Ein virtueller Gang durch Berlin
(Samstagmorgen. Michael und Natascha mit ihren Gästen Klaus und Boris beim Frühstück)
Natascha: Ging das, Boris? Die Nacht auf der Couch? Und noch bei Ihrer Größe!
Boris: Famos! Ich war nach dem gestrigen Tag viel zu müde, um an etwas anderes als an Schlaf zu denken.
Natascha: Und heute dann wieder im Zeitraffertempo durch Berlin! Wissen Sie schon, was Sie sich alles ansehen wollen?
Boris: Das könnten wir jetzt, vor dem Aufbruch, vielleicht mal alle gemeinsam überlegen.
Klaus: Ich denke, wir werden als Einstieg mal den Weg über „Unter den Linden“ nehmen, vorbei am Fernsehturm. Der ehmalige Palast der Republik wurde wie das Staatsgebäude abgerissen.
Michael: Und jetzt soll das alte Schloss wiedererstehen.
Klaus: Wir schweifen ab ins Wesentliche der Wiedervereinigung.- Ja, Boris will unbedingt das Brandenburger Tor und den Reichstag sehen.
Michael: Ah, wo der Rotarmist die russische Siegesflagge hisste.
Natascha: Ein Symbol des Siegs. Muss Boris sehen!
Michael: Übrigens kommt ihr, links vor dem Brandenburger Tor, an der Russischen Botschaft vorbei; und davor liegt – ganz wichtig für euch – das „Handels- und Wirtschaftsbüro bei der Russischen Botschaft“ [email protected]. Manche Internet-Adressen muss man als Journalist ja im Kopf haben.
Natascha: Jetzt seid ihr aber auf der Suche nach „Russland in Berlin“. Ja, in den 20er Jahren war hier eine russische Kolonie von Intellektuellen und Künstlern! Männer! Wo bleibt da die Gegenwart, das Leben!
Michael: Mach dich nicht lustig über uns! Aber wenn Boris schon bis zum Reichstag und Regierungsviertel vorgedrungen ist, dann kann er in Richtung Siegessäule doch auch noch das Sowjetische Ehrenmal mitnehmen.
Natascha: Ich sehe, ihr seid mal wieder sehr männlich konsequent. Wie weiter? Museen sind auch nichts bei der kurzen Zeit. Von außen seht ihr viele ja schon auf eurem Weg über „Unter den Linden“: die Museumsinsel, das Zeughaus; und der Weg an sich ist ja schon ein Gang durch ein Museum - mit den verschiedenen Palais, der Staatsoper, der Humboldt-Universität und der Staatsbibliothek; und mittendrin, wieder reitend, „der Olle Fritz“.
Michael: Natascha, du bist heute Morgen mal wieder grandios! - Wie wär‘s denn mit den restaurierten Hack‘schen Höfen?
Natascha: Das wäre ein etwas anderer Weg. Vielleicht auf dem Rückweg. Aber sonst sagst du doch immer, dass du dieses Durchgestylte nicht magst.
Michael: Na, wenn ein Besuch doch etwas sehen soll, ist das ja etwas anderes. Das Nicolai-Viertel, wo Lessing wohnte, oder das Sophienviertel – altes Arbeiterviertel des 19. Jahrhunderts – sind ja auch nicht mehr das, was sie mal waren. Übrigens: Borsig baute damals hier die ersten Lokomotiven. Die Anfänge der Industriestadt Berlin.
Klaus: Und wenn ihr gleich zum Alexanderplatz wollt, nehmt ihr den Bus oder die U-Bahn.
Boris: U-Bahn wäre interessant im Vergleich mit Moskau. Aber mit dem Bus sieht man mehr.
Michael: Nehmt hier mal die U-Bahn, und später, für eine längere Strecke, den Bus, vielleicht die Linie 100.
Natascha: Na, da seht mal, ihr Dreimalklugen. Bisher noch kein Wort vom westlichen Prunkstück, dem Potsdamer Platz, mit Daimler-Crysler und Sony, und vom Bahnhof Zoo und dem schönen Mercedes-Stern. Ist das Bosartigkeit, oder unbewusste Verweigerung?
Michael: Kann sein. Na ja, wenn ihr den Abstecher vom Reichstag zum Potsdamer Platz macht, könnt ihr dort jedenfalls im McDonald oder bei dem Chinesen in der Passage billig zu Mittag essen. Der Chinese ist wirklich gut.
Klaus: So, das wär‘s denn auch schon.
Natascha: Jüngelchen, man merkt, du kommst aus der Provinz. Ich hab gestern Abend noch schnell meinen Baedeker herausgesucht. Wenn du ihn mitnehmen willst? Eine kleine Karte vermittelt dir einen Überblick …
Klaus: Unser Weg bis zum Reichstag steht ja jetzt fest. Und, Boris, das Weitere überlegen wir vielleicht am Potsdamer Platz beim Mittagessen. Also: Einen Chinesen gibt’s da. Merken wir uns. Und die Stalin-Allee sollten wir heute Nachmittag vielleicht auch nicht ganz außen vorlassen.
Eine Touristengruppe ging durch die Stadt.
Ein Tourist fragt den Fremdenführer:
„Wurden hier in der Stadt nicht auch große
Persönlichkeiten geboren?“
„Nein, immer nur kleine Kinder“,-
war die Antwort.
