Die quergestreifte Muskulatur (Skelettmuskulatur)
Muskeln gehören zum Stütz- und Bewegungsapparat des Körpers. Anders als bei den passiven Strukturen des Stützapparates, den Knochen, Knorpeln und Bändern, kann auf die Skelettmuskulatur durch Bewegung und Training aktiv Einfluss genommen werden.
Bei aktiver Bewegung findet ein Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung der Muskeln statt. Die quergestreifte Skelettmuskulatur besteht aus nahezu allen Muskeln, die willentlich angespannt werden können, und macht 35 - 45 % der Körpermasse aus.
Bei komplexen Bewegungsabläufen werden viele der 640 Muskeln gemeinsam tätig. So sind am Lachen etwa 15 Muskeln beteiligt, beim Balancieren beispielsweise schon Dutzende.
Der elementare Baustein des Skelettmuskelgewebes ist die quergestreifte Muskelfaser. Im Inneren der Muskelfasern befinden sich die Myofibrillen, die in Längsrichtung verlaufen und sich bei Anspannung verkürzen. Die unter dem Mikroskop sichtbare Querstreifung entsteht dadurch, dass die Myofibrillen abwechselnd aus hellen und dunklen Elementen bestehen, die auf gleicher Höhe liegen.
Aufgaben der Skelettmuskulatur
Der Skelettmuskel erfüllt mehrere Aufgaben:
§ aktive Bewegung des Körpers, zum Beispiel Gehen, Laufen oder Greifen eines Gegenstands
§ aufrechte Körperhaltung
§ Energieumsatz (in Ruhe fallen etwa 20 - 25 % des Energieumsatzes auf die Skelettmuskulatur, das heißt je stärker diese trainiert ist, desto mehr Energie verbrauchen wir in Ruhe)
§ Wärmeproduktion (Wärme entsteht, weil von der Energie, die zur Anspannung des Muskels eingesetzt wird, nur 45 % für die Kontraktion selbst gebraucht werden; als "Abfallprodukt" entsteht Körperwärme)
Im Krankheitsfall, zum Beispiel bei Fieber, wird die Muskulatur ausschließlich als Wärmelieferant genutzt. Durch Schüttelfrost ist sie in der Lage, 85 % der Körperwärme zu erzeugen.
Muskulatur bei Männern und Frauen
Männer verfügen von Natur aus über mehr Skelettmuskelgewebe als Frauen. Frauen können nur 65 % der Muskelkraft eines durchschnittlichen Mannes entwickeln.
Die wichtige Stütz- und Bewegungsfunktion der Rückenmuskulatur
Entsprechend ihrer Stütz- und Bewegungsfunktion wird die Rückenmuskulatur in zwei Systeme aufgeteilt:
Das globale, "lange" System besteht aus langen Muskeln, zum Beispiel den Rückenstreckern rechts und links neben der Wirbelsäule. Sie liegen an der Oberfläche unseres Körpers und dienen der Bewegung.
Das lokale, "kurze" System besteht aus kurzen, querliegenden Muskeln, die gelenknah verlaufen und die Wirbelsäule Segment für Segment stabilisieren. Auf diese Weise wird die Wirbelsäule vor abrupten Bewegungen und Überlastung geschützt. Für einen schmerzfreien Rücken ist dieses Muskelkorsett von grundlegender Bedeutung.
Geht die Stabilität verloren, sind die knöchernen Strukturen der Wirbelsäule und die Bandscheiben nicht mehr optimal geschützt. Bestimmte Alltagsbewegungen oder Belastungen können als Folge Schaden anrichten und zu Schmerzen führen.
Zu den stabilisierenden Muskeln der Wirbelsäule gehören auch die schrägen Bauchmuskeln, die wie das "kurze System" in der Tiefe und gelenknah sitzen. Beim Training werden sie fatalerweise oft vergessen.
Unsere Muskulatur als Boten der Bewegung
Während der muskulären Aktivität, zum Beispiel beim Laufen oder Heben von Gegenständen, kommt es förmlich zu einer Reizüberflutung in unseren Skelettmuskeln. Nerven als Befehlsgeber, Blut als Versorger und das Bindegewebe als Verstärker haben wesentlichen Einfluss darauf, wie unsere Muskelfasern auf einen Reiz reagieren und wie sie diesen Impuls als "Boten der Bewegung" in unserem Körper verteilen.
