Morphologie aus stilistischer Sicht

In diesem Kapitel werden Morphologie und Syntax behandelt. Sie werden durchaus nicht isoliert voneinander betrachtet, was beim besten Willen unmöglich wäre, da die morphologischen Wortformen nur im Redezusammenhang (im Klein- und Großkontext) ihren vollen Sinn erhalten, indem sie als Baustein der syntaktischen Fügungen dienen. Deshalb ist eine stilistische Morphologie zugleich eine syntaktische Morphologie. [Riesel, Schendels: 112]

Stilwert der Wortarten

Wir beginnen die Analyse mit dem Stilwert der Wortarten. Jede Wortart zeichnet sich durch lexikalische und grammatische Eigenheiten aus, die ihre Bedeutung und ihren Stilwert bedingen. Ein und derselbe objektive Sachverhalt kann mit Hilfe von verschiedenen Wortarten und dementsprechend von verschiedenen Satzmodellen sprachlich ausgestaltet werden: Es dämmert. Es wird dämmerig. Die Dämmerung bricht an. Trotz der denotativen Gemeinschaft tritt die eigenartige inhaltliche Prägung jeder Wortart deutliche hervor. Das Verb stellt den Prozess in zeitlicher Prägung dar, das Adjektiv bezeichnet ein Merkmal, das Substantiv gibt dem abstrakten verallgemeinerten Begriff der Dämmerung Ausdruck. Die Wortarten bieten reiche stilistische Möglichkeiten. Hier werden nur drei Hauptwortarten betrachten: das Verb, das Substantiv, das Adjektiv.

Das Verbist die wandlungsfähigste Wortart und bildet ein Viertel des Gesamtwortschatzes. [Riesel, Schendels: 112] Das Verb ist dazu berufen, Tätigkeiten, Zustände, Ereignisse festzustellen. Außer dem semantischen Vorzug besitzt das Verb noch einen grammatischen: die Fähigkeit, mehrere Leerstellen rechts und links zu öffnen. Das Verb verfügt über die Kraft, Bewegung, Veränderung, Leben in die Schilderung hineinzutragen. Daraus ergibt sich eine Schlußfolgerung für die Stilistik: je dynamischer eine Schilderung sein soll, desto mehr Verben nutzt sie aus. Der sog. Verbalstilist die Darstellungsweise, der eine hohe Gebrauchsfrequenz vollwertiger Verben eigen ist. Allerdings entsteht die Konnotation “das Leben stockt”, wenn dasselbe Verb mit einer bestimmten Semantik in derselben Form eintönig wiederholt wird: Krähengesichtig … hocken sie, hocken, hocken und hocken. Unter dem Nominalstilversteht man gewöhnlich die hohe Gebrauchsfrequenz der Substantive sowie der Adjektive als nominative Wortarten.

Die Verben können sogar das Leblose beleben, wenn man die Gegenstände personifiziert, ihnen Bewegungen, Gefühle, Handlungen zumutet; so entstehen verbale Metaphern: Die Sterne zittern… Da trudelte der Mond über die Dächer... Die Fensterflügel miaute. In diesen Metaphern, wo der Übertragungsbegriff im Verb steckt, ist auch die Wahl des Verbs beachtenswert. Die Verben tragen zur bildhaften und bildlichen Gestaltung bei. Eine Metapher steckt auch in den Verben: krebsen (als Gangart des Menschen), vor Wut kochen, jmd. andonnern, etwas ausschnüffeln. Den bildhaften Verben stehen als Gegenstück die Funktionsverben mit verblasster Bedeutung gegenüber, die in Verbindung mit abstrakten Substantiven “Streckformen” bilden. Sie werden sehr oft in der offiziellen Sachprosa und der Publizistik gebraucht: zur Kenntnis bringen, in Kenntnis setzen, zur Kenntnis nehmen, Kenntnis bekommen (erhalten, erlangen).

