Wie Siegfried verraten ward

Man sah am vierten Morgen zweiunddreißig Mann

Hin zu Hofe reiten da ward es kund getan

Gunther dem reichen, es gelt ihm Krieg und Streit.

Die Lüge schuf den Frauen großen Jammer und Leid. (901)

Sie gewannen Urlaub an den Hof zu gehn.

Da sagten sie, sie ständen in Lüdegers Lehn,

Den einst bezwungen hatte Siegfriedens Hand

Und ihn als Geisel brachte König Gunthern in das Land. (902)

Die Boten er begrüßte und hieß sie sitzen gehn.

Einer sprach darunter: “Herr König, lasst uns stehn,

Dass wir die Mären sagen, die euch entboten sind:

Wohl habt ihr zu Feinden, das wisset, mancher Mutter Kind. (903)

“Euch widersagt Lüdegast und auch Lüdeger:

Denen schuft ihr weiland grimmige Beschwer;

Nun wollen sie mit Heereskraft reiten in dies Land.”

Der Fürst begann zu zürnen, als ihm die Märe ward bekannt. (904)

Man ließ die falschen Boten zu den Herbergen gehn.

Wie mochte wohl Siegfried der Tücke sich versehn,

Er oder anders jemand, die man so heimlich spann?

Doch war es ihnen selber zu großem Leide getan. (905)

Der König mit den Freunden ging raunend ab und zu;

Herr Hagen von Tronje ließ ihm keine Ruh.

Noch wollt es mancher wenden in des Königs Lehn;

Doch nicht vermocht er Hagen von seinen Räten abzustehn. (906)

Eines Tages Siegfried die Degen raunend fand.

Da begann zu fragen der Held von Niederland:

“Wie traurig geht der König und die in seinem Bann?

Das helf ich immer rächen, hat ihnen jemand Leid getan.” (907)

Da sprach König Gunther: “Wohl hab ich Herzeleid:

Lüdegast und Lüdeger drohn mir Krieg und Streit.

Mit Heerfahrten wollen sie reiten in mein Land.”

Da sprach der kühne Degen: “Dem soll Siegfriedens Hand (908)

Nach allen euern Ehren mit Kräften widerstehn;

Von mir geschieht den Recken was ihnen einst geschehn:

Ihre Burgen leg ich wüste und dazu ihr Land

Eh ich ablasse: Des sei mein Haupt euer Pfand. (909)

Ihr mit euern Recken nehmt der Heimat wahr;

Lasst mich zu ihnen reiten mit meiner Leute Schar.

Dass ich euch gerne diene, lass ich euch wohl sehn;

Von mir soll euern Feinden, das wisset, übel geschehn.” (910)

“O wohl mir dieser Märe,” der König sprach da so,

Als wär er seiner Hilfe alles Ernstes froh;

Tief neigte sich in Falschheit der ungetreue Mann.

Da sprach der Herre Siegfried: “Lasst euch wenig Sorge nahn.” (911)

Sie schickten mit den Knechten zu der Fahrt sich an:

Siegfrieden und den seinen ward es zum Schein getan.

Da gebot er sich zu rüsten denen von Niederland:

Siegfriedens Recken suchten ihr Streitgewand. (912)

Da sprach der starke Siegfried: “Mein Vater Siegmund,

Bleibet hier im Lande: Wir kehren bald gesund,

Wenn Gott uns Glück verleihet, wieder an den Rhein:

Ihr sollt bei dem König unterdessen fröhlich sein.” (913)

Da wollten sie von dannen: Die Fahnen band man an.

Da waren wohl manche in König Gunthers Bann,

Die nicht die Märe wussten, warum es war geschehn.

Groß Heergesinde mochte man da bei Siegfrieden sehn. (914)

Die Panzer und die Helme man auf die Rosse lud;

Es wollten aus dem Lande viel starke Ritter gut.

Da ging von Tronje Hagen hin wo er Kriemhild fand;

Er bat sie um den Urlaub; sie wollten räumen das Land. (915)

“Wohl mir,” sprach Kriemhilde, “dass ich den Mann gewann,

Der meine lieben Freunde so wohl beschützen kann

Wie mein Herre Siegfried tut an den Brüdern mein:

Drum will ich hohen Mutes,” so sprach die Königin, “sein (916)

Lieber Freund Hagen, bedenk mir nun auch das,

Ich dien ihnen gerne, trug ihnen niemals Hass.

Das lass mich auch genießen an meinem lieben Mann;

Er soll es nicht entgelten was ich Brunhilden getan. (917)

Das hat mich schon gereuet,” so sprach das edle Weib,

“Auch hat er so zerbleuet zur Strafe meinen Leib,

Dass ich es je geredet, beschwerte seinen Mut:

Er hat es wohl gerochen, dieser Degen kühn und gut.” (918)

Da sprach er: “Ihr versöhnet euch wohl nach wenig Tagen,

Kriemhilde, liebe Fraue, nun sollt ihr mir sagen,

Wie ich euch dienen möge an Siegfried euerm Herrn;

Ich gönn es niemand besser, und tu es, Königin, gern.” (919)

“Ich wär ohn alle Sorge,” so sprach das edle Weib,

“Dass wer im Kampf ihm nähme das Leben und den Leib;

Wenn er nicht folgen wollte seinem Übermut,

So wär er immer sicher, dieser Degen kühn und gut.” (920)

“Wenn ihr besorget, Fraue,” Hagen da begann,

“Dass er verwundet werde, so vertrauet mir an,

Wie soll ich es beginnen, dem zu widerstehn?