Nerven als Befehlsgeber
Muskeln und Nerven bilden zusammen "motorische Einheiten". Wenn ein Befehl zur Bewegung aus dem zentralen Nervensystem, also dem Gehirn oder dem Rückenmark, eintrifft, führen elektrische Impulse zu einem Einströmen von Kalzium in die Muskelzelle, was eine Kontraktion bewirkt.
Blut als Versorger
Das Blut liefert unterschiedliche Botenstoffe, Sauerstoff und die Nährstoffe, die jeder Muskel für seine Arbeit braucht: Fett, Traubenzucker (Glucose) und Aminosäuren (Proteine). Über die Kapillaren werden die Muskelzellen damit versorgt. Gleichzeitig werden über die Kapillaren die Abfallprodukte des Muskelstoffwechsels, unter anderem Kohlendioxid, abtransportiert. Zusätzlich verbreiten sich zahlreiche Proteine, die während des Muskelaufbaus entstanden sind, im ganzen Körper und regen das Immunsystem an.
Das Bindegewebe als Verstärker
Jede Muskelfaser ist eine Zellstruktur mit vielen Zellkernen, die von Bindegewebe umhüllt ist. Das Bindegewebe verbindet die Muskelfasern untereinander. Bei Bewegung werden Signalstoffe ausgeschüttet, die das Muskelwachstum anregen.
Sportler verstärken diesen Effekt zum Beispiel durch das Anlegen eines Tape-Verbandes. Die Klebestreifen geben bei jeder Bewegung über die Hautbehaarung Reize über sogenannte Mechanorezeptoren an das Bindegewebe weiter. Ein Tape-Verband stützt also nicht nur äußerlich, sondern fördert auch die Tiefensensibilität, das heißt die "blinde" Koordination des Muskels, die nach Verletzungen gestört ist.
Die glatte Muskulatur
Glatte Muskelzellen befinden sich in den Wänden der meisten Organe und in den Blutgefäßen. Ihre Aktivität kann nicht bewusst beeinflusst werden. Sie werden über das vegetative Nervensystem angeregt und sind entscheidend an der Steuerung des Kreislaufs, der Blutzirkulation, der Atmung, des Stoffwechsels, der Verdauung, des Salz- und Wasserhaushaltes sowie auch der Sexualfunktionen beteiligt.
Zwar kann kein direkter Einfluss auf die glatte Muskulatur ausgeübt werden, jedoch können durch körperliche Aktivität und Krafttraining die Muskelmasse erhöht, dadurch das Herz-Kreislauf-System gestärkt und dadurch wiederum nachweislich unbewusste Prozesse, zum Beispiel die Verdauung, positiv beeinflusst werden.
Die Herzmuskulatur
Als sogenannter Hohlmuskel besteht die Herzwand hauptsächlich aus Muskelgewebe. Der Herzmuskel kontrahiert unwillkürlich, rhythmisch und kontinuierlich ungefähr 70-mal in der Minute. Wir können ihn nicht bewusst anspannen oder entspannen.
http://sprechstunde.gesundheit.spiegel.de/gesund-leben/sport-und-bewegung/muskulatur
Muskeltraining
Eine gut trainierte Muskulatur fördert Gesundheit und Wohlbefinden. Ausdauer- und/oder Krafttraining leisten also einen wichtigen Beitrag zu einer guten körperlichen und seelischen Gesamtverfassung.
Lange Zeit interessierten sich Bewegungsforscher vor allem für das Herz und vernachlässigten die Muskulatur. Mittlerweise hat man die medizinische Bedeutung der Muskeltrainings in der Vorbeugung (Prävention), Behandlung (Therapie) und Genesung (Rehabilitation) von vielen Krankheiten erkannt.
Selbst ohne Herz-Kreislauf-Training wirkt Muskelkraft nachweislich lebensverlängernd. Trainiert man beides zusammen, ist der Effekt noch größer.
Die neuesten sportmedizinischen Erkenntnisse offenbaren, dass die Beschaffenheit der Skelettmuskulatur durch Sport positiv beeinflusst werden kann. Regelmäßiges Ausdauertraining fördert die Ausbildung der ausdauernden Muskelfasern, die den gesamten Stoffwechsel beeinflussen und deshalb eine gesundheitswirksame Ausstrahlung auf den ganzen Körper haben.