Die Substantive sind zahlenmäßig die reichste Wortart, die 50-60 % des Gesamtwortschatzes zuzurechnen ist. [Riesel, Schendels: 114] Erstens benennen sie die materiellen Dinge der Außenwelt, zweitens gelten sie als Gipfel der abstrakten Denkweise der Menschen. Nicht nur im Wortschatz, auch in unterschiedlichen Textsorten überwiegen meist die Substantive. Reich an Nomina ist der Stil der Wissenschaft: hier überwiegen Abstrakta und Termini, die bei der wissenschaftlichen Darlegung notwendige Begriffe und Verallgemeinerungen verkörpern. Der substantivische Stil ist dem Stil des öffentlichen Verkehrs eigen (offizielle Dokumente). Der Nominalstil in der schönen Literatur dient verschiedenen Zwecken. Die Substantive malen Einzeldinge, Einzelerscheinungen: Hamburg! Das ist mehr als ein Haufen Steine, Dächer, Fenster, Tapeten, Betten, Straßen, Brücken, Laternen.

Eine Folge von Substantiven kann aber auch die Vorstellung einer energischen Bewegung erwecken. Das Fehlen des Verbs kann sogar in einigen Satzarten den dynamischen Effekt steigern: Ich raus aus dem Bett und ans Fenster, er an die Tür.

Grund- und Übertragungsbegriff stehen bei dersubstantivischen Metapher in unterschiedlicher syntaktischer Beziehung zueinander:

a) als Subjekt und Prädikatsnomen: Schatten sind meine Werke. Schatten sind meine Nächte;

b) als Subjekt und Objekt: Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte;

c) als Bezugswort und Attribut: Dieser steinerne Wald von Häusern;

d) als Bezugswort und Apposition (freie oder gebundene): Sie sahen zu, wie die Sonne hinter den Bäumen versank, ein roter Kinderballon;

e) als Subjekt und Adverbiale: Doch wie eine Barriere stand die Zeit vor ihm.

Die Adjektivebilden ein Sechstel des Gesamtwortschatzes. [Riesel, Schendels: 113] Sie geben objektive und subjektive Merkmale der Gegenstände sowie Einschätzungen und Beurteilungen der Dinge wieder. Sie heben einzelne Besonderheiten des Gegenstandes hervor.

In der Wissenschaft dienen die Adjektive zur Präzisierung der erläuternen Begriffe. Da die Adjektive eine charakterisierende, urteilende und registrierende Funktion besitzen, findet man sie in beschreibenden Texten (in Landschafts- und Portärtsschilderungen, Berichten, in der Werbung). Auffalend ist die hohe Frequenz der Adjektive in der “Werbesprache”.

Ein Stoff ist modisch, preiswert, bügelfrei, porentief, atmungsaktiv, wasserdicht. Ein Kleid hauteng, kniefrei, fleckenunempfindlich. Die Strümpfe sind laufmaschinensicher.

In der attributivenVerwendung erlauben die Adjektive eine sprachökonomische Informationskonzentration, wie sie besonders in juristischen und wissenschaftlichen Texten üblich sind. Im prädikativen Gebrauch erzielen sie eine statische Wirkung. Deshalb bildet der adjektivische Stil einen Gegensatz zum dynamischen Verbalstil.

Ein und derselbe Gegenstand kann bei verschiedenen Menschen andere Eindrücke hervorrufen, jedem fällt ein besonderes Merkmal auf. Bei der metaphorischen oder metonymischen Übertragung der Eigenschaft spielt eine große Rolle eine adjektivische Metapher: ängstliche Fenster, blinde Hände, ein sehr müdes Meer.

Stilwerte des Artikels

Der Artikel ist das Hauptzeichen der Kategorie der Bestimmtheit / Unbestimmtheit. Der bestimmte Artikel besitzt in allen Kasus- und Numerusformen deutliche Merkmale, der unbestimmte Artikel hat nur Singularformen, die in vielen Kasus zusammenfallen. [Schendels: 168] Der Nullartikel darf nicht dem Fehlen des Artikels gleichgesetzt werden, meinen E. Riesel und E. Schendels [Riesel, Schendels: 118] Man lässt den Artikel aus unterschiedlichen Gründen aus, darunter auch aus stilistischen, der Nullartikel dagegen ist eine gesetzmäßige Entsprechung des unbestimmten Artikels im Plural.