Ihn zu schirmen will ich immer bei ihm reiten und gehn.” (921)

“Du bist mein Verwandter, so will ich deine sein:

Ich befehle dir auf Treue den lieben Gatten mein;

Dass du wohl behütest mir den lieben Mann.”

Was besser wär verschwiegen vertraute sie da ihm an. (922)

Die sprach: “Mein Mann ist tapfer, dazu auch stark genug.

Als er den Linddrachen an dem Berge schlug,

Da badete sich im Blute der Degen allbereit,

Daher ihn keine Waffe je versehren mocht im Streit. (923)

“Jedoch bin ich in Sorgen, wenn er im Sturme steht

Und von der Helden Händen mancher Speerwurf geht,

Dass ich dann verliere meinen lieben Mann.

Hei! Was ich großer Sorgen oft um Siegfried gewann! (924)

“Mein lieber Freund, ich meld es nun auf Gnade dir,

Auf dass du deine Treue bewähren magst an mir,

Wo man kann verwunden meinen lieben Mann.

Das sollst du nun vernehmen: Es ist auf Gnade getan. (925)

Als von des Drachen Wunden floss das heiße Blut,

Da badet' in dem Blute sich der Ritter gut:

Da fiel ihm auf die Achsel ein Lindenblatt gar breit:

Da kann man ihn verwunden, das schafft mir Sorgen und Leid.” (926)

Da sprach von Tronje Hagen: “So näht auf sein Gewand

Mir ein kleines Zeichen: Daran ist mir bekannt,

Wo ich sein hüten müsste, wenn wir in Stürmen stehn.”

Sie wollte sein Leben fristen: Auf seinen Tod wars abgesehn. (927)

Sie sprach: “Mit feiner Seide näh ich auf sein Gewand

Insgeheim ein Kreuzchen: Da soll, Held, deine Hand

Meinen Mann beschirmen, wenns ins Gedränge geht,

Und wenn er in den Stürmen dann vor seinen Feinden steht.” (928)

“Das tu ich,” sprach da Hagen, “viel liebe Fraue mein.”

Wohl wähnte da die Königin, sein Frommen sollt es sein:

Da war hiemit verraten der Kriemhilde Mann.

Urlaub nahm da Hagen: Da ging er fröhlich hindann. (929)

* Was er erfahrne hätte? Bat ihn sein Herr zu sagen.

“Ich will die Reise wenden, wir wollen reiten jagen;

Wohl weiß ich nun die Märe, wie ich ihn töten soll.

Wollt ihr die Jagd bestellen?” “Das tu ich,” sprach der König, “wohl.” (930)

Des Königs Ingesinde war froh und wohlgemut.

Gewiss, dass solche Bosheit kein Recke wieder tut

Bis zum jüngsten Tage, als da von ihm geschah,

Als sich seiner Treue die schöne Königin versah. (931)

Am folgenden Morgen mit tausend Mannen gut

Ritt der Degen Siegfried davon mit frohem Mut:

Er wähnt', er solle rächen seiner Freunde Leid.

So nahe ritt ihm Hagen, dass er beschaute sein Kleid. (932)

Als er ersah das Zeichen, da schickt' er ungesehn,

Andre Mär zu bringen, zwei aus seinem Lehn:

In Frieden solle bleiben König Gunthers Land;

Es habe sie Lüdeger zu dem Könige gesandt. (933)

Wie ungerne Siegfried abließ von dem Streit,

Eh er gerochen hatte seiner Freunde Leid!

Kaum hielten ihn zurücke die in Gunthers Bann.

Da ritt er zu dem König, der ihm zu danken begann. (934)

“Nun lohn euch, Freund Siegfried, den guten Willen Gott,

Dass ihr so gerne tatet was ich mir wähnte Not;

Das will ich euch vergelten, wie ich billig soll.

vor allen meinen Freunden vertrau ich euch immer wohl. (935)

“Da wir des Heerzugs uns so entledigt sehn,

So rat ich, dass wir Bären und Schweine jagen gehn

Nach dem Wasgauwalde, wie ich oft getan.”

Das hatte Hagen geraten, dieser ungetreue Mann. (936)

“Allen meinen Gästen soll man das nun sagen,

Ich denke früh zu reiten: Die mit mir wollen jagen,

Dass sie sich fertig halten; die aber hier bestehn,

Kurzweilen mit den Frauen: So sei mir Liebes geschehn.” (937)

Mit herrlichen Sitten sprach da Siegfried:

“Wenn ihr jagen reitet, da will ich gerne mit.

So sollt ihr mir leihen einen Jägersmann

Mit etlichen Bracken; so reit ich mit euch in den Tann.” (938)

“Wollt ihr nur einen?”, fragte der König gleich zur Hand:

“Ich leid euch, wollt ihr, viere, denen wohlbekannt

Der Wald ist und die Steige, wo viel Wildes ist,

Dass ihr nicht waldverwiesen zu den Herbergen reiten müsst.” (939)

Da ritt zu seinem Weibe der Degen unverzagt.

Derweilen hatte Hagen dem Könige gesagt,

Wie er verderben wolle den tapferlichen Degen:

So großer Untreue sollt ein Mann nimmer pflegen. (940)

*Als die Ungetreuen geschaffen seinen Tod,

Da wussten sie es alle. Geiselher und Gernot

Wollten nicht mitjagen. Weiß nicht aus welchem Groll

sie ihn nicht gewarnet; doch des entgalten sie voll. (941)

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