Texterläuterungen
Palast der Republik – 1976 erbaut als Sitz der Volkskammer der ehem. DDR, zugleich Kongress-, Kultur- und Gaststättenzentrum genutzt. 2006 nach langem Für und Wider abgerissen. An seiner Stelle soll partiell das Stadtschloss wiedererstehen
Stadtschloss – das Schloss der preußischen Könige bzw. ab 1871 des deutschen Kaisers in Berlin Mitte. Der im Krieg beschädigte Bau wurde aus ideologischen Gründen 1961 gesprengt
Unter den Linden - die 1,5 km lange Repräsentationsallee der Hauptstadt, von Friedrich II.gestaltet
Museumsinsel- Spreeinsel mit einem Gebäudeensemble von fünf bedeutenden Museen: das Alte und Neue Museum; die Nationalgalerie, das Pergamon- und das Bode-Museum; im März 2000 in die Liste des Natur- und Kulturerbes der UNESCO aufgenommen
Zeughaus - Gebäude zur Aufbewahrung des Kriegsmaterials (Waffenarsenal; 1706 vollendet. Mit den Masken der sterbenden Krieger von Andreas Schlüter an der Fassade des Innenhofes gehört es zu den bedeutendsten barocken Architekturdenkmälern Berlins. Die ursprüngliche Bedeutung von „Zeug“ ist: Waffen (vgl. „Streitzeug“)
Humboldt-Universität– benannt nach Wilhelm v. Humboldt, der im Rahmen der preußischen Reformen (1810-13) das Bildungssystem im humanistischen Sinne modernisierte, u.a. die Schulform des Gymnasiums einführte. Die „Universität Berlin“ wurde 1810 als Friedrich-Wilhelm-Universität gegründet und 1949 nach W. von Humboldt umbenannt
„der Olle Fritz“ – Berlinerisch für „der Alte Fritz“, Friedrich II. von Preußen; hier bezogen auf das große, den reitenden König darstellende Denkmal (1857) von Christian Daniel Rauch (1777-1857). Nach 1945 entfernt, in den 70-ger Jahren wieder aufgestellt.
Hackesche Höfe – vorzüglich restauriertes Gebäudeensemble aus acht Gebäudegruppen von 1906 mit sehr hohen Mieten, teuren Etablissements und Gaststätten; der größte zusammenhängende Wohn- und Gewerbekomplex seiner Art in Europa
Borsig- 1837 von August Borsig (1804-54) im Zuge der Industrialisierung Berlins gegründete weltbekannte Maschinenfabrik. 1841 verließ die erste in Deutschland gebaute Lokomotive das Werk
Provinz– Anspielung darauf, dass Klaus aus Köln kommt. Die ehemals Freie Reichsstadt wurde innerhalb des Rheinlands 1815 auf dem Wiener Kongress diskriminierend als „Rheinprovinz“ dem preußischen Staat zugeordnet
Alex – Alexanderplatz, 1805 so benannt zu Ehren von Zar Alexander I.
Baedeker - bekanntestes deutsches Reisehandbuch aus dem 1827 in Leipzig von Karl Baedeker gegründeten Verlag; heutiger Sitz bei Stuttgart
Fernsehturm –1965-69 erbaut; mit seiner Höhe von 368 m im Volksmund „Telespargel“ genannt. In 207 m Höhe befindet sich ein rotierendes Tele-Café, das sich in 59 Minuten einmal um die eigene Achse dreht
Wörter und Wendungen
abreißen* vt | сносить, ломать (здание) |
abschweifen vi (s) | сбиться с пути, отклониться от темы |
Abstecher m -s, = | кратковременная поездка |
Aufbruch m -(e)s, ..brüche | уход, отъезд (гостей); отправление (в дорогу) |
Bösartigkeit f =,nur Sg. | злость, злоба; коварство |
Botschaft f =, -en | посольство |
Ehrenmal n -(e)s, -e/..mäler | памятник в (честь кого-л., чего-л.) |
Einstieg m -(e)s, -e | первые шаги, начало; вступление |
famos | отличный, великолепный, чудный |
hissen vt | поднимать, водружать |
Palais n =, [pale: ] , pl = [pale: s] | дворец |
Prunk m -(e)s,nur Sg. | роскошь, блеск, великолепие, пышность |
Reliquie f =, -n | реликвия |
Rückweg m -(e)s, -e | обратный путь |
Siegesflagge f =, -n | знамя победы |
Staatsoper f =, -n | государственный оперный театр |
Tor n -(e)s, -e | ворота |
Verweigerung f =, -en | отказ (сделать что-л.) |
vordringen*vi(s) | проникать; продвигаться вперёд (тж. воен.) |
vorlassen* vt | пропустить вперед |
Zeitraffer m -s, = | цейтрафер (аппарат для замедленной покадровой киносъёмки) |
Aufgabe 2. Ordnen Sie der Reihe nach den Gang durch Berlin:
1. Potsdamer Platz 2. Reichstag 3. Staatsoper 4. Arbeiterviertel 5. Alexanderplatz | 6. Fernsehturm 7. Brandenburger Tor 8. Bahnhof Zoo 9. Stalin - Allee 10. „Unter den Linden“ |
Aufgabe 3. Stellen Sie eine Liste der genannten sehenswürdigen Objekte in Berlin auf.