Die stilgestaltende Rolle des Artikels äußert sich darin, dass jeder einzelne funktionale Stil Besonderheiten des Artikelgebrauchs aufweist. Eine auffalende Besonderheit in der Verwendung des Artikels kann zu einer Stilnorm werden.

Den Stil derAlltagsredeerkennt man an den gekürzten Artikelformen (‘nen, ‘ne) und am häufigen Gebrauch des bestimmten Artikels vor dem Personennamen. Nach der normativen Grammatik und Stilistik ist es nicht korrekt, vor einen Personennamen den bestimmten Artikel zu setzen: der Hans, die Irene; der (Hans) Moser, die (Elisabeth) Bergner. Aber bei der Verwendung von Namen in der dritten Person kann man, vor allem in Gesprächen, immer wieder Verstöße gegen die Normvorschrift beobachten: Das wird der Hans (Schubert) erledigen. Kann ich die Inge (Neumann) mal sprechen?

Der Artikel steht auch regelmäßig, sobald ein Attribut zum Personennamen hinzutritt: der junge Goethe, der Adenauer der fünfziger Jahre, der Meier von nebenan. Auch wenn Personennamen als nachgestellte Attribute auftreten, wird gewöhnlich der Artikel davongesetzt: Die Rollle des Götz /der Julia/ der Minna von Barnhelm spielte …; und der bestimmte Artikel ist außerdem austauschbar gegen andere Wörter in gleicher syntaktischer Funktion: Der Hans liebt die Grete. Bei Vornamenscheint der bestimmte Artikel allgemein üblich und stilistisch neutral zu sein. Bei Familiennamen dagegen gilt diese Redeweise als unhöflich, herablassend, als salopp. [Seibicke: 62]: Haben Sie den Schulze noch nicht gesehen?

Der Stil der öffentlichen Rede neigt als offiziell-direktive Sachprosa oft zum Weglassen des Artikels. Das betrifft vor allem die Abfassung von Kanzlei- und Gerichtsdokumenten, die Militär- und Sportkommandos, Anzeigen, Bekanntmachungen – kurzum, alle Fälle, wo die Aussage möglichst knapp, sachlich und emotionslos geprägt werden muss: Bahnsteig gesperrt. Eintritt verboten. Sprechstunden täglich von 10 bis 12 Uhr außer Sonntag. Personalleiter gesucht.

Auffalend ist die Artikellosigkeit im Stil der Publizistikund zwar in den Überschriften und Schlagzeiten einer Zeitung: das, was in einem anderen Stil unzulässig wäre, gilt hier als Stilnorm: Weltrekord Nummer 4. Gemeinsamer Gang zum Weltrekord. Pfund-Krise treibt Preise in die Höhe.

Die hohe Gebrauchsfrequenz des bestimmten Artikels ist allerdings keine stilistische, sondern eine sprachliche Besonderheit, weil im Deutschen überhaupt der bestimmte Artikel viel häufiger als der unbestimmte erscheint. [Riesel, Schendels: 120]

Der Erkenntnisweg führt meist vom Unbekannten (unbestimmten, Neuen) zum Bekannten (Bestimmten, Alten), was man kommunikative Rhema-Thema- Gliederung nennt. Dieser Weg wird sprachlich durch den Wechsel von dem unbestimmten zu dem bestimmten gekennzeichnet: Am Feuer saß ein Mann … Der Mann am Feuer stand auf. Während der bestimmte Artikel den Eindruck erwecken kann, als sei dem Empfänger das Unbekannte bekannt, ruft der unbestimmte Artikel eine umgekehrte Wirkung hervor: er stellt die bekannten Dinge so dar, als offenbarten sie sich von einer neuen Seite, in einer anderen Bedeutung. Dieselbe Stilwirkung hat der unbestimmte Artikel bei den Personennamen: er bezeichnet das veränderte Wesen einer gut bekannten und mehrmals erwähnten Person: Ein verstörter Bienkopp stampft durch die Feldmark. [Strittmatter 1] Die stilistische Leistung des Artikels ist von seiner semantischen Leistung schwer zu trennen. Der Artikel allein besitzt keinen Wert, er bedarf der sprachlichen und außersprachlichen Unterstützung.