Von der Schonung zur Aktivität
Durch regelmäßiges Ausdauertraining werden Belastungsreize gesetzt, die positive Anpassungsvorgänge des Herz-Kreislauf-Systems auslösen. Die Verbesserung der Ausdauer führt gleichzeitig zu einer besseren Durchblutung der Muskulatur und bildet die Grundlage des Muskeltrainings.
Bei dauerhafter Inaktivität gerät man in einen Teufelskreis. Die Muskulatur schrumpft, dadurch wird der ganze Körper geschwächt und jede Bewegung fällt zunehmend schwerer. Wenn dann noch Schmerzen dazu kommen, wird sogar die kleinste Bewegung zur Qual. Man bewegt sich noch weniger.
Um den Teufelskreis zu durchbrechen, muss man wieder in Bewegung kommen. Moderate Bewegung ist nachweislich das beste Schmerzmittel.
Beim Muskeltraining gilt das Gleiche wie beim Herz-Kreislauf-Training. Es sind dafür erst einmal keine sportlichen Höchstleistungen nötig. Vielmehr löst jede Bewegung, die wir durch Muskelarbeit hervorbringen, gesundheitswirksame Anpassungsprozesse aus. Zu diesen Bewegungen zählen auch moderate Alltagsbewegungen wie Gehen, Treppensteigen, Radfahren und sogar der Hausputz.
Raus aus dem Bett!
Selbst nach jahrelangem Nichtgebrauch kann das Muskelsystem reaktiviert werden.
Bei totalem Nichtgebrauch verkümmert die Muskulatur. Jeder, der schon einmal einen Gips getragen hat, kennt das. Die Muskulatur ist nach wenigen Wochen steif und verkleinert.
Oder die Morgensteifigkeit: Bereits nach acht Stunden machen sich Verkürzungen der Muskulatur bemerkbar. Wir haben das Bedürfnis, uns zu recken und zu strecken.
Ein Muskel ist immer nur so stark, wie für die Aufgaben nötig ist, die er regelmäßig erfüllen muss. Bettruhe ist demnach vor allem bei Rückenschmerzen alles andere als eine gute Empfehlung.
Wenn die Muskulatur schrumpft und an Kraft einbüßt, verlieren Knochen, Bänder und Bandscheiben ihren Schutz.
Durch ein gezieltes Halte- und Koordinationstraining lassen sich die langen und kurzen Muskeln (autochthone Rückenmuskulatur) auch kombiniert sehr gut trainieren. Zu den stabilisierenden Muskeln der Wirbelsäule gehört die schräge Bauchmuskulatur, die tiefste Schicht aller Bauchmuskeln. Fatalerweise wird sie oftmals im Training vernachlässigt.
Für ein adäquates Ganzkörpertraining sind keine Geräte notwendig. Vierfüßler-Stand, Unterarmstütz und Übungen für die schräge Bauchmuskulatur lassen sich bequem zu Hause auf dem Teppich durchführen.
Zu Beginn ist es ratsam, eine Physiotherapie-Praxis aufzusuchen. Dort kann man sich die individuell richtigen Übungen zeigen lassen. Zusätzlich wird die Körperhaltung auf eventuelle Fehlstellungen überprüft, sodass nicht die Gefahr besteht, dass durch Muskeltraining eine Fehlstellung verfestigt wird.
Unsere Muskeln sind lernfähig
Der Wandel von der Schonung zur Aktivität unseres Körpers ist auf zwei wesentliche Erkenntnisse in der Sportmedizin zurückzuführen:
Erstens wirkt körperliche Aktivität bis in den Kern der Muskelzelle und beeinflusst die Herstellung bestimmter Gene und Proteine.
Zweitens kann Muskeltraining die physiologische Beschaffenheit der Muskeln ändern und dadurch beginnende Krankheitsprozesse umkehren.
Muskeltraining wirkt also wie eine Formel gegen das Altern. Wer seine Körperfunktionen erhält, der verzögert nachweislich seinen Alterungsprozess.
Das Muskelwachstum geht zurück auf die Produktion bestimmter Proteine in der Wachstumsphase. Nur wenn die Reize regelmäßig gesetzt werden, bleiben die Proteine in der Muskelzelle in ausreichendem Maß vorhanden.