Sprachen entlehnte Wörter): Trend, Computer u.a.. Die meisten Neuwörter der letzten Zeit sind aus dem Englischen entlehnen. Die Kunstwörter, die für die Bezeichnung neuer Gegenstände und Begriffe ausgedacht werden, kann man auch zu den Neuwörtern zählen: Xerox, Internet. Die Abbreviaturen kann man auch als eine Art von Neuwörtern betrachten: PR (Public Relations), PC (Personalcomputer), WWW (World Wide Web).

Unter Neuprägungen werden solche Wörter verstanden, die aus schon bestehenden Wörtern neu geschaffen wurden: brandeilig, touren (совершать тур). Was die Wege der Entstehung der Neuprägungen anbetrifft, so muß betont werden, daß die Zusammensetzung und Ableitung besonders oft gebraucht werden: Scheidungsboom, Scheidungsanstieg, Kultautor, Kultbuch. Als eine Abart der Neuprägungen kann man einige Gruppen von Kurzwörtern – sogenannte Kopfwörter – betrachten: Pop-Cafe, Info (Information), Diss (Dissertation), Assi (Assistent), Aerobatik (Aero + Akrobatik).

Unter Neubedeutungen werden neue Bedeutungen verstanden, die schon vorhandene Wörter angenommen haben: Renner (besonders populäre Ware), geschockt, allergisch (Antipathie: Du bist einfach allergisch gegen ihn. Ich bin gegen Mathematik allergisch).

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