Stilwerte der Modi

Die Modi bilden eine dreigliedrige Opposition: Indikativ / Konjunktiv / Imperativ. Die Modi dienen ebenso wie der Artikel zur Wiedergabe der Sehweise, der Einstellung des Sprechers zur Wirklichkeit und werden stilistisch vielfach ausgewertet [Riesel, Schendels: 125] Bei der Betrachtung der stilgestaltenden Rolle der Modi beschränken sich E. Riesel und E. Schendels auf einige allgemein bekannte Fälle des Modusgebrauchs, die einen Funktionalstil oder eine Abart des Stils kennzeichnen.

Wortformen Seme
Indikativ Wirklichkeit
Konjunktiv Nicht-Wirklichkeit, Hypothese
Imperativ Nicht-Wirklichkeit, Auffoderung, unmittelbare Ansprachen an den Empfänger

Der Indikativals ein schwaches Oppositionsglied ist in dieser Hinsicht neutral. Man nennt ihn auch Nullmodus. [Riesel, Schendels: 126]

Der Imperativbezieht sich aufgrund seines dritten Sems auf die direkte Rede, aufgrund seines zweiten Sems auf die Aufforderungssätze; folglich ist sein eigentlicher Verwendungsbereich die Alltagsrede. Das Sem “unmittelbare Ansprache an den Empfänger” verlangt Vorsicht bei der Anrede eines Menschen, Berücksichtigung der sozialen Lage, der Alters- und Bildungsunterschiede, der Art der Beziehungen zwischen den Gesprächspartnern: Komm her! – die familiäre zweite Person; Kommen Sie her! – die Höflichkeitsform; Treten die Herrschaften näher! – die untertänig anmutenden, archaisch wirkende dritte Person. Die emotional-expressiven Nuancen des Imperativs hängen von der Intonation, der lexikalischen Füllung des Satzes, auch von dessen Struktur ab. Das Personalpronomen du verstärkt den schroffen Ton: Böse zischte die Alte ihm zu: “Schweig du!”

Mach, dass du wegkommst! Typisch für die Alltagsrede sind einige interjektionsartige Imperative: Sieh mal! Hör mal zu! Denk dir!

Das zweite Gebrauchsgebiet des Imperativs sind manche Genres des Stils der öffentlichen Rede und der Publizistik: Geschäftsbtiefe, Anzeigen, Bekannmachungen, Predigten, Reden, Flugblätter, Losungen, Appele und die Werbung. Die Werbung greift zum Imperativ, um einen direkten Kontakt mit dem Empfänger aufzunehmen: Probieren Sie Tide und Sie werden nie mehr auf Tide verzichten! Nimm Eidran und du schaffst es! In der schönen Literatur findet sich der Imperativ vor allem bei der Wiedergabe mündlicher Rede in der Figurensprache, auch in der Autorensprache, wenn der Dichter unmittelbare Kontaktaufnahme mit dem Leser oder einer anderen vermeintlich angeredeten Person erstrebt.

Der Imperativ verleiht der Aussage ein emotional-subjektives Gepräge. Nach dem Grad der Intensität und der emotionalen Spannung unterscheidet man drei Arten der Willensäußerung:

1. offizielle Befehle, Forderungen, Verbote, deren Erfüllung für den Empfänger obligatorisch sind. Sie sind kategorisch und nicht emotional;

2. Genehmigungen, Anweisungen, Ratschläge, Einladungen. Da der Empfänger selbst an ihrer Realisierung interessiert ist, wirken sie weniger kategorisch;

3. Ausrufe, Appelle, Bitten. Sie wirken nicht kategorisch, jedoch stark emotional.

Die letzten zwei Arten sowie nicht offizielle Befehele und Verbote können im Satz unterschiedliche Konnotationen wachrufen. Das hängt von der Wahl des Verbs, der Intonation, der Begleitwörter: Bitte, verlassen Sie den Raum, er soll gelüftet werden! (höflich). Scheren Sie sich zum Teufel! (sehr grob). Verduften Sie! (salopp-umg., oft scherzhaft unter Freunden).

Im Stil der schönen Literatur ist der Imperativ ein wirkungsvolles künstlerisches Mittel. Dadurch wird Sprachporträt, Zeitkolorit, das soziale Milieu gezeigt. In der Autorensprache ist der Imperativ berufen, die Darstellung zu beleben, Dynamik hineinzubringen, den Leser durch unmittelbare Kontaktaufnahme aufzurütteln. [Riesel, Schendels: 129]

Der Funktionsbereich des Konjunktivs lässt sich bei manchen Formen eingrenzen. Die präsentischen Formen (Konjunktiv 1) sind der Umgangssprache fremd, in den Mundarten verschwunden (außer den interjektionsartigen Ausrufen gottseidank! gottbewahre!) Diese Formen werden oft in der Sachprosa und der Dichtersprache verwendet. Die Formen Es sei! Möge …! Dein Wille geschehe! verraten Gehobenheit, die die Alltagsrede meidet. Den Stil der Wissenschaft erkennt man an den stereotypen Wendungen: man vergleiche…, es sei bemerkt…, ABS sei ein rechtschenkliger Winkel … In Anweisungen und Rezepten (z.B. in Kochbüchern) wird der Konjunktiv durch andere Mittel abgelöst. Steht in einem älteren Kochbuch: Man rühre Zucker und Ei schaumig, so heißt es heute: Butter, Zucker, Gewürz und Ei schaumig rühren und das Mehl unterkneten.

Der Konjunktiv der indirekten Rede gebraucht man oft in den Protokollen und Berichten, im Stil der Publizistik und der öffentlichen Rede.

Das stilistische Ausdruckvermögen des Konjunktivs steht dem des Imperativs nicht nach. Wir betrachten zwei Bedeutungen: den nicht-kategorischen und den irrealen Konjunktiv. Der nicht-kategorische Konjunktiv wird immer dort gebraucht, wo die Äußerung sanft, bescheiden, unsicher klingen soll: Würden Sie mir bitte den Teller reichen! (Höflichkeit); Wie wäre es mit einer Tasse Kaffee? (Annahme); Das wäre meine Meinung! Das wäre alles! (Bescheidenheit).

Mit Gebrauch des irrealen Konjunktivs betritt er das Reich der Phantasie, der Träumerei: Ich wollt, ich wäre ein Fisch.

Die Komparativsätze mit als, als ob, wie wenn lassen freien Spielraum für poetische Vergleiche, die einer Metapher nahekommen: Er sah aus, als habe er die Viehseuche erfunden.

4.4.4. Stilistische Möglichkeiten der Genera verbi

Die Genera bilden die dreigliedrige Opposition: Aktiv / Passiv / Stativ. Das Stativ wird nicht von allen Forschern als drittes Genus anerkannt (Admoni, Guchmann, Moskalskaja), obwohl es formell und inhaltlich mit den anderen Genera koordiniert. [Riesel, Schendels: 132]

Was die stilistische Rolle der Genera anbelangt, so ist ihr Funktionsbereich nicht scharf voneinender abzugrenzen. Das Aktiv als das schwache Glied der Opposition verfügt über ein unumschränktes Gebrauchsgebiet; es ist eine mobile und elastische Genusform: Es bleibt abzuwarten. Er läßt sich rasieren. Die Ware verkauft sich gut. Er hat ein Motorrad geschenkt bekommen. (Aktiv nähert sich dem Passiv). Das Essen ist fertig, bereit. Ihr Haar ist lockig. (Aktiv nähert sich dem Stativ) Das Ausbleiben des Objekts im Aktiv kann gelegentlich als Mittel der Ironie dienen: Es heißt, Geld macht nicht glücklich. Aber es beruhigt.

Passiv wird im wissenschaftlichen Stil besonders oft gebraucht, da der Satz deutlich den Namen des Schöpfers in den Vordergrund rückt. Deshalb ist das Passiv so beliebt im wissenschaftlichen Stil: Die Gesetze der Statik … sind schon von den Griechen geklärt worden. Die Dynamik dagegen ist erst von Galilei begründet. Auf Schritt und Tritt begegnen wir den zweigliedrigen Passiv im Stil der Alltagsrede: Mein Sohn wurde 2000 geboren. Er wurde Ivan genannt.; Er wurde abgebaut, eingestellt, aufgenommen, entlassen.

Betrachten wir folgendes Beispiel: Peter schlägt Paul. – Paul wird von Peter geschlagen. Das Aktiv stellt die Handlung in ihrer natürlichen Geschehensrichtung dar: Urheber (Agens) ® Handlung ® Objekt der Handlung (Patiens), während das Passiv eine rückläufige Darstellungsperspektive schafft: Objekt der Handlung (Patiens) Handlung Urheber (Agens). Das deutsche Passiv verfügt über die Opposition von+Dat. / durch+Akk. Mit den Semen: “Urheber der Handlung” – “Vermittler der Handlung” Die Opposition von/durch ermöglicht mannigfache stilistische Auswertung.

1. Von stellt die Naturerscheinungen als unabhängig vom Menschenwillen wirkende, selbsttätige Kräfte dar: vom Blitz getroffen, vom Wind zerrissen.

2. Auch Gefühle, Empfindungen und Stimmungen überwältigen den Menschen: Sie wurde von einer ausgelassenen Heiterkeit ergriffen. Sie wurde verwirrt von diesen Gedanken.

3. Von trägt zur Aktivierung der Gegenstände und dadurch zur Bildkraft der Darstellung bei: Vom funkelnden Himmel gehalten, hing der Erdball.

4. Von ist ein Mittel der Personifizierung des Leblosen: Der tobende Lärm der Arbeit wurde verschlungen von einem dumpfen Brummen. Dagegen dient durch zur Verminderung der Aktivität des Agens: Tatsächlich ist die theoretische Durchdeutung der Atomvorstellung im vorigen Jahrhundert durch die scharfsinnigsten Physiker außerordentlich gefördert worden. Man könnte dieses durchso interpretieren: die Gelehrten stehen im Dienste der Wissenschaft, die Wissenschaft entwickelt und bereitet sich infolge ihrer Leistungen. Die Ausbreitung der durch-Fügung wird dank dem nominalen Gebrauch gefördert. Die nominale Entsprechung des Passivs enthält immer die Präposition durch. Vgl. Die künstliche Radioaktivität wurde vom Ehepaar Joliot-Curie entdeckt. Die Entdeckung der künstlerischen Radioaktivität durch das Ehepaar Joliot-Curie (war epochemachend) Die Sonde wurde vom Atzt in die Wunde eingeführt. ®Die Einführung der Sonde in die Wunde durch den Arzt (geschah mit großer Vorsicht). Das zweigliedrige Passiv und Stativ sind Idealformen für den Stil der Sachprosa, wo Feststellungen, Beschreibungen, Denkresultate oder Ergebnisse von Experimenten geliefert werden: In der Wasserwerkstatt wird das Leder gemacht: Dort wird die “Kuhhaar” nicht nur enthaart, entfleischt und geglättet. (Beschreibung des Arbeitsprozesses) Im Stil der öffentlichen Rede trägt das zweigliedrige Passiv zur trockenen offiziellen Sachlichkeit bei: Sie werden gebeten, pünktlich zu erscheinen. Gekaufte Ware wird nicht umgetauscht. Dank der Passivstruktur braucht das Subjekt nicht wiederholt zu werden. Manchmal entsteht durch den Genuswechsel der syntaktische Parallelismus: Er war bucklich, er wurde oft verspottet, er hatte eine Brille auf.

Die eingliedrige Genussrutktur.Als solche betrachtet man den Satz, wo nur das Prädikat in irgendeiner Genusform vorhanden ist, während das Satzobjekt fehlt; Das Satzsubjekt fehlt ebenfalls oder ist durch das unpersönliche es vertreten.

Aktiv: Es singt in mir. Passiv: Es wird gesungen, da wird gesungen. Stativ: Hier sei daran gedacht. Sätze mit der eingleidrigen Genussrtuktur dienen zur Hervorhebung des Vorgangs (bzw. des Zustands); der Täter ist immer implizit vorhanden: Es wurde auf dem Balkon oder unter dem Kastanienbaum gegessen. Es wird in dieser Zeit viel geklatscht.

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